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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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vielfach -- man vergleiche Lovejoys Expectorationen im Repräsentanten¬
hause -- zur Erbitterung gesteigert worden. Bis jetzt haben die Engländer
nichts gethan, solchen Haß zu verdienen. Ihr Verhalten war rücksichtsvoll,
überlegsam und so weit als möglich nachgibig. Keine Nation ist von dem
anmaßenden, leicht übergreifenden, rasch mit groben Noten und Zeitungsartikeln
zu dienen bereiten John Bull so artig behandelt worden, als Amerika in
seiner jetzigen Krisis. Wenn die Londoner Presse ihre Meinung mit Offenheit
herausgesagt, "Times" bisweilen gehöhnt, "Herald" häßlich geschimpft hat.
so haben die Blätter der Uankecs weit giftiger und schneidender geantwortet,
und überdies hat England und Amerika ein gemeinsames Sprichwort, nach
welchem "harte Worte noch keine Knochen, zerbrechen."

In den einzigen beiden Fällen, wo es für England zu handeln galt,
bei der Anerkennung des südlichen Staatenbundes als kriegführender Macht
und bei der Forderung auf Herausgabe der südlichen Emissäre, konnte man,
das geben selbst verständige Amerikaner zu, kaum weniger thun, und hätte
man dieses Wenige kaum mit mehr Berücksichtigung des Selbstgefühls des
amerikanischen Volks thun können. Bis jetzt ist also nichts geschehen, wo¬
rüber man sich drüben überm großen Wasser mit Grund beklagen könnte, und
wenn der Friede wiederhergestellt ist, werden alle ruhigen Gemüther dort dessen
innewerden und im Stillen dafür dankbar sein.

Wollte England aber jetzt die Blockade für nicht vorhanden erklären, so
würde (selbst wenn daraus nicht unmittelbar ein Krieg sich entwickelte) nichts
die Amerikaner überzeugen, daß die dann sofort unabhängig gewordenen Con-
föderirtcn ihre Unabhängigkeit nicht dem verabscheuenswerthcn, treulosen und
selbstsüchtigen Albion verdankten. Sie würden sagen und es. wie man im
Welfenland unendliche Dinge bezeichnet, "bis an das Ende der Tage" glau¬
ben, daß sie hart daran gewesen, die Rebellen zu demüthigen und die glorreiche
Union wiederherzustellen, als England aus purem Neid aus ihre Größe und
aus schmutziger Gier nach gemeiner Baumwolle dazwischen getreten sei und als
verrätherischer Feind ihnen den bereits am Saum des Gewandes ergriffnen
Sieg (wir reden im Styl amerikanischen Gcdankenhochflugs) ans der Hand
gerissen, ihnen sieben ihrer schönsten Silbersterne aus dem Banner gestohlen
habe, um sie' auf seinen Märkten zu verwerthen. Solche Klagen würden un¬
berechtigt sein, aber selbst Engelszungeu würden sie den Amerikanern nicht
ausreden. Sie würden wie ein nagender Wurm an ihren Herzen fressen, sie
unaufhörlich nach Gelegenheit zur Rache suchen lassen und nicht eher ver¬
stummen, als bis die vermeintliche Verletzung mit Zinsen zurückgegeben wäre. --

Nun ist England jetzt vielleicht mächtiger wie je. Aber es hat keine Ur¬
sache, seine Gegner zu vermehren. Es kann in Noth kommen, wie jetzt
Amerika, es kann einen Bundesgenossen, der ihm die Wage hält, zu be-


vielfach — man vergleiche Lovejoys Expectorationen im Repräsentanten¬
hause — zur Erbitterung gesteigert worden. Bis jetzt haben die Engländer
nichts gethan, solchen Haß zu verdienen. Ihr Verhalten war rücksichtsvoll,
überlegsam und so weit als möglich nachgibig. Keine Nation ist von dem
anmaßenden, leicht übergreifenden, rasch mit groben Noten und Zeitungsartikeln
zu dienen bereiten John Bull so artig behandelt worden, als Amerika in
seiner jetzigen Krisis. Wenn die Londoner Presse ihre Meinung mit Offenheit
herausgesagt, „Times" bisweilen gehöhnt, „Herald" häßlich geschimpft hat.
so haben die Blätter der Uankecs weit giftiger und schneidender geantwortet,
und überdies hat England und Amerika ein gemeinsames Sprichwort, nach
welchem „harte Worte noch keine Knochen, zerbrechen."

In den einzigen beiden Fällen, wo es für England zu handeln galt,
bei der Anerkennung des südlichen Staatenbundes als kriegführender Macht
und bei der Forderung auf Herausgabe der südlichen Emissäre, konnte man,
das geben selbst verständige Amerikaner zu, kaum weniger thun, und hätte
man dieses Wenige kaum mit mehr Berücksichtigung des Selbstgefühls des
amerikanischen Volks thun können. Bis jetzt ist also nichts geschehen, wo¬
rüber man sich drüben überm großen Wasser mit Grund beklagen könnte, und
wenn der Friede wiederhergestellt ist, werden alle ruhigen Gemüther dort dessen
innewerden und im Stillen dafür dankbar sein.

