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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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und sehr wahrscheinlich für andere Pläne auf lange Zeit unfähig machen
würde. Er würde der Eitelkeit der Franzosen schmeicheln, ihr Streben nach
Großthaten in eine für Europa sowie für Englands Interessen in Asten un¬
schädliche Ecke der Welt ablenken, sie den Ertrag ihrer Hilfsquellen an Gold
und Menschen in einen Sack ohne Boden werfen lassen. Frankreich würde
in Mexico dem Haß der ncuspanischen Rune gegen Alles, was französisch ist,
begegne", den altspanischen Bundesgenossen dnrch Verletzung seiner Hoffnun¬
gen sich entfremden und über kurz oder lang einen Krieg mit Nordamerika
oder doch mit der südlichen Conföderation zu führen haben. Wir meinen,
daß Kaiser Napoleon sich das ebenso klar gemacht hat, wie ti'e verständigen
Engländer, und daß folglich auch er nicht daran denkt, hier direct für sich zu
erobern.

Bleibt der Dritte im Bunde übrig. Gegen eine englische Unterstützung
Spaniens zur Wiederoverung, oder um ein Modewort zu brauche", zur
Revindication seiner alten Kolonie läßt sich anscheinend am wenigsten vor.
bringen. Man sollte bei oberflächlicher Betrachtung der Umstände denken, daß
die Spanier sich besser als die Franzose" und die Engländer mit den Mexi¬
kanern vertragen müßten, daß sie deren Sitten genauer verstehe", deren Bor¬
urtheile leichter ertragen, mehr Sympathie mit deren religiösen Vorstellungen
haben und ihnen schon dnrch die gleiche Sprache als Verwandte erscheinen
würden. Der frühere Besitz des Landes ferner möchte ihnen eine Art von
Borrecht verleihen, die Sache in die Hand zu nehme" -- vorausgesetzt, daß
sie im Stande wären, das Unternehmen wohl auszuführen. Aber das ist
gerade die Frage, und hierin liegt die Schwierigkeit. Spanien hat die Mehr¬
zahl seiner überseeischen Besitzungen infolge üblen Regiments verloren, es ist
niemals berühmt gewesen als besonders thatkräftiger, ehrlicher und kluger
Verwalter seiner Kolonie", ja nicht einmal seiner heimischen Provinzen. Es
hat jetzt allerdings die Form und bis zu einem gewisse" Grad auch das
Wesen freier Institutionen, aber seine Finanzen sind noch keineswegs in blü¬
hendem Zustand, seine volkswirthschaftlichen Zustünde "och wenig entwickelt,
seine Beamten oft unfähig und noch häufiger bestechlich. Es hat seine Schul¬
den nicht immer und erst in den letzte" Jahren pünktlicher als Mexico be¬
zahlt, und spanische Staatspapiere stehen auf den Geldmärkten noch heute
nicht in sehr viel besserem Ruf als mexicanische. Spanien hat endlich in den
letzten Jahren nichts gethan, sich Sympathien in England zu erwerben, ja es
hat mehr als einmal gegen die Interessen Englands gehandelt und den Ver¬
dacht erweckt, daß es bei größerer Macht noch feindseliger gegen diese Inter¬
essen aufgetreten sein würde. Die engljsche Politik hat es als einen ihrer
stillen Gegner anzusehen. Es würde sich in Mexico kaum allein behaupten
können. England wird ihm kemen Beistand zur Erhaltung seiner dor-


und sehr wahrscheinlich für andere Pläne auf lange Zeit unfähig machen
würde. Er würde der Eitelkeit der Franzosen schmeicheln, ihr Streben nach
Großthaten in eine für Europa sowie für Englands Interessen in Asten un¬
schädliche Ecke der Welt ablenken, sie den Ertrag ihrer Hilfsquellen an Gold
und Menschen in einen Sack ohne Boden werfen lassen. Frankreich würde
in Mexico dem Haß der ncuspanischen Rune gegen Alles, was französisch ist,
begegne», den altspanischen Bundesgenossen dnrch Verletzung seiner Hoffnun¬
gen sich entfremden und über kurz oder lang einen Krieg mit Nordamerika
oder doch mit der südlichen Conföderation zu führen haben. Wir meinen,
daß Kaiser Napoleon sich das ebenso klar gemacht hat, wie ti'e verständigen
Engländer, und daß folglich auch er nicht daran denkt, hier direct für sich zu
erobern.

Bleibt der Dritte im Bunde übrig. Gegen eine englische Unterstützung
Spaniens zur Wiederoverung, oder um ein Modewort zu brauche», zur
Revindication seiner alten Kolonie läßt sich anscheinend am wenigsten vor.
bringen. Man sollte bei oberflächlicher Betrachtung der Umstände denken, daß
die Spanier sich besser als die Franzose» und die Engländer mit den Mexi¬
kanern vertragen müßten, daß sie deren Sitten genauer verstehe», deren Bor¬
urtheile leichter ertragen, mehr Sympathie mit deren religiösen Vorstellungen
haben und ihnen schon dnrch die gleiche Sprache als Verwandte erscheinen
würden. Der frühere Besitz des Landes ferner möchte ihnen eine Art von
Borrecht verleihen, die Sache in die Hand zu nehme» — vorausgesetzt, daß
sie im Stande wären, das Unternehmen wohl auszuführen. Aber das ist
gerade die Frage, und hierin liegt die Schwierigkeit. Spanien hat die Mehr¬
zahl seiner überseeischen Besitzungen infolge üblen Regiments verloren, es ist
niemals berühmt gewesen als besonders thatkräftiger, ehrlicher und kluger
Verwalter seiner Kolonie», ja nicht einmal seiner heimischen Provinzen. Es
hat jetzt allerdings die Form und bis zu einem gewisse» Grad auch das
Wesen freier Institutionen, aber seine Finanzen sind noch keineswegs in blü¬
hendem Zustand, seine volkswirthschaftlichen Zustünde «och wenig entwickelt,
seine Beamten oft unfähig und noch häufiger bestechlich. Es hat seine Schul¬
den nicht immer und erst in den letzte» Jahren pünktlicher als Mexico be¬
zahlt, und spanische Staatspapiere stehen auf den Geldmärkten noch heute
nicht in sehr viel besserem Ruf als mexicanische. Spanien hat endlich in den
letzten Jahren nichts gethan, sich Sympathien in England zu erwerben, ja es
hat mehr als einmal gegen die Interessen Englands gehandelt und den Ver¬
dacht erweckt, daß es bei größerer Macht noch feindseliger gegen diese Inter¬
essen aufgetreten sein würde. Die engljsche Politik hat es als einen ihrer
stillen Gegner anzusehen. Es würde sich in Mexico kaum allein behaupten
können. England wird ihm kemen Beistand zur Erhaltung seiner dor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/216>, abgerufen am 28.05.2024.