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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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fremde Truppen zu stützen sein wird. Was und wen also muß England in
Mexico einsetzen?

Es leidet kaum einen Zweifel, daß ein englischer Fürst, hinter -dem
10,000 englische Soldaten stehen, der englische Subsidien bezieht, dem englische
Räthe und Generale zur Hand sind, in einigen Jahren die Ordnung und
Gerechtigkeit herstellen und die Wohlfahrt Mexicos mächtig hellen würde.
Seine Negierung würde, schon weil er kein Katholik wäre, gewiß nicht beliebt,
aber stark und wohlthätig sein. Das Unglück ist nur, daß van ihr absolut
nicht die Rede sein darf, wenn man auch annehmen kann, daß Frankreich sie
bevorworten würde, da England dadurch zu seinen alten Sorgen und Ver¬
legenheiten im Orient eine neue im fernen Occident sich auflüde. 'Em briti¬
sches Regiment in Mexico würde die Nordcunenlancr zum wildesten Haß ent¬
flammen, die streitenden Parteien in der Union möglicherweise vereinigen,
deren ungeheure Heere nach Mexico führen, und Napoleon hätte erreicht, ja
mehr erreicht, als^was er sich unter den obwaltenden Umständen irgend wün¬
schen kann. Ein dahin gehender Porschlag würde vom englischen Parlament
einstimmig verworfen werden, und zwar mit vollstem Recht als die unbegreif¬
lichste nller Thorheiten.

Vielleicht würde ein französischer Prinz, umgeben von französischen
Ministern, Generalen und Soldaten besser und rascher noch mis ein englischer
mit der Regulirung Mexico's zu Stande kommen, und was sich auch nach dein
Obigen vom englischen Standpunkt gegen ein solches Arrangement sagen
lassen mag. England würde sich dasselbe gefallen lassen können, wenn es auch
sicher nicht die Garantie für den Bestand der neuen,Regierung mit übernehmen
könnte. Die Franzosen würden weniger Scrupel haben, sich weniger an For¬
men binden, weniger Rücksicht nehmen als die Engländer. Sie sind an Der¬
gleichen gewöhnt und würden bald alle Zustände des Landes umgeschaffen
haben. Vom Standpunkt der Humanität würde sich gegen ihr Verfahren
Verschiedenes einwenden lassen. Sie würden Mexico nicht gerade mit dem
Winkelmaß der Gerechtigkeit, nicht ohne alle Selbstsucht, nicht um des Heils
und der Wohlfahrt der Mexicaner willen und noch weniger zu Gunsten Eng¬
lands regieren, aber letzteres würde, wenn es sich bei Einsetzung ihrer Re¬
gierung betheiligt, für. dieselbe Bürgschaft übernommen hätte, kaum das Recht
haben, etwaige Sünden und Schwächen in deren Verfahren zu rügen. Es
würde also keine solche Bürgschaft übernehmen dürfen, schon weil ein großer
Theil der Nation, die alten erblichen Staatsmänner voran, eine derartige Ver¬
stärkung des alten erblichen Nebenbuhlers mit Entsetzen sehen würden. Die
verständigen Engländer würden dieses Entsetzen, diese Eifersucht vermuthlich
nicht theilen. Sie würden schwerlich glauben, daß der Besitz Mexico's Frank¬
reich stärken, sie würden vermuthlich meinen, daß er dasselbe tüchtig beschäftigen


fremde Truppen zu stützen sein wird. Was und wen also muß England in
Mexico einsetzen?

Es leidet kaum einen Zweifel, daß ein englischer Fürst, hinter -dem
10,000 englische Soldaten stehen, der englische Subsidien bezieht, dem englische
Räthe und Generale zur Hand sind, in einigen Jahren die Ordnung und
Gerechtigkeit herstellen und die Wohlfahrt Mexicos mächtig hellen würde.
Seine Negierung würde, schon weil er kein Katholik wäre, gewiß nicht beliebt,
aber stark und wohlthätig sein. Das Unglück ist nur, daß van ihr absolut
nicht die Rede sein darf, wenn man auch annehmen kann, daß Frankreich sie
bevorworten würde, da England dadurch zu seinen alten Sorgen und Ver¬
legenheiten im Orient eine neue im fernen Occident sich auflüde. 'Em briti¬
sches Regiment in Mexico würde die Nordcunenlancr zum wildesten Haß ent¬
flammen, die streitenden Parteien in der Union möglicherweise vereinigen,
deren ungeheure Heere nach Mexico führen, und Napoleon hätte erreicht, ja
mehr erreicht, als^was er sich unter den obwaltenden Umständen irgend wün¬
schen kann. Ein dahin gehender Porschlag würde vom englischen Parlament
einstimmig verworfen werden, und zwar mit vollstem Recht als die unbegreif¬
lichste nller Thorheiten.

Vielleicht würde ein französischer Prinz, umgeben von französischen
Ministern, Generalen und Soldaten besser und rascher noch mis ein englischer
mit der Regulirung Mexico's zu Stande kommen, und was sich auch nach dein
Obigen vom englischen Standpunkt gegen ein solches Arrangement sagen
lassen mag. England würde sich dasselbe gefallen lassen können, wenn es auch
sicher nicht die Garantie für den Bestand der neuen,Regierung mit übernehmen
könnte. Die Franzosen würden weniger Scrupel haben, sich weniger an For¬
men binden, weniger Rücksicht nehmen als die Engländer. Sie sind an Der¬
gleichen gewöhnt und würden bald alle Zustände des Landes umgeschaffen
haben. Vom Standpunkt der Humanität würde sich gegen ihr Verfahren
Verschiedenes einwenden lassen. Sie würden Mexico nicht gerade mit dem
Winkelmaß der Gerechtigkeit, nicht ohne alle Selbstsucht, nicht um des Heils
und der Wohlfahrt der Mexicaner willen und noch weniger zu Gunsten Eng¬
lands regieren, aber letzteres würde, wenn es sich bei Einsetzung ihrer Re¬
gierung betheiligt, für. dieselbe Bürgschaft übernommen hätte, kaum das Recht
haben, etwaige Sünden und Schwächen in deren Verfahren zu rügen. Es
würde also keine solche Bürgschaft übernehmen dürfen, schon weil ein großer
Theil der Nation, die alten erblichen Staatsmänner voran, eine derartige Ver¬
stärkung des alten erblichen Nebenbuhlers mit Entsetzen sehen würden. Die
verständigen Engländer würden dieses Entsetzen, diese Eifersucht vermuthlich
nicht theilen. Sie würden schwerlich glauben, daß der Besitz Mexico's Frank¬
reich stärken, sie würden vermuthlich meinen, daß er dasselbe tüchtig beschäftigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/215>, abgerufen am 28.05.2024.