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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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wir Ruhetag, am letztern hatte ich den Compagniedienst des Visitirens und
mußte des Abends dem Hauptmann Rapport abstatten. Ich hatte mir Mühe
gegeben, den dienstlichen militärischen Anstand mir anzueignen, uird dazu ge¬
hörte mit Anstand die Thüre des Zimmers, in welchem der Vorgesetzte sich
befand, auf und wieder zu zumachen, auf drei Schritt mit angezogenem
Stock an ihn heran zu treten, die Meldung im ruhigen Ernst auszusprechen,
nachdem er sie angehört und mit: es ist gut! mich abgefertigt, wenn er sonst
nicht etwa was zu fragen oder zu befehlen hatte, stramm Kehrt mit hörbarem
Beitritt zu machen und wieder hinaus zu marschiren. So geschah es auch in
Gera, wo mein Hauptmann im Zimmer seiner Wirthsleute sich befand, in
das ich gewiesen war; ich wurde zurückgerufen, machte wieder Front mit hör¬
barem Beitritt und marschirte auf, den Capitän zu. Hier wurde ich von
einer liebenswürdigen nicht ganz jungen F>an gefragt, wo ich un Quartier
läge? Ich sagte es und wurde bedauert, so schlecht untergekommen zu sein;
dem widersprach ich, die Freundlichkeit meiner Wirthsleute anerkennend, die
mich trotz des sichtbaren Mangels recht gut aufgenommen hätten. Die
Dame bat nun meinen Hauptmann , daß er, da sie noch hinlänglichen Raum
habe, erlaube, daß der kleine Mann mit zu ihm in's Quartier käme; er ge-
nehmigte es sehr freundlich und ich lief gleich nach Haufe, um durch meinen
Burschen mein weniges Gepäck hinbringen zu lassen. Ich erhielt ein nieo-
liches Zimmer neben dem meines Hauptmanns, aß noch sehr gut zu Abend
und frühstückte des andern Morgens mit ihm in seinem Zimmer. Hierbei
passirte mir ein Unglück; denn der erste Schluck Kaffee kam mir in die Luft¬
röhre und unwiderstehlich sprudelte ich denselben aus. so daß Alles bespritzt
wurde. Ich war sehr unglücklich. Der Hauptmann aber sagte ruhig: "Sie
müssen Sich mehr in Acht nehmen." Mittags aßen wir zusammen und
tranken dazu rothen Wein, da widerfuhr meinem lieben Hauptmann dasselbe,
was mir beim Kaffee geschehen war, nur in viel schlimmeren Maß. Nachdem
er sich erholt, sagte er: nun sind,w>r quitt. -- Im Erzgebirge dicht bei
Freiberg lag ich bei einem Bergmann im Quartier, der einen Sohn "reines
Alters und von meiner Größe hatte, es war wieder Ruhetag, ich kam auf
die Idee, seinen Sonntags-Anzug anzulegen, mich als verunglückten jungen
Bergmann, der durch einen Sturz in den Schacht lahm geworden, "reinem
Hauptmann vorzustellen und ihn um eine milde Gabe zu bitten. Theil-
nehmend griff er nach seiner Börse, um mir ein Geldgeschenk zu verabreichen,
da platzte ich lachend heraus: "kennen Sie mich wirklich nicht. Herr Haupt¬
mann?" ^- "Eulenspiegel." sagte er. "nein." Ich bat ihn nicht böse zu sein
und empfahl mich. Ich erzähle diese kleinen Züge nur, um den liebenswür¬
digen Charakter desselben erkennen zu lassen.

So ging der Marsch fort bis nach Llankenburg bei Rudolstadt. wo wir


wir Ruhetag, am letztern hatte ich den Compagniedienst des Visitirens und
mußte des Abends dem Hauptmann Rapport abstatten. Ich hatte mir Mühe
gegeben, den dienstlichen militärischen Anstand mir anzueignen, uird dazu ge¬
hörte mit Anstand die Thüre des Zimmers, in welchem der Vorgesetzte sich
befand, auf und wieder zu zumachen, auf drei Schritt mit angezogenem
Stock an ihn heran zu treten, die Meldung im ruhigen Ernst auszusprechen,
nachdem er sie angehört und mit: es ist gut! mich abgefertigt, wenn er sonst
nicht etwa was zu fragen oder zu befehlen hatte, stramm Kehrt mit hörbarem
Beitritt zu machen und wieder hinaus zu marschiren. So geschah es auch in
Gera, wo mein Hauptmann im Zimmer seiner Wirthsleute sich befand, in
das ich gewiesen war; ich wurde zurückgerufen, machte wieder Front mit hör¬
barem Beitritt und marschirte auf, den Capitän zu. Hier wurde ich von
einer liebenswürdigen nicht ganz jungen F>an gefragt, wo ich un Quartier
läge? Ich sagte es und wurde bedauert, so schlecht untergekommen zu sein;
dem widersprach ich, die Freundlichkeit meiner Wirthsleute anerkennend, die
mich trotz des sichtbaren Mangels recht gut aufgenommen hätten. Die
Dame bat nun meinen Hauptmann , daß er, da sie noch hinlänglichen Raum
habe, erlaube, daß der kleine Mann mit zu ihm in's Quartier käme; er ge-
nehmigte es sehr freundlich und ich lief gleich nach Haufe, um durch meinen
Burschen mein weniges Gepäck hinbringen zu lassen. Ich erhielt ein nieo-
liches Zimmer neben dem meines Hauptmanns, aß noch sehr gut zu Abend
und frühstückte des andern Morgens mit ihm in seinem Zimmer. Hierbei
passirte mir ein Unglück; denn der erste Schluck Kaffee kam mir in die Luft¬
röhre und unwiderstehlich sprudelte ich denselben aus. so daß Alles bespritzt
wurde. Ich war sehr unglücklich. Der Hauptmann aber sagte ruhig: „Sie
müssen Sich mehr in Acht nehmen." Mittags aßen wir zusammen und
tranken dazu rothen Wein, da widerfuhr meinem lieben Hauptmann dasselbe,
was mir beim Kaffee geschehen war, nur in viel schlimmeren Maß. Nachdem
er sich erholt, sagte er: nun sind,w>r quitt. — Im Erzgebirge dicht bei
Freiberg lag ich bei einem Bergmann im Quartier, der einen Sohn »reines
Alters und von meiner Größe hatte, es war wieder Ruhetag, ich kam auf
die Idee, seinen Sonntags-Anzug anzulegen, mich als verunglückten jungen
Bergmann, der durch einen Sturz in den Schacht lahm geworden, »reinem
Hauptmann vorzustellen und ihn um eine milde Gabe zu bitten. Theil-
nehmend griff er nach seiner Börse, um mir ein Geldgeschenk zu verabreichen,
da platzte ich lachend heraus: „kennen Sie mich wirklich nicht. Herr Haupt¬
mann?" ^- „Eulenspiegel." sagte er. „nein." Ich bat ihn nicht böse zu sein
und empfahl mich. Ich erzähle diese kleinen Züge nur, um den liebenswür¬
digen Charakter desselben erkennen zu lassen.

