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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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herigen Pachtzins als Capitalzins zu entrichten, der Werth des betreffenden
Zinses wurde zu 6 Procent capitalisirt. Die Zahlung dieses Werths brauchte
nicht stattzufinden, und der Kirche blieb weiter nichts als ein Unterpfand auf
die Zinsen. Sie hatte so einen doppelten Verlust zu tragen. Einmal hatte
sie ihre Güter sehr billig vemucthet und dadurch den Capitalwerth vermin¬
dert, dann aber konnten die neuen Eigenthümer nicht gezwungen werden, das
Capital abzutragen, wohl aber gestattete ihnen das Decret, das Besitzthum
zu veräußern und den Nutzen davon sich anzueignen. Kein Wunder daher,
wenn die Geistlichkeit dagegen mit allen Mitteln auftrat, die Kirchen schloß,
von den Kanzeln die Strafen der Hölle auf die Häupter der Negierung be-
schwor und denen, die sich Kirchengut erwarben, die Absolution und die Sa-
crcunente vorenthielt. Bald jedoch mußte sie einsehen, daß das Volk, obwohl
Jahrhunderte in der Finsterniß erzogen, auch hier begonnen hatte, selbstän¬
dig zu denken, und daß ihr Einfluß nur von ihrem Reichthum, nicht von
der Macht des Glaubens abhängig war. Einige Schwierigkeiten indeß be¬
reitete ihr Widerstand dem Präsidenten und dem Kongreß doch, und dazu
traten noch Verwickelungen mit dem Ausland.

Mexico hatte ,u"ter Santa Ana mit Spanien eine Uebereinkunft abge¬
schlossen, welche vie spanische Schuld endgültig anerkannte. Jetzt aber for¬
derte die neue Negierung eine erneute Prüfung der spanischen Ansprüche.
Das madrider Cabinet weigerte sich dessen, und so entstand eine Spannung
zwischen den beiden Ländern, die durch folgenden Vorfall noch größer wurde.

Als General Alvarez sich nach dem Süden zurückbegab, beabsichtigte er,
dem Staat von Guerrero zwei Bezirke, die zu dem Staat Mexico gehörten,
einzuverleiben. Da der Congreß darein nicht willigte, so glaubte der General,
die spanischen Gutsbesitzer in jenen Districten hätten den abschlägigen Be¬
scheid veranlaßt, und so sandte er, um sich zu rächen, am 18. Den. 1356
verkappte Truppen nach der Hncienda von San Vincent und ließ die dort
befindlichen Spanier ermorden. Ein Franzose, der sich unter denselben be¬
fand, blieb verschont. Auf die Nachricht hiervon schickte die mexicanische Re¬
gierung Truppen in die Gegend, um die dortigen Spanier vor weiteren An¬
griffen zu schützen. Untersuchungen, von dem spanischen Gesandten an Ort
und Stelle angestellt, ergaben die Schuld des Generals Alvarez, aber an
eine Bestrafung desselben war nicht zu denken, ja die Regierung konnte nicht
einmal wagen, die Auslieferung der zu jenem geflohenen Mörser zu verlangen.
Die Folge war, daß der spanische Gesandte, nachdem er die Unterthanen sei¬
ner Regierung in Mexico unter den Schutz des französischen gestellt, abreiste.
Ein ähnlicher Mord, in der Hacienda von San Dimas begangen, sowie die
Verbannung mehrer Spanier durch Alvarez veranlaßte das madrider Cabinet,
in der Havanna Truppen zusammenzuziehen und durch Blockirung der mexi-


herigen Pachtzins als Capitalzins zu entrichten, der Werth des betreffenden
Zinses wurde zu 6 Procent capitalisirt. Die Zahlung dieses Werths brauchte
nicht stattzufinden, und der Kirche blieb weiter nichts als ein Unterpfand auf
die Zinsen. Sie hatte so einen doppelten Verlust zu tragen. Einmal hatte
sie ihre Güter sehr billig vemucthet und dadurch den Capitalwerth vermin¬
dert, dann aber konnten die neuen Eigenthümer nicht gezwungen werden, das
Capital abzutragen, wohl aber gestattete ihnen das Decret, das Besitzthum
zu veräußern und den Nutzen davon sich anzueignen. Kein Wunder daher,
wenn die Geistlichkeit dagegen mit allen Mitteln auftrat, die Kirchen schloß,
von den Kanzeln die Strafen der Hölle auf die Häupter der Negierung be-
schwor und denen, die sich Kirchengut erwarben, die Absolution und die Sa-
crcunente vorenthielt. Bald jedoch mußte sie einsehen, daß das Volk, obwohl
Jahrhunderte in der Finsterniß erzogen, auch hier begonnen hatte, selbstän¬
dig zu denken, und daß ihr Einfluß nur von ihrem Reichthum, nicht von
der Macht des Glaubens abhängig war. Einige Schwierigkeiten indeß be¬
reitete ihr Widerstand dem Präsidenten und dem Kongreß doch, und dazu
traten noch Verwickelungen mit dem Ausland.

Mexico hatte ,u»ter Santa Ana mit Spanien eine Uebereinkunft abge¬
schlossen, welche vie spanische Schuld endgültig anerkannte. Jetzt aber for¬
derte die neue Negierung eine erneute Prüfung der spanischen Ansprüche.
Das madrider Cabinet weigerte sich dessen, und so entstand eine Spannung
zwischen den beiden Ländern, die durch folgenden Vorfall noch größer wurde.

Als General Alvarez sich nach dem Süden zurückbegab, beabsichtigte er,
dem Staat von Guerrero zwei Bezirke, die zu dem Staat Mexico gehörten,
einzuverleiben. Da der Congreß darein nicht willigte, so glaubte der General,
die spanischen Gutsbesitzer in jenen Districten hätten den abschlägigen Be¬
scheid veranlaßt, und so sandte er, um sich zu rächen, am 18. Den. 1356
verkappte Truppen nach der Hncienda von San Vincent und ließ die dort
befindlichen Spanier ermorden. Ein Franzose, der sich unter denselben be¬
fand, blieb verschont. Auf die Nachricht hiervon schickte die mexicanische Re¬
gierung Truppen in die Gegend, um die dortigen Spanier vor weiteren An¬
griffen zu schützen. Untersuchungen, von dem spanischen Gesandten an Ort
und Stelle angestellt, ergaben die Schuld des Generals Alvarez, aber an
eine Bestrafung desselben war nicht zu denken, ja die Regierung konnte nicht
einmal wagen, die Auslieferung der zu jenem geflohenen Mörser zu verlangen.
Die Folge war, daß der spanische Gesandte, nachdem er die Unterthanen sei¬
ner Regierung in Mexico unter den Schutz des französischen gestellt, abreiste.
Ein ähnlicher Mord, in der Hacienda von San Dimas begangen, sowie die
Verbannung mehrer Spanier durch Alvarez veranlaßte das madrider Cabinet,
in der Havanna Truppen zusammenzuziehen und durch Blockirung der mexi-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/190>, abgerufen am 28.05.2024.