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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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dis fand dies Mit seinem Princip vom "christlichen Staate" nicht vereinbar,
er bestand auf der Ausscheidung der Liberalen als einem Rechte constitutio-
neller Freiheit. So nahm denn die Werbung der Glaubenssöldner unbehin¬
dert ihren Lauf. Die Kosten des Zuzugs überstiegen jede Erwartung. Man
mußte Knechte und Taglöhner aufbieten, ihnen Reise. Zehrung und Einlage
zahlen, auch die "eiurollirten." d. i. auf den Schießstätten eingeschriebenen
Schlehen kamen nicht aus eigenem Antrieb, sondern erst auf zwei- oder drei"
maliges Drängen der für den Ruf ihrer Machtstellung besorgten Geistlichen
und erhielten zum Theil auch gutes Handgeld. Man griff sogar zum letzten
Mittel, nöthigte Leuten, die nicht schössen, oder sich dessen wohl gar weigerten,
die Einlage ab. und die Kutscher" der Stellwagen versagten denen die Auf¬
nahme, die diesen Obolus den Mächten der Finsterniß nicht geopfert. Den¬
noch reichte die Zählung selbst nach den "Tiroler Stimmen" nur auf 720
Stück. In wessen Interesse das Freischießen in Lema gehalten wurde, zeigte
ti? dort stark vertretene schwarze Innung, es ward dies auch gleich am
24. November beim Act der Eröffnung kund. ..Wie die Alten gethan," las
der junge Graf Brandis verlegen und stammelnd aus einem Papier ab. "so
werden auch wir thun". Die treuherzigen Laiideskinder marschirten ja stets
nach dem Kommando ihrer Seelenhirten, kein Wunder also, daß das erste
und angestrengteste Hoch Sr. Heiligkeit dem Papste galt. Die folgenden aus
den Kaiser und das tiroler Land klangen merklich matter. Tags nachher
war großes Concil. Ueber 80 auserwnhlte Leviten tagten über die dringend
nöthige Unterstützung der geldarmen "Tiroler Stimmen", ohne welche dem
heiligen Feuer das Erlöschen droht. Zuletzt beschloß man zum Andenken der
geweihten Stunde die Vertheilung eines Schützenpfennigs an Alle, die im
gläubigen Feuereifer zu Lana das Kreuz an ihre Brust geheftet; als aber am
dritten Tage dieses Siegesfcstes der Probst von Bozen und der Abt von Gries
mit Inful und Stab angezogen kamen, um ein feierliches Hochamt zur Er¬
neuerung des alten Bundes der tiroler Schützen mit dem Herzen Jesu zu
singen, da fanden die Schützen keine Zeit ihm anzuwohnen. Vormittags,
meinten sie. wäre eben das Schießen am kurzweiligsten, und als es am
4. Dec. geschlossen wurde, war kein Schütze mehr da -- der junge Graf
stand allein in der Mitte seiner getreuen Zieler und Schützenschreiber.

Inzwischen feierten am 1. Dec. auch die Meraner ihr Fest. Sie gaben
das Best zu Ehren des Statthalters Fürsten Lobkowitz "als Schirmherrn der
Schützeneintracht", worauf dieser mit Schreiben vom 27. November sie be¬
lobte, daß sie "dem richtigen Verständniß des tiroler Schützenwesens that¬
sächlichen Ausdruck verliehen haben. Denn", hieß es weiter, "nur die Ein-
tracht der tiroler Schützen ist es, welche deren schönes Losungswort: ""Für
Gott, Kaiser und Vaterland"" zur Geltung zu bringen vermag, sobald es sich


dis fand dies Mit seinem Princip vom „christlichen Staate" nicht vereinbar,
er bestand auf der Ausscheidung der Liberalen als einem Rechte constitutio-
neller Freiheit. So nahm denn die Werbung der Glaubenssöldner unbehin¬
dert ihren Lauf. Die Kosten des Zuzugs überstiegen jede Erwartung. Man
mußte Knechte und Taglöhner aufbieten, ihnen Reise. Zehrung und Einlage
zahlen, auch die „eiurollirten." d. i. auf den Schießstätten eingeschriebenen
Schlehen kamen nicht aus eigenem Antrieb, sondern erst auf zwei- oder drei»
maliges Drängen der für den Ruf ihrer Machtstellung besorgten Geistlichen
und erhielten zum Theil auch gutes Handgeld. Man griff sogar zum letzten
Mittel, nöthigte Leuten, die nicht schössen, oder sich dessen wohl gar weigerten,
die Einlage ab. und die Kutscher" der Stellwagen versagten denen die Auf¬
nahme, die diesen Obolus den Mächten der Finsterniß nicht geopfert. Den¬
noch reichte die Zählung selbst nach den „Tiroler Stimmen" nur auf 720
Stück. In wessen Interesse das Freischießen in Lema gehalten wurde, zeigte
ti? dort stark vertretene schwarze Innung, es ward dies auch gleich am
24. November beim Act der Eröffnung kund. ..Wie die Alten gethan," las
der junge Graf Brandis verlegen und stammelnd aus einem Papier ab. „so
werden auch wir thun". Die treuherzigen Laiideskinder marschirten ja stets
nach dem Kommando ihrer Seelenhirten, kein Wunder also, daß das erste
und angestrengteste Hoch Sr. Heiligkeit dem Papste galt. Die folgenden aus
den Kaiser und das tiroler Land klangen merklich matter. Tags nachher
war großes Concil. Ueber 80 auserwnhlte Leviten tagten über die dringend
nöthige Unterstützung der geldarmen „Tiroler Stimmen", ohne welche dem
heiligen Feuer das Erlöschen droht. Zuletzt beschloß man zum Andenken der
geweihten Stunde die Vertheilung eines Schützenpfennigs an Alle, die im
gläubigen Feuereifer zu Lana das Kreuz an ihre Brust geheftet; als aber am
dritten Tage dieses Siegesfcstes der Probst von Bozen und der Abt von Gries
mit Inful und Stab angezogen kamen, um ein feierliches Hochamt zur Er¬
neuerung des alten Bundes der tiroler Schützen mit dem Herzen Jesu zu
singen, da fanden die Schützen keine Zeit ihm anzuwohnen. Vormittags,
meinten sie. wäre eben das Schießen am kurzweiligsten, und als es am
4. Dec. geschlossen wurde, war kein Schütze mehr da — der junge Graf
stand allein in der Mitte seiner getreuen Zieler und Schützenschreiber.

Inzwischen feierten am 1. Dec. auch die Meraner ihr Fest. Sie gaben
das Best zu Ehren des Statthalters Fürsten Lobkowitz „als Schirmherrn der
Schützeneintracht", worauf dieser mit Schreiben vom 27. November sie be¬
lobte, daß sie „dem richtigen Verständniß des tiroler Schützenwesens that¬
sächlichen Ausdruck verliehen haben. Denn", hieß es weiter, „nur die Ein-
tracht der tiroler Schützen ist es, welche deren schönes Losungswort: „„Für
Gott, Kaiser und Vaterland"" zur Geltung zu bringen vermag, sobald es sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/152>, abgerufen am 16.06.2024.