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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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aus dem Schlund von Barbarei zu ziehen, in den sie durch heimische Un¬
fähigkeit und Verdorbenheit gestürzt worden.

Und mock, mehr, --so fahren die Vertheidiger einer gründlichen Umgestaltung
der mexicanischen Zustande durch die Alliirten fort, -- ein nicht weniger wichtiger
Vortheil für die gesummte Menschheit dämmert in der Zukunft. Wird Mexico
zu einem starken Staat, fähig, das Seine festzuhalten und alle Angriffe zurück¬
zuwerfen, so wird die Sklavenhalter-Conföderation zwischen zwei Mächte und
zwei Civilisationen, jede verschiedener Art und Race, aber beide frei und wohl
geneigt zu einer Allianz, eingeklemmt. Diese Nachbarschaft würde Wunder
thun für die neue Republik, sie würde ihre Ausdehnung hindern und ihren
Haupt- und Grundirrthum zu Schanden machen. Die Sklaverei, nicht
mehr im Stande, neue Gebiete zu überschwemmen und eingeengt daheim,
würde dann als sociales Problem zu behandeln sein, für das bei Gefahr
des Untergangs eine Losung zu suchen wäre. Die endliche Ausrottung
dieser schmachvollen Einrichtung würde viel sicherer und weit rascher durch
die Schöpfung eines kräftigen Mexico als durch die vollständigste Unterwer¬
fung und Wiedereinverleibung der secessionistischeu Staaten in die Union
erzielt werden.

Alles sehr wohl gesprochen, sehr human, sehr würdig, namentlich würdig
einer Nation, die an der Spitze der Civilisation einherschreitet und die Mission
hat. der Welt Gesittung beizubringen, das goldne Zeitalter zurückzuführen,
also vor Allem würdig der "großen Nation." Aber sehen wir doch auch
die andere Seite der Sache und zwar zunächst mit den Augen derer an, die
hier nächst Mexiko selbst und der doch noch nicht definitiv zerfallnen Union
am stärkste" interessirt sind, und für die wir Deutsche uns trotz ihrer .Grob¬
heiten und Ungezogenheiten am stärksten zu interessiren alle 'Ursache haben.
Wir meinen mit englischen Augen.

England kann und darf erstens keine dauernden Verantwortlichkeiten mehr
auf sich nehmen. Es hat an einer Türkei genug und braucht nicht noch eine
zweite jenseits des Meeres. Vormundschaften, Prorectornte, Patronate, be¬
sonders solche, die mit Andern gemeinschaftlich ausgeübt werden, gewähren
mehr Verdruß als Genuß. Es ist unbequem, kostspielig, gefährlich, in Mexico
eine Negierung einzusetzen, die eine geraume Zeit nicht ohne fremden Beistand
bestehen könnte. Giebt man dem Lande einen schwachen Herrschet, so wird
England ihn unterstützen, giebt man ihm einen verdächtigen Herrscher, so wird
England ihn controliren müssen. Dazu aber ist Englaud nicht in der Lage,
wenn es an die Zukunft denkt, und so muß die zu schaffende Regierung eine
solche sein, welche die Gewähr giebt, daß sie Stärke mit Fähigkeit und Ge¬
rechtigkeit verbinden wird. Es liegt darum auf der Hand, daß es keine ein¬
heimische, sondern eine fremde sein muß, die in den ersten Jahren durch


aus dem Schlund von Barbarei zu ziehen, in den sie durch heimische Un¬
fähigkeit und Verdorbenheit gestürzt worden.

Und mock, mehr, —so fahren die Vertheidiger einer gründlichen Umgestaltung
der mexicanischen Zustande durch die Alliirten fort, — ein nicht weniger wichtiger
Vortheil für die gesummte Menschheit dämmert in der Zukunft. Wird Mexico
zu einem starken Staat, fähig, das Seine festzuhalten und alle Angriffe zurück¬
zuwerfen, so wird die Sklavenhalter-Conföderation zwischen zwei Mächte und
zwei Civilisationen, jede verschiedener Art und Race, aber beide frei und wohl
geneigt zu einer Allianz, eingeklemmt. Diese Nachbarschaft würde Wunder
thun für die neue Republik, sie würde ihre Ausdehnung hindern und ihren
Haupt- und Grundirrthum zu Schanden machen. Die Sklaverei, nicht
mehr im Stande, neue Gebiete zu überschwemmen und eingeengt daheim,
würde dann als sociales Problem zu behandeln sein, für das bei Gefahr
des Untergangs eine Losung zu suchen wäre. Die endliche Ausrottung
dieser schmachvollen Einrichtung würde viel sicherer und weit rascher durch
die Schöpfung eines kräftigen Mexico als durch die vollständigste Unterwer¬
fung und Wiedereinverleibung der secessionistischeu Staaten in die Union
erzielt werden.

Alles sehr wohl gesprochen, sehr human, sehr würdig, namentlich würdig
einer Nation, die an der Spitze der Civilisation einherschreitet und die Mission
hat. der Welt Gesittung beizubringen, das goldne Zeitalter zurückzuführen,
also vor Allem würdig der „großen Nation." Aber sehen wir doch auch
die andere Seite der Sache und zwar zunächst mit den Augen derer an, die
hier nächst Mexiko selbst und der doch noch nicht definitiv zerfallnen Union
am stärkste» interessirt sind, und für die wir Deutsche uns trotz ihrer .Grob¬
heiten und Ungezogenheiten am stärksten zu interessiren alle 'Ursache haben.
Wir meinen mit englischen Augen.

England kann und darf erstens keine dauernden Verantwortlichkeiten mehr
auf sich nehmen. Es hat an einer Türkei genug und braucht nicht noch eine
zweite jenseits des Meeres. Vormundschaften, Prorectornte, Patronate, be¬
sonders solche, die mit Andern gemeinschaftlich ausgeübt werden, gewähren
mehr Verdruß als Genuß. Es ist unbequem, kostspielig, gefährlich, in Mexico
eine Negierung einzusetzen, die eine geraume Zeit nicht ohne fremden Beistand
bestehen könnte. Giebt man dem Lande einen schwachen Herrschet, so wird
England ihn unterstützen, giebt man ihm einen verdächtigen Herrscher, so wird
England ihn controliren müssen. Dazu aber ist Englaud nicht in der Lage,
wenn es an die Zukunft denkt, und so muß die zu schaffende Regierung eine
solche sein, welche die Gewähr giebt, daß sie Stärke mit Fähigkeit und Ge¬
rechtigkeit verbinden wird. Es liegt darum auf der Hand, daß es keine ein¬
heimische, sondern eine fremde sein muß, die in den ersten Jahren durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/214>, abgerufen am 28.05.2024.