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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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in Bretter und Bohlen und verband diese durch hölzerne Zapfen mit dem Balken¬
lager. Wie wenig die auf das Pfahlwerk gelegten Bretter und Bohlen eng
an einander schlossen, ist aus der großen Menge der durch die Lücken und
Spalten hinabgefallenen und in der Culturschicht befindlichen Geräthschaften
zu erkennen; auf absichtlich offen gelassene Zwischenräume deuten die bisweilen
haufenweis beisammenliegende" zerbrochenen Steinbeile. Topfscherben und
Ueberreste verspeister Thiere und Früchte.

Die Wohnungen bestanden aus Flechtwerk. Senkrecht gestellte Stangen
waren mit Ruthen und Gezweig durchflochten und zum Schutz gegen Wind
und Wetter innen und außen mit einem 2--3 Zoll dicken Lehmmantel be¬
kleidet. Ihre Form war theils rund, theils eckig; das Dach hatte bei run¬
den Hütten eine konische Form und war mit Baumrinde, Stroh und Binsen
bedeckt. Ueber den Boden der Hütte war vielleicht ein Estrich ausgebreitet
und in großen, mit Nuß bedeckte" Sandsteinplateau dürfen wir den Feuerherd
erkennen, der im Innern der Wohnung aufgestellt war. Die Zahl der Hütten
war natürlich sehr verschieden; "ach Umständen lagen dieselben bald vereinzelt,
bald dichter, und schlössen sich zu kleinen Weiler" und Dörfern zusammen.
Ob neben den Wohnungen für Menschen auch Viehställe und Borrathsräume
vorhanden waren, läßt sich mit Gewißheit uti-t sagen, doch spricht für ihre
Annahme die Thatsache, daß jene" Ansiedlern Viehzucht und Feldbau keines¬
wegs fremd war.

Die Verbindung der isolirten Wasserdörfer mit dem Lande wurde ent¬
weder durch Brücken und Stege erhalten, deren Spuren an verschiedenen Sta¬
tionen noch sichtbar sind, oder man bediente sich dazu der Kähne, die eben¬
falls in einigen Exemplaren vorhanden sind, einfach ausgehöhlte Baumstämme,
Canots, wie sie noch heute von vielen Völkern gebraucht werden. Die Lebens¬
weise und Beschäftigung der Bewohner dürfte vielleicht auch hierbei maßgebend
gewesen sein und den einen oder den andern Uebergang zweckmäßiger und
vortheilhafter gefunden haben.

Es lockt und reizt mit dem seltsamen Volke der Pfahlbaubewohner noch
näher zu verkehren und ihr Thun und Treibe" genauer zu beobachten. Die
überaus reiche Ausbeute der verschiedenartigsten Fundgcgenstände, welche unter
den Trümmern der Wohnungen in der Culturschicht geborgen dem Seeboden
nun enthoben sind, mögen diesen Verkehr vermitteln und die Bekanntschaft mit
ihnen uns einigermaße" erschließen.

Die Waffen und Werkzeuge, die Hausgeräthe und Schmuckgegenstände
gleichen in Stoff. Form und Technik wesentlich denjenigen, welche man in den
alten Heidengräbern über ganz Europa verbreitet gefunden hat. Die bekann¬
ten Steinbeile und Steinmeisel, theils aus einheimischen Gestein, theils ans
Beilstein (Nephrit) gefertigt, sind von mannigfacher Form und Größe in reicher


in Bretter und Bohlen und verband diese durch hölzerne Zapfen mit dem Balken¬
lager. Wie wenig die auf das Pfahlwerk gelegten Bretter und Bohlen eng
an einander schlossen, ist aus der großen Menge der durch die Lücken und
Spalten hinabgefallenen und in der Culturschicht befindlichen Geräthschaften
zu erkennen; auf absichtlich offen gelassene Zwischenräume deuten die bisweilen
haufenweis beisammenliegende» zerbrochenen Steinbeile. Topfscherben und
Ueberreste verspeister Thiere und Früchte.

Die Wohnungen bestanden aus Flechtwerk. Senkrecht gestellte Stangen
waren mit Ruthen und Gezweig durchflochten und zum Schutz gegen Wind
und Wetter innen und außen mit einem 2—3 Zoll dicken Lehmmantel be¬
kleidet. Ihre Form war theils rund, theils eckig; das Dach hatte bei run¬
den Hütten eine konische Form und war mit Baumrinde, Stroh und Binsen
bedeckt. Ueber den Boden der Hütte war vielleicht ein Estrich ausgebreitet
und in großen, mit Nuß bedeckte» Sandsteinplateau dürfen wir den Feuerherd
erkennen, der im Innern der Wohnung aufgestellt war. Die Zahl der Hütten
war natürlich sehr verschieden; »ach Umständen lagen dieselben bald vereinzelt,
bald dichter, und schlössen sich zu kleinen Weiler» und Dörfern zusammen.
Ob neben den Wohnungen für Menschen auch Viehställe und Borrathsräume
vorhanden waren, läßt sich mit Gewißheit uti-t sagen, doch spricht für ihre
Annahme die Thatsache, daß jene» Ansiedlern Viehzucht und Feldbau keines¬
wegs fremd war.

