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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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geiht und eine Wohlhabenheit, welche eine nicht geringe Entwicklung und
Hebung der Lebensverhältnisse in diesen Periode" erkenne" läßt. Denn die
Bewohner der Pfahlbauten besaßen aus Bronze Beile, Meisel, Messer. Dolche,
spilen für Lanzen und Wurfspieße, P-ricme, Hämmer, Angeln, Bohrer,
Feilen, Draht, allerlei Schmucksachen und andere Gegenstände unbekannter Be¬
stimmung. Besonderes Interesse hat der Fund eines vollständigen Gußmo-
dells für Bronzebeile, da es den Erzguß als eine den Pfahlbaubewohucrn be¬
kannte Kunst und Industrie nachweist. Sobald ihnen aber das Eisen geboten
war, so wurde das nothwendigste Geräth, die Axt, dann auch Waffen und
andere Schneide- und 'Stechwertzeuge aus diesem Metall hergestellt. Die
Zahl und Mannigfaltigkeit der Eisengcräthschaften hat sich in der neuesten
Zeit ansehnlich vermehrt und erhält noch steten Zuwachs. Mit den zierlicheren
Arbeiten aus Bronze und ,Eisen hat auch das Töpfergeschirr anscheinend
gleichen Schritt gehalten; es erhielt nach und nach eine gefällige zierliche Form
und reichere Ornamente.

Fassen wir die Resultate, welche aus der Betrachtung dieser Producte
menschlicher Industrie etwa hervorgehen dürsten, kurz zusammen, so zeigt sich
auch hier wie bei den Gräberfunden die bestimmte Aufeinanderfolge jener
drei Culturpenoden, der Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Gestattet diese Wahr¬
nehmung für das Alter und für die Dauer auch noch keine bestimmten
Schlüsse und Folgerungen, da die Böller jene drei Kulturstufen nicht gleich¬
zeitig betreten haben uno überhaupt die Civilisation nicht an allen Orten
gleichen Schritt hält und in derselbe" Zeit überall dieselbe Hohe erreicht: so
läßt sich doch so viel mit Gewißheit behaupte", daß die frühesten und ältesten
Ansiedelungen in den Seebecken der östlichen Schweiz stattgefunden und wenn
nicht alle, doch gewiß die meiste" ihren Anfang in jener dunkeln Zeit ge¬
nommen haben, wo der Gebrauch der Metalle in jenen Gegenden noch nicht
heimisch war. Ein Theil der ältesten Kolonie mag vielleicht schon vor oder
im Verlause der nachfolgenden Bronzezeit wieder untergegangen sein, ein an¬
derer dagegen hat, wie die Untersuchungen in den westlichen Seen gezeigt
haben, gerade in diesem Zeitraume seine" eigentlichen Bestand und seine
Blüthezeit gehabt. Die Pfahlbauten in den Seen von Biel und Neuenburg
sind am längsten bewohnt gewesen; viele davon sind in die culturgeschichtliche
Periode der Bevölkerung von Gallien mit eingetreten, haben ihre Existenz bis
in die Eisenzeit bewahrt und reichen mit ihren letzten Auslaufen vielleicht noch
bis in die Zeit, in welcher die Helvetier bereits unter römischer Botmäßigkeit
standen.

Sorgfältige Beachtung der Form, Technik und Ornamentation an den
Waffen und Hausgeräthen. ihre Zusammenstellung mit gleichartigen Fund¬
stücken aus Gräbern, Feldern und Wäldern und andere hier kunst unwichtige


geiht und eine Wohlhabenheit, welche eine nicht geringe Entwicklung und
Hebung der Lebensverhältnisse in diesen Periode» erkenne» läßt. Denn die
Bewohner der Pfahlbauten besaßen aus Bronze Beile, Meisel, Messer. Dolche,
spilen für Lanzen und Wurfspieße, P-ricme, Hämmer, Angeln, Bohrer,
Feilen, Draht, allerlei Schmucksachen und andere Gegenstände unbekannter Be¬
stimmung. Besonderes Interesse hat der Fund eines vollständigen Gußmo-
dells für Bronzebeile, da es den Erzguß als eine den Pfahlbaubewohucrn be¬
kannte Kunst und Industrie nachweist. Sobald ihnen aber das Eisen geboten
war, so wurde das nothwendigste Geräth, die Axt, dann auch Waffen und
andere Schneide- und 'Stechwertzeuge aus diesem Metall hergestellt. Die
Zahl und Mannigfaltigkeit der Eisengcräthschaften hat sich in der neuesten
Zeit ansehnlich vermehrt und erhält noch steten Zuwachs. Mit den zierlicheren
Arbeiten aus Bronze und ,Eisen hat auch das Töpfergeschirr anscheinend
gleichen Schritt gehalten; es erhielt nach und nach eine gefällige zierliche Form
und reichere Ornamente.

