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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Es war in der That nicht nöthig, die Abgeordneten gegen die Militärvorlage
wie absichtlich noch vngünstiger zu stimmen.

Endlich die letzte und den übrigen an Wichtigkeit nicht nachstehende Vor¬
lage, die dem Herrenhaus gemacht ist, ist der Entwurf einer Kreisordnung.
Da die übrigen Vorlagen mehr oder weniger dem Geschmack der Junker ent¬
sprechen, so ist es erfreulich, daß dieselben wenigstens an diesem einen Ent¬
wurf Gelegenheit haben werden, ihre wahre Natur zu zeigen. Zwar hat der
Minister des Innern gewiß Recht, wenn er erklärt, daß der Gesetzentwurf auf
konservativen Grundlagen beruhe, wenn man nämlich "conservativ" im wah¬
ren und guieu Sinne des Wortes und nicht in dem mißbräuchlichen Sinne
der Kreuzzeitung versteht. Aber der Grundgedanke des Entwurfs geht doch
dahin, das unverhältnißniäßige Uebergewicht. welches der große Grundbesitz
gegenwärtig in der Kreisvertreiuug besitzt, zu beseitigen und dagegen in den
realen Verhältnissen den Maßstab zu finden, noch welchem die Kreisvertrttung ge¬
regelt werden soll. Wäre diese Vorlage nicht gemacht, so konnten wir fast besorgen,
das Herrenhaus möchte ministerieller erscheinen, als das Abgeordnetenhaus.

Ueber die Vorlagen, welche der Finanzminister und der Minister des
Innern dem Abgeordnetenhaus gemacht haben, müssen wir uns für heute
sehr kurz fassen. Zunächst das Budget für 1862 und der Gesetzentwurf wegen
Forterhcbung des 25procentigen Zuschlags zur Einkommensteuer. Aus der
Rede, mit der Herr v. Patow die Einbringung des Budgets begleitete, haben
wir entnommen, daß die Kunst, Zahlen zu gruppiren, nicht auf .Frankreich
beschränkt ist. Der Finanzminister hat gewiß vollkommen Recht, wenn er eine
Parallele unserer Finanzznstände mit den östreichischen für vollkommen unzu¬
lässig erklärt. Aber die Sorge, daß eine solche Parallele einmal zulässig wer¬
den könnte, wird dadurch nicht aufgehoben. Es ist richtig, daß die vollstän¬
dige Deckung sür das Deficit von 5 Millionen, mit welchem das diesjährige
Budget abschließt, nachgewiesen wird. Aber die Deckung besteht darin, daß
wir theils von, Capital zehren und theils die Kriegsstcuern vorwegnehmen.
Das Abgeordnetenhaus wird die Aufgabe haben, für die Herstellung des nö¬
thigen Gleichgewichts zu sorgen.

Außerdem hat der Finanzmimster einen Gesetzentwurf über die Einrich¬
tung und der Befugnisse der Oberrechnuugskaminer eingebracht. Durch dieses
Gesetz soll die Controlle, weiche das Abgeordnetenhaus hinsichtlich der Ver¬
wendung der Staatseinkünfte auszuüben hat, erst eine Wahrheit werden. Der
Ton, in welchem der Finanzminister diese Vorlage ankündigte, war ziemlich
kleinlaut. Man hat vielleicht Ursache, zu befürchten, daß es mit diesem Ge-
setzentwurf nicht besser steht, als mit dem über die Ministerverantwortlichkeit.
Aber es wird gerathen sein, das Urtheil zu suspendiren, bis der Entwurf ge¬
druckt vorliegt.


Es war in der That nicht nöthig, die Abgeordneten gegen die Militärvorlage
wie absichtlich noch vngünstiger zu stimmen.

Endlich die letzte und den übrigen an Wichtigkeit nicht nachstehende Vor¬
lage, die dem Herrenhaus gemacht ist, ist der Entwurf einer Kreisordnung.
Da die übrigen Vorlagen mehr oder weniger dem Geschmack der Junker ent¬
sprechen, so ist es erfreulich, daß dieselben wenigstens an diesem einen Ent¬
wurf Gelegenheit haben werden, ihre wahre Natur zu zeigen. Zwar hat der
Minister des Innern gewiß Recht, wenn er erklärt, daß der Gesetzentwurf auf
konservativen Grundlagen beruhe, wenn man nämlich „conservativ" im wah¬
ren und guieu Sinne des Wortes und nicht in dem mißbräuchlichen Sinne
der Kreuzzeitung versteht. Aber der Grundgedanke des Entwurfs geht doch
dahin, das unverhältnißniäßige Uebergewicht. welches der große Grundbesitz
gegenwärtig in der Kreisvertreiuug besitzt, zu beseitigen und dagegen in den
realen Verhältnissen den Maßstab zu finden, noch welchem die Kreisvertrttung ge¬
regelt werden soll. Wäre diese Vorlage nicht gemacht, so konnten wir fast besorgen,
das Herrenhaus möchte ministerieller erscheinen, als das Abgeordnetenhaus.

Ueber die Vorlagen, welche der Finanzminister und der Minister des
Innern dem Abgeordnetenhaus gemacht haben, müssen wir uns für heute
sehr kurz fassen. Zunächst das Budget für 1862 und der Gesetzentwurf wegen
Forterhcbung des 25procentigen Zuschlags zur Einkommensteuer. Aus der
Rede, mit der Herr v. Patow die Einbringung des Budgets begleitete, haben
wir entnommen, daß die Kunst, Zahlen zu gruppiren, nicht auf .Frankreich
beschränkt ist. Der Finanzminister hat gewiß vollkommen Recht, wenn er eine
Parallele unserer Finanzznstände mit den östreichischen für vollkommen unzu¬
lässig erklärt. Aber die Sorge, daß eine solche Parallele einmal zulässig wer¬
den könnte, wird dadurch nicht aufgehoben. Es ist richtig, daß die vollstän¬
dige Deckung sür das Deficit von 5 Millionen, mit welchem das diesjährige
Budget abschließt, nachgewiesen wird. Aber die Deckung besteht darin, daß
wir theils von, Capital zehren und theils die Kriegsstcuern vorwegnehmen.
Das Abgeordnetenhaus wird die Aufgabe haben, für die Herstellung des nö¬
thigen Gleichgewichts zu sorgen.

Außerdem hat der Finanzmimster einen Gesetzentwurf über die Einrich¬
tung und der Befugnisse der Oberrechnuugskaminer eingebracht. Durch dieses
Gesetz soll die Controlle, weiche das Abgeordnetenhaus hinsichtlich der Ver¬
wendung der Staatseinkünfte auszuüben hat, erst eine Wahrheit werden. Der
Ton, in welchem der Finanzminister diese Vorlage ankündigte, war ziemlich
kleinlaut. Man hat vielleicht Ursache, zu befürchten, daß es mit diesem Ge-
setzentwurf nicht besser steht, als mit dem über die Ministerverantwortlichkeit.
Aber es wird gerathen sein, das Urtheil zu suspendiren, bis der Entwurf ge¬
druckt vorliegt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/247>, abgerufen am 23.05.2024.