Die Verbindung der isolirten Wasserdörfer mit dem Lande wurde ent¬
weder durch Brücken und Stege erhalten, deren Spuren an verschiedenen Sta¬
tionen noch sichtbar sind, oder man bediente sich dazu der Kähne, die eben¬
falls in einigen Exemplaren vorhanden sind, einfach ausgehöhlte Baumstämme,
Canots, wie sie noch heute von vielen Völkern gebraucht werden. Die Lebens¬
weise und Beschäftigung der Bewohner dürfte vielleicht auch hierbei maßgebend
gewesen sein und den einen oder den andern Uebergang zweckmäßiger und
vortheilhafter gefunden haben.

Es lockt und reizt mit dem seltsamen Volke der Pfahlbaubewohner noch
näher zu verkehren und ihr Thun und Treibe» genauer zu beobachten. Die
überaus reiche Ausbeute der verschiedenartigsten Fundgcgenstände, welche unter
den Trümmern der Wohnungen in der Culturschicht geborgen dem Seeboden
nun enthoben sind, mögen diesen Verkehr vermitteln und die Bekanntschaft mit
ihnen uns einigermaße» erschließen.

Die Waffen und Werkzeuge, die Hausgeräthe und Schmuckgegenstände
gleichen in Stoff. Form und Technik wesentlich denjenigen, welche man in den
alten Heidengräbern über ganz Europa verbreitet gefunden hat. Die bekann¬
ten Steinbeile und Steinmeisel, theils aus einheimischen Gestein, theils ans
Beilstein (Nephrit) gefertigt, sind von mannigfacher Form und Größe in reicher


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[0230] in Bretter und Bohlen und verband diese durch hölzerne Zapfen mit dem Balken¬ lager. Wie wenig die auf das Pfahlwerk gelegten Bretter und Bohlen eng an einander schlossen, ist aus der großen Menge der durch die Lücken und Spalten hinabgefallenen und in der Culturschicht befindlichen Geräthschaften zu erkennen; auf absichtlich offen gelassene Zwischenräume deuten die bisweilen haufenweis beisammenliegende» zerbrochenen Steinbeile. Topfscherben und Ueberreste verspeister Thiere und Früchte. Die Wohnungen bestanden aus Flechtwerk. Senkrecht gestellte Stangen waren mit Ruthen und Gezweig durchflochten und zum Schutz gegen Wind und Wetter innen und außen mit einem 2—3 Zoll dicken Lehmmantel be¬ kleidet. Ihre Form war theils rund, theils eckig; das Dach hatte bei run¬ den Hütten eine konische Form und war mit Baumrinde, Stroh und Binsen bedeckt. Ueber den Boden der Hütte war vielleicht ein Estrich ausgebreitet und in großen, mit Nuß bedeckte» Sandsteinplateau dürfen wir den Feuerherd erkennen, der im Innern der Wohnung aufgestellt war. Die Zahl der Hütten war natürlich sehr verschieden; »ach Umständen lagen dieselben bald vereinzelt, bald dichter, und schlössen sich zu kleinen Weiler» und Dörfern zusammen. Ob neben den Wohnungen für Menschen auch Viehställe und Borrathsräume vorhanden waren, läßt sich mit Gewißheit uti-t sagen, doch spricht für ihre Annahme die Thatsache, daß jene» Ansiedlern Viehzucht und Feldbau keines¬ wegs fremd war. Die Verbindung der isolirten Wasserdörfer mit dem Lande wurde ent¬ weder durch Brücken und Stege erhalten, deren Spuren an verschiedenen Sta¬ tionen noch sichtbar sind, oder man bediente sich dazu der Kähne, die eben¬ falls in einigen Exemplaren vorhanden sind, einfach ausgehöhlte Baumstämme, Canots, wie sie noch heute von vielen Völkern gebraucht werden. Die Lebens¬ weise und Beschäftigung der Bewohner dürfte vielleicht auch hierbei maßgebend gewesen sein und den einen oder den andern Uebergang zweckmäßiger und vortheilhafter gefunden haben. Es lockt und reizt mit dem seltsamen Volke der Pfahlbaubewohner noch näher zu verkehren und ihr Thun und Treibe» genauer zu beobachten. Die überaus reiche Ausbeute der verschiedenartigsten Fundgcgenstände, welche unter den Trümmern der Wohnungen in der Culturschicht geborgen dem Seeboden nun enthoben sind, mögen diesen Verkehr vermitteln und die Bekanntschaft mit ihnen uns einigermaße» erschließen. Die Waffen und Werkzeuge, die Hausgeräthe und Schmuckgegenstände gleichen in Stoff. Form und Technik wesentlich denjenigen, welche man in den alten Heidengräbern über ganz Europa verbreitet gefunden hat. Die bekann¬ ten Steinbeile und Steinmeisel, theils aus einheimischen Gestein, theils ans Beilstein (Nephrit) gefertigt, sind von mannigfacher Form und Größe in reicher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/230>, abgerufen am 28.05.2024.