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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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ten Schreckschüssen, womit die französische Politik von jeher die augenblickliche
eigene Unschlüssigkeit und Schwäche zu verdecken und auf die> Leichtgläubigkeit
und Furcht d.'s Gegners einzuwirken sich bestrebt bat.

Und diese mit so besonderer Mühe und Sorgfalt geschützte Küste hat
vergleichsweise für Oestreich den geringsten Werth. Der Hafen von Venedig,
von Jahr zu Jahr mehr verhärtend, wird endlich trotz der größten Anstren¬
gungen dem Schicksale des gänzlichen Unbrauchbarwerdens nicht entgehen;
das Arsenal mit seinen Werkstätten und Vorrathshäusern ist. so imposant sich
das Ganze ausnimmt, bereits längst zu klein geworden, die Schiffe sind in
den Häfen gegen den Sturm schlecht geschützt und erleiden leicht Havarien,
und endlich ist auch der venetianische Seehandel ohne besondere Bedeutung
und eher im Ab- als im Zunehmen. Die Rhederei steht ebenfalls nicht besser,
und der Schiffsbau könnte auch in größerer Ausdehnung betrieben werden.
Die Schiffe, welche den Bewohnern der venetianischen Küste angehören, sind
zumeist Fischerbarken, Lichterschiffe und Küstenfahrer. Auch wenn Venedig an
das Königreich Italien fiele, würden sich seine Verhältnisse nicht verbessern,
da die italienische Negierung weder Neigung noch Ursache haben möchte, eine
Stadt oder Provinz auf Kosten der übrigen so zu bevorzugen, wie solches
seither von Oestreich geschehen ist. und weil alles Bevorzugen den aus natur¬
gemäßer Nothwendigkeit erfolgenden Verfall einer Sache nicht aufzuhalten
vermag.

Was endlich die maritime Tauglichkeit der Bewohner dieses Küstengebietes
anbelangt, so sind denselben manche gute maritime Eigenschaften nicht abzu-
sprechen. Sie sind unter Anderm gewandte und wagehalsige Bootsführer.
Allein es fehlt ihnen die Befähigung zum Dienste auf größeren Schiffen,
namentlich Kaltblütigkeit, ausdauernder Muth und vor Allem Disciplin. Es
ist bekannt, daß schon die Republik Venedig in den Tagen des höchsten Glan¬
zes ihre besten Seeleute aus Dalmatien, Jstrien und den jonischen Inseln
erhielt.

Die nur wenige Meilen lang sich ausdehnende Küste des Görz'schen ist
allerdings durch einige alte Kastelle und in der Eile aufgeworfene Batterien
bei Duino, Grado, Caorlc, Monfalcone und Aquileja nur schwach vertheidigt,
allein theils durch die Beschaffenheit ihrer Ufer, noch mehr aber durch die
Gestaltung des Umrisses gegen einen feindlichen Angriff geschützt; ein solcher
würde sich übrigens hier weder der Mühe noch der Kosten verlohnen.

Die wichtigste Küstenstrecke Oestreichs ist aber jene von Trieft. In die-
sem Punkte concentrirt sich der größte Theil des deutsch-östreichischen, ja über¬
haupt des gesammtöstreichischen Seehandels Und die Eigentümer der drei-
mastigen östreichischen Kauffahrer sind fast durchgehends Trichter und, Fiumaner
Rheder. Neben mehreren Privatschiffswerften sind die Arsenale und Werften


ten Schreckschüssen, womit die französische Politik von jeher die augenblickliche
eigene Unschlüssigkeit und Schwäche zu verdecken und auf die> Leichtgläubigkeit
und Furcht d.'s Gegners einzuwirken sich bestrebt bat.

Und diese mit so besonderer Mühe und Sorgfalt geschützte Küste hat
vergleichsweise für Oestreich den geringsten Werth. Der Hafen von Venedig,
von Jahr zu Jahr mehr verhärtend, wird endlich trotz der größten Anstren¬
gungen dem Schicksale des gänzlichen Unbrauchbarwerdens nicht entgehen;
das Arsenal mit seinen Werkstätten und Vorrathshäusern ist. so imposant sich
das Ganze ausnimmt, bereits längst zu klein geworden, die Schiffe sind in
den Häfen gegen den Sturm schlecht geschützt und erleiden leicht Havarien,
und endlich ist auch der venetianische Seehandel ohne besondere Bedeutung
und eher im Ab- als im Zunehmen. Die Rhederei steht ebenfalls nicht besser,
und der Schiffsbau könnte auch in größerer Ausdehnung betrieben werden.
Die Schiffe, welche den Bewohnern der venetianischen Küste angehören, sind
zumeist Fischerbarken, Lichterschiffe und Küstenfahrer. Auch wenn Venedig an
das Königreich Italien fiele, würden sich seine Verhältnisse nicht verbessern,
da die italienische Negierung weder Neigung noch Ursache haben möchte, eine
Stadt oder Provinz auf Kosten der übrigen so zu bevorzugen, wie solches
seither von Oestreich geschehen ist. und weil alles Bevorzugen den aus natur¬
gemäßer Nothwendigkeit erfolgenden Verfall einer Sache nicht aufzuhalten
vermag.

Was endlich die maritime Tauglichkeit der Bewohner dieses Küstengebietes
anbelangt, so sind denselben manche gute maritime Eigenschaften nicht abzu-
sprechen. Sie sind unter Anderm gewandte und wagehalsige Bootsführer.
Allein es fehlt ihnen die Befähigung zum Dienste auf größeren Schiffen,
namentlich Kaltblütigkeit, ausdauernder Muth und vor Allem Disciplin. Es
ist bekannt, daß schon die Republik Venedig in den Tagen des höchsten Glan¬
zes ihre besten Seeleute aus Dalmatien, Jstrien und den jonischen Inseln
erhielt.

Die nur wenige Meilen lang sich ausdehnende Küste des Görz'schen ist
allerdings durch einige alte Kastelle und in der Eile aufgeworfene Batterien
bei Duino, Grado, Caorlc, Monfalcone und Aquileja nur schwach vertheidigt,
allein theils durch die Beschaffenheit ihrer Ufer, noch mehr aber durch die
Gestaltung des Umrisses gegen einen feindlichen Angriff geschützt; ein solcher
würde sich übrigens hier weder der Mühe noch der Kosten verlohnen.

Die wichtigste Küstenstrecke Oestreichs ist aber jene von Trieft. In die-
sem Punkte concentrirt sich der größte Theil des deutsch-östreichischen, ja über¬
haupt des gesammtöstreichischen Seehandels Und die Eigentümer der drei-
mastigen östreichischen Kauffahrer sind fast durchgehends Trichter und, Fiumaner
Rheder. Neben mehreren Privatschiffswerften sind die Arsenale und Werften


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/24>, abgerufen am 12.05.2024.