Fassen wir die Resultate, welche aus der Betrachtung dieser Producte
menschlicher Industrie etwa hervorgehen dürsten, kurz zusammen, so zeigt sich
auch hier wie bei den Gräberfunden die bestimmte Aufeinanderfolge jener
drei Culturpenoden, der Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Gestattet diese Wahr¬
nehmung für das Alter und für die Dauer auch noch keine bestimmten
Schlüsse und Folgerungen, da die Böller jene drei Kulturstufen nicht gleich¬
zeitig betreten haben uno überhaupt die Civilisation nicht an allen Orten
gleichen Schritt hält und in derselbe» Zeit überall dieselbe Hohe erreicht: so
läßt sich doch so viel mit Gewißheit behaupte», daß die frühesten und ältesten
Ansiedelungen in den Seebecken der östlichen Schweiz stattgefunden und wenn
nicht alle, doch gewiß die meiste» ihren Anfang in jener dunkeln Zeit ge¬
nommen haben, wo der Gebrauch der Metalle in jenen Gegenden noch nicht
heimisch war. Ein Theil der ältesten Kolonie mag vielleicht schon vor oder
im Verlause der nachfolgenden Bronzezeit wieder untergegangen sein, ein an¬
derer dagegen hat, wie die Untersuchungen in den westlichen Seen gezeigt
haben, gerade in diesem Zeitraume seine» eigentlichen Bestand und seine
Blüthezeit gehabt. Die Pfahlbauten in den Seen von Biel und Neuenburg
sind am längsten bewohnt gewesen; viele davon sind in die culturgeschichtliche
Periode der Bevölkerung von Gallien mit eingetreten, haben ihre Existenz bis
in die Eisenzeit bewahrt und reichen mit ihren letzten Auslaufen vielleicht noch
bis in die Zeit, in welcher die Helvetier bereits unter römischer Botmäßigkeit
standen.

Sorgfältige Beachtung der Form, Technik und Ornamentation an den
Waffen und Hausgeräthen. ihre Zusammenstellung mit gleichartigen Fund¬
stücken aus Gräbern, Feldern und Wäldern und andere hier kunst unwichtige


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[0232] geiht und eine Wohlhabenheit, welche eine nicht geringe Entwicklung und Hebung der Lebensverhältnisse in diesen Periode» erkenne» läßt. Denn die Bewohner der Pfahlbauten besaßen aus Bronze Beile, Meisel, Messer. Dolche, spilen für Lanzen und Wurfspieße, P-ricme, Hämmer, Angeln, Bohrer, Feilen, Draht, allerlei Schmucksachen und andere Gegenstände unbekannter Be¬ stimmung. Besonderes Interesse hat der Fund eines vollständigen Gußmo- dells für Bronzebeile, da es den Erzguß als eine den Pfahlbaubewohucrn be¬ kannte Kunst und Industrie nachweist. Sobald ihnen aber das Eisen geboten war, so wurde das nothwendigste Geräth, die Axt, dann auch Waffen und andere Schneide- und 'Stechwertzeuge aus diesem Metall hergestellt. Die Zahl und Mannigfaltigkeit der Eisengcräthschaften hat sich in der neuesten Zeit ansehnlich vermehrt und erhält noch steten Zuwachs. Mit den zierlicheren Arbeiten aus Bronze und ,Eisen hat auch das Töpfergeschirr anscheinend gleichen Schritt gehalten; es erhielt nach und nach eine gefällige zierliche Form und reichere Ornamente. Fassen wir die Resultate, welche aus der Betrachtung dieser Producte menschlicher Industrie etwa hervorgehen dürsten, kurz zusammen, so zeigt sich auch hier wie bei den Gräberfunden die bestimmte Aufeinanderfolge jener drei Culturpenoden, der Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Gestattet diese Wahr¬ nehmung für das Alter und für die Dauer auch noch keine bestimmten Schlüsse und Folgerungen, da die Böller jene drei Kulturstufen nicht gleich¬ zeitig betreten haben uno überhaupt die Civilisation nicht an allen Orten gleichen Schritt hält und in derselbe» Zeit überall dieselbe Hohe erreicht: so läßt sich doch so viel mit Gewißheit behaupte», daß die frühesten und ältesten Ansiedelungen in den Seebecken der östlichen Schweiz stattgefunden und wenn nicht alle, doch gewiß die meiste» ihren Anfang in jener dunkeln Zeit ge¬ nommen haben, wo der Gebrauch der Metalle in jenen Gegenden noch nicht heimisch war. Ein Theil der ältesten Kolonie mag vielleicht schon vor oder im Verlause der nachfolgenden Bronzezeit wieder untergegangen sein, ein an¬ derer dagegen hat, wie die Untersuchungen in den westlichen Seen gezeigt haben, gerade in diesem Zeitraume seine» eigentlichen Bestand und seine Blüthezeit gehabt. Die Pfahlbauten in den Seen von Biel und Neuenburg sind am längsten bewohnt gewesen; viele davon sind in die culturgeschichtliche Periode der Bevölkerung von Gallien mit eingetreten, haben ihre Existenz bis in die Eisenzeit bewahrt und reichen mit ihren letzten Auslaufen vielleicht noch bis in die Zeit, in welcher die Helvetier bereits unter römischer Botmäßigkeit standen. Sorgfältige Beachtung der Form, Technik und Ornamentation an den Waffen und Hausgeräthen. ihre Zusammenstellung mit gleichartigen Fund¬ stücken aus Gräbern, Feldern und Wäldern und andere hier kunst unwichtige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/232>, abgerufen am 28.05.2024.