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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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nicht mehr blos um ein Ringen nach den Bestfahnen auf der friedlichen Schieß,
statte, sondern um die dadurch beabsichtigte Erreichung des dem harmlosen Spiele
zu Grunde liegenden Zweckes -- um den ernsten Kampf gegen die Feinde
des Vaterlandes handeln sollte." Eine freisinnige Rede war jedoch nicht zu
vermeiden, da sich auch die Bozener in großer Anzahl mit Fahnen, Musik
und Liedertafel bei der Feier einfanden und an der Passerbrücke freundlich
empfangen wurden. Das Fest hatte aber auch seinen Clown, dessen Rolle der
junge Graf Brandes übernahm. Geheimen Berichten zufolge war etlichen
Passeiern, die am Lanaer Schießen Theil genommen, nicht zu trauen, daß sie
auf dem Rückwege nicht auch jeues von Meran besuchten. Da kleidete sich der
Graf herablassend in die Tracht der Bauern an der Passer, deren Lederhosen
nicht bis an die Strümpfe reichen. so daß sie die Kniee nackt tragen. Mit
entblößten Knieen also und in der Lodenjoppe eines Schützenhauptmanns
schritt er neun Passeiern mit gezo gemein Säbel voran, und escortirte sie unter
Trommel- und Pfeisenspiel durch die Stadt Meran bis er sie oberhalb der¬
selben am Eingang in ihr Heimathsthal vor Abfall gesichert glaubte. Sie
aber kehrten, sobald er den Rücken gewendet, in die Stadt um und schössen
dort am anderen Tage zur Feier der Eintracht.

Ein günstiger Zufall zerriß am Ende die künstliche Scheidewand, womit
man die lustigen Schützen wider ihren Willen zu trennen suchte. General
Gras Castiglione, der als Obercommandant der Landesvertheidigung inBozen,
weilte, wurde vom Kaiser zum zweiten Inhaber des tiroler Jägerregiments
ernannt. Die Bozener Bürger und Schützen, die den wackeren Krieger, der
die Tiroler in 26 Gefechten zu Kampf und Sieg geführt, hoch verehren, feier-
ten dies Ereigniß wieder durch ein Scheibenbest. das noch reicher als die bei¬
den früheren war, und luden dazu Alle ohne Ausnahme ein, die sich darüber
freuten. Diesem Bnspiel folgten auch Graf Wickcnburg in Eppan und ^
Schützemneistcr Nani in Trient. Nun kam wieder Alles herbei, was den
Stutzen führte, namentlich war des Gedränges auf dem bozener Scheiben¬
stande kein Ende, und so oft sich der freundliche General zeigte, scholl ihm
vielstimmiger Jubel entgegen. Nur die Häupter des finstern Alttirols blieben
ferne, weil es die.Freunde des Lichtes waren, die das Fest angerichtet.




Grenzboten I. 1662.19

nicht mehr blos um ein Ringen nach den Bestfahnen auf der friedlichen Schieß,
statte, sondern um die dadurch beabsichtigte Erreichung des dem harmlosen Spiele
zu Grunde liegenden Zweckes — um den ernsten Kampf gegen die Feinde
des Vaterlandes handeln sollte." Eine freisinnige Rede war jedoch nicht zu
vermeiden, da sich auch die Bozener in großer Anzahl mit Fahnen, Musik
und Liedertafel bei der Feier einfanden und an der Passerbrücke freundlich
empfangen wurden. Das Fest hatte aber auch seinen Clown, dessen Rolle der
junge Graf Brandes übernahm. Geheimen Berichten zufolge war etlichen
Passeiern, die am Lanaer Schießen Theil genommen, nicht zu trauen, daß sie
auf dem Rückwege nicht auch jeues von Meran besuchten. Da kleidete sich der
Graf herablassend in die Tracht der Bauern an der Passer, deren Lederhosen
nicht bis an die Strümpfe reichen. so daß sie die Kniee nackt tragen. Mit
entblößten Knieen also und in der Lodenjoppe eines Schützenhauptmanns
schritt er neun Passeiern mit gezo gemein Säbel voran, und escortirte sie unter
Trommel- und Pfeisenspiel durch die Stadt Meran bis er sie oberhalb der¬
selben am Eingang in ihr Heimathsthal vor Abfall gesichert glaubte. Sie
aber kehrten, sobald er den Rücken gewendet, in die Stadt um und schössen
dort am anderen Tage zur Feier der Eintracht.

Ein günstiger Zufall zerriß am Ende die künstliche Scheidewand, womit
man die lustigen Schützen wider ihren Willen zu trennen suchte. General
Gras Castiglione, der als Obercommandant der Landesvertheidigung inBozen,
weilte, wurde vom Kaiser zum zweiten Inhaber des tiroler Jägerregiments
ernannt. Die Bozener Bürger und Schützen, die den wackeren Krieger, der
die Tiroler in 26 Gefechten zu Kampf und Sieg geführt, hoch verehren, feier-
ten dies Ereigniß wieder durch ein Scheibenbest. das noch reicher als die bei¬
den früheren war, und luden dazu Alle ohne Ausnahme ein, die sich darüber
freuten. Diesem Bnspiel folgten auch Graf Wickcnburg in Eppan und ^
Schützemneistcr Nani in Trient. Nun kam wieder Alles herbei, was den
Stutzen führte, namentlich war des Gedränges auf dem bozener Scheiben¬
stande kein Ende, und so oft sich der freundliche General zeigte, scholl ihm
vielstimmiger Jubel entgegen. Nur die Häupter des finstern Alttirols blieben
ferne, weil es die.Freunde des Lichtes waren, die das Fest angerichtet.




Grenzboten I. 1662.19
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/153>, abgerufen am 14.05.2024.