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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Aber die Mexicaner haben sicher ein ebenso gutes Gedächtniß für die
Zeit, wo das Land der Krone Spanien gehörte. Namentlich die Kreolen
unter ihnen (das Mischlingsvolk und die Indianer kommen als ungebildet
und apathisch nur so weit in Betracht, als sie Werkzeuge der herrschenden
Race sind, und die eingewanderten Spanier werden natürlich die Partei des
Invasionsheers ergreifen) wissen sehr Wohl, wie das Land damals ausgebeu¬
tet wurde. Sie erinnern sich, daß in dieser Periode ihre Race, jetzt die mäch¬
tigste, fast so wenig galt als die Indianer, daß alle Aemter sich in den Hän¬
den von Spaniern befanden, daß die Vicekönige in der Regel Günstlinge des
Madrider Hofes waren, denen man durch ihre Stelle Gelegenheit geben
wollte, ihre zerrütteten Finanzen herzustellen, und die diese Gelegenheit nach
Möglichkeit auszunutzen wußten. Mexico war damals nichts als eine große
Domäne, deren Ausbeutung zum Theil dem König, dem jährlich von hier
K bis 7 Millionen Dollars zuflössen, theils den 30,000 Spaniern zu Gute
kam, die sich hier niedergelassen. Für das einheimische Volk wurde nur so
viel gethan, als sich mit jener Ausbeutung zur Noth vertrug.

Damit die spanischen Wcincrzcuger Absatz fänden, war in Mexico die
Anpflanzung von Neben verboten. Tabak durfte nur in Cordova und On-
zaba gebaut werden, und zwar mußten die Pflanzer denselben an die Regie¬
rung abliefern, die damit einen jährlichen Gewinn von 4 Millionen Dollars
erzielte, indem sie den Tabak um 137 Poecile theuerer verkaufte, als sie da¬
für zahlte.

Bis zur Revolution der zwanziger Jahre war keinem Fremden gestat¬
tet, Mexico zu betreten. Nur Spanier, und auch diese nur mit besonderer
Erlaubniß der Negierung, durften nach dieser Kolonie auswandern. Der
Handel befand sich ausschließlich in den Händen der Kaufleute von Cadix,
die alljährlich zu bestimmter Zeit Flotten aussandten, um Neuspanien mit
Waaren zu versehen, welche aus zweiter und dritter Hand gekauft waren.
Veracruz war der einzige Hafen, wo Schiffe landen durften. Von hier aus
wurden die Ladungen mit ungeheuren Kosten nach den verschiedensten Rich¬
tungen verschickt, und so kam es, daß ein Stück Kattun, das heutzutage mit
5 Dollars bezahlt wird, 30, ein Suet Leinwand, das jetzt 12 Dollars kostet,
50 galt. Die Gerichte waren nur und Spaniern besetzt, und selbstverständ¬
lich bekam, wo ein Spanier mit einem Eingeborenen stritt, immer der erstere
Recht. Für Schulen wurde so gut wie nichts gethan. Den gebildeten Stän¬
den ließ man von außen nur gerade so viel Neuigkeiten zukommen, als im
Interesse der Regierung lag. und es gab in ganz Mexico nur eine einzige
Zeitung, das Regierungsblatt. Selbst wissenschaftliche Bücher, welche dem
Volke Aufschluß über den Zustand des Landes, dessen Hilfsquellen und dessen
Reichthümer geben konnten, waren verbotene Waare. Alles war darauf zu-


Aber die Mexicaner haben sicher ein ebenso gutes Gedächtniß für die
Zeit, wo das Land der Krone Spanien gehörte. Namentlich die Kreolen
unter ihnen (das Mischlingsvolk und die Indianer kommen als ungebildet
und apathisch nur so weit in Betracht, als sie Werkzeuge der herrschenden
Race sind, und die eingewanderten Spanier werden natürlich die Partei des
Invasionsheers ergreifen) wissen sehr Wohl, wie das Land damals ausgebeu¬
tet wurde. Sie erinnern sich, daß in dieser Periode ihre Race, jetzt die mäch¬
tigste, fast so wenig galt als die Indianer, daß alle Aemter sich in den Hän¬
den von Spaniern befanden, daß die Vicekönige in der Regel Günstlinge des
Madrider Hofes waren, denen man durch ihre Stelle Gelegenheit geben
wollte, ihre zerrütteten Finanzen herzustellen, und die diese Gelegenheit nach
Möglichkeit auszunutzen wußten. Mexico war damals nichts als eine große
Domäne, deren Ausbeutung zum Theil dem König, dem jährlich von hier
K bis 7 Millionen Dollars zuflössen, theils den 30,000 Spaniern zu Gute
kam, die sich hier niedergelassen. Für das einheimische Volk wurde nur so
viel gethan, als sich mit jener Ausbeutung zur Noth vertrug.

Damit die spanischen Wcincrzcuger Absatz fänden, war in Mexico die
Anpflanzung von Neben verboten. Tabak durfte nur in Cordova und On-
zaba gebaut werden, und zwar mußten die Pflanzer denselben an die Regie¬
rung abliefern, die damit einen jährlichen Gewinn von 4 Millionen Dollars
erzielte, indem sie den Tabak um 137 Poecile theuerer verkaufte, als sie da¬
für zahlte.

