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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Staatsbürger die Freiheit des Denkens und Forschen? verbürgt, als
wenn wir bisher im wahren katholischen Lichte diese Freiheit nicht gehabt
hätten. -- Eine höchst unwürdige Deutung der Intention Sr. kais. apostol.
Majestät. Jeder Schütze, der an diesem Lichtseste Theil nimmt, muß nach dem
Sinne der Einladung als Bekenner derselben Grundsätze angesehen werden
und der Ehre entsagen, zur Tirolerfahne der edlen Vorältern zu gehören, die,
mit den Bildern des göttlichen Erlöserherzens und Mariahilf geziert, sie immer
zum Siege und Ruhm geführt hat, welche aber bedeutungsvoll bei diesem
Lichtschieben ganz ausgeschlossen, nicht mehr sich entfalten darf. Brüder!
schändet durch eine solche Verbindung eure alte Schützenehre nicht!"

Wir theilen das Acrenstück unverkürzt mit, weil es beredter als jede
Schilderung, lebendiger als zwanzig Citate aus den "Tiroler Stimmen", den
"katholischen Blättern aus Tirol" und ähnlicher Literatur sowohl von der Bil¬
dung des Redners als seiner Zuhörer zeugt, die es in Andacht lqsen und auf
sich wirken ließen.

Das Lichtfest zu Bozen kam aber den Anführern der streitenden Kirche
in Tirol lange nicht so unbequem, als sie möchten glauben machen. Wie
ein Alp drückte die Einstellung des Gortesworles gegen die drohenden Pro-
testantenschwärme und der Bittgänge gegen diese ägyptische Plage auf ihre
Brust, und schon seit dem Beginn des Octobers, also noch ehe die Widmung
des Streiter'schen Lichtschießens geschrieben oder bekannt war, sannen Baron
Dipauli in Kältern und seine Freunde, wie sie die Antwort des Papstes
auf die Adresse des Ende Juni in Innsbruck gepreßten Bauernlandtngs. und
die Entsendung seines Fürsprechers, Monsignor nardi, an den Kaiser zur Er¬
bauung des Volkes kundgeben und den fast erkaltenden Eifer für die gute
Sache aufstacheln sollten. Nach dem ersten Entwürfe dachte man die beab¬
sichtigte Procession, die doch am meisten Leute zusammenbrächte, als Dank
für die gesegnete Weinernte zu betiteln, leider paßte dies nicht auch auf die
getreideerzeugenden Gebirge und Thäler, die man nicht vermissen mochte. Da
bot nun die gottlose Feier des Protestantenpatents willkommenen Vorschub.
Man verhüllte zwar bis auf ein paar Tage vor der Eröffnung des Schau-
spielst wie es die Pastorale Klugheit rieth, den wahren Zweck, nur "für den
Papst, den Kaiser und das Land zu beten" gelte es. endlich entrollte man
doch die heilige Fahne, woraus die Devise stand: "Für die Erhaltung der
Glaubenseinheit im Lande Tirol." Dafür hatte man zur Procession in Meran
ohngefähr 4000. zu jener in Bozen etwa doppelt so viele Männer zusammen¬
getrieben. Jede Landgemeinde zog betend, die frommen Geistlichen an der
Spitze, einher, in Bozen hatten sich nicht weniger als 178 geweihte Gottes¬
leute um das wunderthätige Madonnenbild in der Pfarre versammelt, dann
trugen sie es nebst einigen Knochen "heiliger Leiber" durch die Straßen der


Staatsbürger die Freiheit des Denkens und Forschen? verbürgt, als
wenn wir bisher im wahren katholischen Lichte diese Freiheit nicht gehabt
hätten. — Eine höchst unwürdige Deutung der Intention Sr. kais. apostol.
Majestät. Jeder Schütze, der an diesem Lichtseste Theil nimmt, muß nach dem
Sinne der Einladung als Bekenner derselben Grundsätze angesehen werden
und der Ehre entsagen, zur Tirolerfahne der edlen Vorältern zu gehören, die,
mit den Bildern des göttlichen Erlöserherzens und Mariahilf geziert, sie immer
zum Siege und Ruhm geführt hat, welche aber bedeutungsvoll bei diesem
Lichtschieben ganz ausgeschlossen, nicht mehr sich entfalten darf. Brüder!
schändet durch eine solche Verbindung eure alte Schützenehre nicht!"

Wir theilen das Acrenstück unverkürzt mit, weil es beredter als jede
Schilderung, lebendiger als zwanzig Citate aus den „Tiroler Stimmen", den
„katholischen Blättern aus Tirol" und ähnlicher Literatur sowohl von der Bil¬
dung des Redners als seiner Zuhörer zeugt, die es in Andacht lqsen und auf
sich wirken ließen.

Das Lichtfest zu Bozen kam aber den Anführern der streitenden Kirche
in Tirol lange nicht so unbequem, als sie möchten glauben machen. Wie
ein Alp drückte die Einstellung des Gortesworles gegen die drohenden Pro-
testantenschwärme und der Bittgänge gegen diese ägyptische Plage auf ihre
Brust, und schon seit dem Beginn des Octobers, also noch ehe die Widmung
des Streiter'schen Lichtschießens geschrieben oder bekannt war, sannen Baron
Dipauli in Kältern und seine Freunde, wie sie die Antwort des Papstes
auf die Adresse des Ende Juni in Innsbruck gepreßten Bauernlandtngs. und
die Entsendung seines Fürsprechers, Monsignor nardi, an den Kaiser zur Er¬
bauung des Volkes kundgeben und den fast erkaltenden Eifer für die gute
Sache aufstacheln sollten. Nach dem ersten Entwürfe dachte man die beab¬
sichtigte Procession, die doch am meisten Leute zusammenbrächte, als Dank
für die gesegnete Weinernte zu betiteln, leider paßte dies nicht auch auf die
getreideerzeugenden Gebirge und Thäler, die man nicht vermissen mochte. Da
bot nun die gottlose Feier des Protestantenpatents willkommenen Vorschub.
Man verhüllte zwar bis auf ein paar Tage vor der Eröffnung des Schau-
spielst wie es die Pastorale Klugheit rieth, den wahren Zweck, nur „für den
Papst, den Kaiser und das Land zu beten" gelte es. endlich entrollte man
doch die heilige Fahne, woraus die Devise stand: „Für die Erhaltung der
Glaubenseinheit im Lande Tirol." Dafür hatte man zur Procession in Meran
ohngefähr 4000. zu jener in Bozen etwa doppelt so viele Männer zusammen¬
getrieben. Jede Landgemeinde zog betend, die frommen Geistlichen an der
Spitze, einher, in Bozen hatten sich nicht weniger als 178 geweihte Gottes¬
leute um das wunderthätige Madonnenbild in der Pfarre versammelt, dann
trugen sie es nebst einigen Knochen „heiliger Leiber" durch die Straßen der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/148>, abgerufen am 17.06.2024.