Wollte England aber jetzt die Blockade für nicht vorhanden erklären, so
würde (selbst wenn daraus nicht unmittelbar ein Krieg sich entwickelte) nichts
die Amerikaner überzeugen, daß die dann sofort unabhängig gewordenen Con-
föderirtcn ihre Unabhängigkeit nicht dem verabscheuenswerthcn, treulosen und
selbstsüchtigen Albion verdankten. Sie würden sagen und es. wie man im
Welfenland unendliche Dinge bezeichnet, „bis an das Ende der Tage" glau¬
ben, daß sie hart daran gewesen, die Rebellen zu demüthigen und die glorreiche
Union wiederherzustellen, als England aus purem Neid aus ihre Größe und
aus schmutziger Gier nach gemeiner Baumwolle dazwischen getreten sei und als
verrätherischer Feind ihnen den bereits am Saum des Gewandes ergriffnen
Sieg (wir reden im Styl amerikanischen Gcdankenhochflugs) ans der Hand
gerissen, ihnen sieben ihrer schönsten Silbersterne aus dem Banner gestohlen
habe, um sie' auf seinen Märkten zu verwerthen. Solche Klagen würden un¬
berechtigt sein, aber selbst Engelszungeu würden sie den Amerikanern nicht
ausreden. Sie würden wie ein nagender Wurm an ihren Herzen fressen, sie
unaufhörlich nach Gelegenheit zur Rache suchen lassen und nicht eher ver¬
stummen, als bis die vermeintliche Verletzung mit Zinsen zurückgegeben wäre. —

Nun ist England jetzt vielleicht mächtiger wie je. Aber es hat keine Ur¬
sache, seine Gegner zu vermehren. Es kann in Noth kommen, wie jetzt
Amerika, es kann einen Bundesgenossen, der ihm die Wage hält, zu be-


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[0255] vielfach — man vergleiche Lovejoys Expectorationen im Repräsentanten¬ hause — zur Erbitterung gesteigert worden. Bis jetzt haben die Engländer nichts gethan, solchen Haß zu verdienen. Ihr Verhalten war rücksichtsvoll, überlegsam und so weit als möglich nachgibig. Keine Nation ist von dem anmaßenden, leicht übergreifenden, rasch mit groben Noten und Zeitungsartikeln zu dienen bereiten John Bull so artig behandelt worden, als Amerika in seiner jetzigen Krisis. Wenn die Londoner Presse ihre Meinung mit Offenheit herausgesagt, „Times" bisweilen gehöhnt, „Herald" häßlich geschimpft hat. so haben die Blätter der Uankecs weit giftiger und schneidender geantwortet, und überdies hat England und Amerika ein gemeinsames Sprichwort, nach welchem „harte Worte noch keine Knochen, zerbrechen." In den einzigen beiden Fällen, wo es für England zu handeln galt, bei der Anerkennung des südlichen Staatenbundes als kriegführender Macht und bei der Forderung auf Herausgabe der südlichen Emissäre, konnte man, das geben selbst verständige Amerikaner zu, kaum weniger thun, und hätte man dieses Wenige kaum mit mehr Berücksichtigung des Selbstgefühls des amerikanischen Volks thun können. Bis jetzt ist also nichts geschehen, wo¬ rüber man sich drüben überm großen Wasser mit Grund beklagen könnte, und wenn der Friede wiederhergestellt ist, werden alle ruhigen Gemüther dort dessen innewerden und im Stillen dafür dankbar sein. Wollte England aber jetzt die Blockade für nicht vorhanden erklären, so würde (selbst wenn daraus nicht unmittelbar ein Krieg sich entwickelte) nichts die Amerikaner überzeugen, daß die dann sofort unabhängig gewordenen Con- föderirtcn ihre Unabhängigkeit nicht dem verabscheuenswerthcn, treulosen und selbstsüchtigen Albion verdankten. Sie würden sagen und es. wie man im Welfenland unendliche Dinge bezeichnet, „bis an das Ende der Tage" glau¬ ben, daß sie hart daran gewesen, die Rebellen zu demüthigen und die glorreiche Union wiederherzustellen, als England aus purem Neid aus ihre Größe und aus schmutziger Gier nach gemeiner Baumwolle dazwischen getreten sei und als verrätherischer Feind ihnen den bereits am Saum des Gewandes ergriffnen Sieg (wir reden im Styl amerikanischen Gcdankenhochflugs) ans der Hand gerissen, ihnen sieben ihrer schönsten Silbersterne aus dem Banner gestohlen habe, um sie' auf seinen Märkten zu verwerthen. Solche Klagen würden un¬ berechtigt sein, aber selbst Engelszungeu würden sie den Amerikanern nicht ausreden. Sie würden wie ein nagender Wurm an ihren Herzen fressen, sie unaufhörlich nach Gelegenheit zur Rache suchen lassen und nicht eher ver¬ stummen, als bis die vermeintliche Verletzung mit Zinsen zurückgegeben wäre. — Nun ist England jetzt vielleicht mächtiger wie je. Aber es hat keine Ur¬ sache, seine Gegner zu vermehren. Es kann in Noth kommen, wie jetzt Amerika, es kann einen Bundesgenossen, der ihm die Wage hält, zu be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/255>, abgerufen am 11.05.2024.