Bis zur Revolution der zwanziger Jahre war keinem Fremden gestat¬
tet, Mexico zu betreten. Nur Spanier, und auch diese nur mit besonderer
Erlaubniß der Negierung, durften nach dieser Kolonie auswandern. Der
Handel befand sich ausschließlich in den Händen der Kaufleute von Cadix,
die alljährlich zu bestimmter Zeit Flotten aussandten, um Neuspanien mit
Waaren zu versehen, welche aus zweiter und dritter Hand gekauft waren.
Veracruz war der einzige Hafen, wo Schiffe landen durften. Von hier aus
wurden die Ladungen mit ungeheuren Kosten nach den verschiedensten Rich¬
tungen verschickt, und so kam es, daß ein Stück Kattun, das heutzutage mit
5 Dollars bezahlt wird, 30, ein Suet Leinwand, das jetzt 12 Dollars kostet,
50 galt. Die Gerichte waren nur und Spaniern besetzt, und selbstverständ¬
lich bekam, wo ein Spanier mit einem Eingeborenen stritt, immer der erstere
Recht. Für Schulen wurde so gut wie nichts gethan. Den gebildeten Stän¬
den ließ man von außen nur gerade so viel Neuigkeiten zukommen, als im
Interesse der Regierung lag. und es gab in ganz Mexico nur eine einzige
Zeitung, das Regierungsblatt. Selbst wissenschaftliche Bücher, welche dem
Volke Aufschluß über den Zustand des Landes, dessen Hilfsquellen und dessen
Reichthümer geben konnten, waren verbotene Waare. Alles war darauf zu-


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[0221] Aber die Mexicaner haben sicher ein ebenso gutes Gedächtniß für die Zeit, wo das Land der Krone Spanien gehörte. Namentlich die Kreolen unter ihnen (das Mischlingsvolk und die Indianer kommen als ungebildet und apathisch nur so weit in Betracht, als sie Werkzeuge der herrschenden Race sind, und die eingewanderten Spanier werden natürlich die Partei des Invasionsheers ergreifen) wissen sehr Wohl, wie das Land damals ausgebeu¬ tet wurde. Sie erinnern sich, daß in dieser Periode ihre Race, jetzt die mäch¬ tigste, fast so wenig galt als die Indianer, daß alle Aemter sich in den Hän¬ den von Spaniern befanden, daß die Vicekönige in der Regel Günstlinge des Madrider Hofes waren, denen man durch ihre Stelle Gelegenheit geben wollte, ihre zerrütteten Finanzen herzustellen, und die diese Gelegenheit nach Möglichkeit auszunutzen wußten. Mexico war damals nichts als eine große Domäne, deren Ausbeutung zum Theil dem König, dem jährlich von hier K bis 7 Millionen Dollars zuflössen, theils den 30,000 Spaniern zu Gute kam, die sich hier niedergelassen. Für das einheimische Volk wurde nur so viel gethan, als sich mit jener Ausbeutung zur Noth vertrug. Damit die spanischen Wcincrzcuger Absatz fänden, war in Mexico die Anpflanzung von Neben verboten. Tabak durfte nur in Cordova und On- zaba gebaut werden, und zwar mußten die Pflanzer denselben an die Regie¬ rung abliefern, die damit einen jährlichen Gewinn von 4 Millionen Dollars erzielte, indem sie den Tabak um 137 Poecile theuerer verkaufte, als sie da¬ für zahlte. Bis zur Revolution der zwanziger Jahre war keinem Fremden gestat¬ tet, Mexico zu betreten. Nur Spanier, und auch diese nur mit besonderer Erlaubniß der Negierung, durften nach dieser Kolonie auswandern. Der Handel befand sich ausschließlich in den Händen der Kaufleute von Cadix, die alljährlich zu bestimmter Zeit Flotten aussandten, um Neuspanien mit Waaren zu versehen, welche aus zweiter und dritter Hand gekauft waren. Veracruz war der einzige Hafen, wo Schiffe landen durften. Von hier aus wurden die Ladungen mit ungeheuren Kosten nach den verschiedensten Rich¬ tungen verschickt, und so kam es, daß ein Stück Kattun, das heutzutage mit 5 Dollars bezahlt wird, 30, ein Suet Leinwand, das jetzt 12 Dollars kostet, 50 galt. Die Gerichte waren nur und Spaniern besetzt, und selbstverständ¬ lich bekam, wo ein Spanier mit einem Eingeborenen stritt, immer der erstere Recht. Für Schulen wurde so gut wie nichts gethan. Den gebildeten Stän¬ den ließ man von außen nur gerade so viel Neuigkeiten zukommen, als im Interesse der Regierung lag. und es gab in ganz Mexico nur eine einzige Zeitung, das Regierungsblatt. Selbst wissenschaftliche Bücher, welche dem Volke Aufschluß über den Zustand des Landes, dessen Hilfsquellen und dessen Reichthümer geben konnten, waren verbotene Waare. Alles war darauf zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/221>, abgerufen am 29.05.2024.