So ging der Marsch fort bis nach Llankenburg bei Rudolstadt. wo wir


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[0031] wir Ruhetag, am letztern hatte ich den Compagniedienst des Visitirens und mußte des Abends dem Hauptmann Rapport abstatten. Ich hatte mir Mühe gegeben, den dienstlichen militärischen Anstand mir anzueignen, uird dazu ge¬ hörte mit Anstand die Thüre des Zimmers, in welchem der Vorgesetzte sich befand, auf und wieder zu zumachen, auf drei Schritt mit angezogenem Stock an ihn heran zu treten, die Meldung im ruhigen Ernst auszusprechen, nachdem er sie angehört und mit: es ist gut! mich abgefertigt, wenn er sonst nicht etwa was zu fragen oder zu befehlen hatte, stramm Kehrt mit hörbarem Beitritt zu machen und wieder hinaus zu marschiren. So geschah es auch in Gera, wo mein Hauptmann im Zimmer seiner Wirthsleute sich befand, in das ich gewiesen war; ich wurde zurückgerufen, machte wieder Front mit hör¬ barem Beitritt und marschirte auf, den Capitän zu. Hier wurde ich von einer liebenswürdigen nicht ganz jungen F>an gefragt, wo ich un Quartier läge? Ich sagte es und wurde bedauert, so schlecht untergekommen zu sein; dem widersprach ich, die Freundlichkeit meiner Wirthsleute anerkennend, die mich trotz des sichtbaren Mangels recht gut aufgenommen hätten. Die Dame bat nun meinen Hauptmann , daß er, da sie noch hinlänglichen Raum habe, erlaube, daß der kleine Mann mit zu ihm in's Quartier käme; er ge- nehmigte es sehr freundlich und ich lief gleich nach Haufe, um durch meinen Burschen mein weniges Gepäck hinbringen zu lassen. Ich erhielt ein nieo- liches Zimmer neben dem meines Hauptmanns, aß noch sehr gut zu Abend und frühstückte des andern Morgens mit ihm in seinem Zimmer. Hierbei passirte mir ein Unglück; denn der erste Schluck Kaffee kam mir in die Luft¬ röhre und unwiderstehlich sprudelte ich denselben aus. so daß Alles bespritzt wurde. Ich war sehr unglücklich. Der Hauptmann aber sagte ruhig: „Sie müssen Sich mehr in Acht nehmen." Mittags aßen wir zusammen und tranken dazu rothen Wein, da widerfuhr meinem lieben Hauptmann dasselbe, was mir beim Kaffee geschehen war, nur in viel schlimmeren Maß. Nachdem er sich erholt, sagte er: nun sind,w>r quitt. — Im Erzgebirge dicht bei Freiberg lag ich bei einem Bergmann im Quartier, der einen Sohn »reines Alters und von meiner Größe hatte, es war wieder Ruhetag, ich kam auf die Idee, seinen Sonntags-Anzug anzulegen, mich als verunglückten jungen Bergmann, der durch einen Sturz in den Schacht lahm geworden, »reinem Hauptmann vorzustellen und ihn um eine milde Gabe zu bitten. Theil- nehmend griff er nach seiner Börse, um mir ein Geldgeschenk zu verabreichen, da platzte ich lachend heraus: „kennen Sie mich wirklich nicht. Herr Haupt¬ mann?" ^- „Eulenspiegel." sagte er. „nein." Ich bat ihn nicht böse zu sein und empfahl mich. Ich erzähle diese kleinen Züge nur, um den liebenswür¬ digen Charakter desselben erkennen zu lassen. So ging der Marsch fort bis nach Llankenburg bei Rudolstadt. wo wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/31>, abgerufen am 13.05.2024.