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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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etwa am 9, October ankamen. Das Bataillon hatte unter dem General
Pelee, welchem noch das sächsische Husaren-Regiment beigegeben war, die
Bestimmung eines Seiten-Detachements der Avantgarde des Hohenlohschcn
Corps erhalten. Daß wir aber so nahe vor dem Feinde standen/ wußte
keiner, ich bezweifle, daß es unser Führer gewußt, sonst würden wohl die
Offiziere, unter denen ich mich viel befand/ etwas erwähnt haben. Am
U). October wurde mit einem Male Alarm geblasen. In wenigen Minuten
war das Bataillon beisammen/ es rückte vor der Stadt eine Höhe hi'Nan,
ÄnK es hieß, der Feind sei da, gleich winde das Gefecht angehn. Die vor
uns liegende Höhe entzog uns jede Aussicht. Die Schützen wurden vorge¬
nommen, das Bataillon marschirte in Linie auf. ich stand auf dem rechten
Flügel. MerkwArtzig W'ar mir, daß ich unsere schützen nicht sah. die doch
vor uns sein mußten, wie ich beim Exerciren stets gesehen hatte. Ich hörte
eigne pfeifende Töne, die ich mir nicht erklären konnte, und wurde a-uf Meine
Frage von einem älteren Soldaten, einem Ausländer, der von den Oestreichern
zu uns gekommen und dort schon mit gefochten, belehrt, daß dies die
feindlichen Kugeln seien. Ich wollte das nicht glauben, er meinte aber , ich
würde 'es zeitig genug gewahr werden; zu meinem Troste setzte er hinzu:
,,d>e'Kugeln, die man pfeifen hört, sind vorbei, die. welche treffen, hört man
nicht." In demselben Augenblick blutete mein Nebenmann, der Flügelmann,
im Gesicht und liai zuviel, er war verwundet. Nun sing mir das Herz ge¬
waltig an zu klopfen, doch hatte ich keine Zeit zu langem Ueberlegcri; denn
wir finge" an zu schießen, indem eine Salve gegeben wurde. Noch hatte ich
keinen Feind gesehen, schoß aber tapfer mit. als auf einmal der Befehl zum
Rückzüge gegeben wurde. Dieser wurde etwas wild angetreten, nicht durch
die Stadt, sondern um dieselbe herum. Plötzlich hemmte ein ziemlich breites
Gewässer unsern Rückzug. "Wir müssen durch." rief em Hauptmann von
Gall, Chef der 3. Compagnie, und sprang zuerst ins Wasser, ich ihm nach,
und die übrigen folgte". Die ersten drei bis vier Sprünge ging es ganz
gut. aber mit einem Male schlug das Wasser über mir zusammen. Glücklicher¬
weise bemerkte dies einer und faßte mich beim Kragen, und da ihm das Wasser
nur bis an den Hals ging, so trug er, mich so fest haltend, den kleinen Ka-
- Meradcn glücklich bis ans andere Ufer. Hier sammelte sich das Bataillon
vom Feinde unverfolgt, und es ging im raschen Schritt weiter. Triefend
naß. die Kleider dreimal, so schwer als gewöhnlich, ermüdete ich bald, den
Tornister warf ich weg und schleppte n"es so gut es gehen wollte soll. Unter
den sächsischen Husaren, die sich zu uns gefunden hatte", erregte ich die.
Theilnahme eines Offiziers Namens von Selchvw wegen meine" Kleinheit
und sichtlichen Erschöpfung im hohen Grade; er forderte mich auf. ihm mein
Gewehr zu geben, das mir zu schwer wurde, ich verweigerte es. indem ich


etwa am 9, October ankamen. Das Bataillon hatte unter dem General
Pelee, welchem noch das sächsische Husaren-Regiment beigegeben war, die
Bestimmung eines Seiten-Detachements der Avantgarde des Hohenlohschcn
Corps erhalten. Daß wir aber so nahe vor dem Feinde standen/ wußte
keiner, ich bezweifle, daß es unser Führer gewußt, sonst würden wohl die
Offiziere, unter denen ich mich viel befand/ etwas erwähnt haben. Am
U). October wurde mit einem Male Alarm geblasen. In wenigen Minuten
war das Bataillon beisammen/ es rückte vor der Stadt eine Höhe hi'Nan,
ÄnK es hieß, der Feind sei da, gleich winde das Gefecht angehn. Die vor
uns liegende Höhe entzog uns jede Aussicht. Die Schützen wurden vorge¬
nommen, das Bataillon marschirte in Linie auf. ich stand auf dem rechten
Flügel. MerkwArtzig W'ar mir, daß ich unsere schützen nicht sah. die doch
vor uns sein mußten, wie ich beim Exerciren stets gesehen hatte. Ich hörte
eigne pfeifende Töne, die ich mir nicht erklären konnte, und wurde a-uf Meine
Frage von einem älteren Soldaten, einem Ausländer, der von den Oestreichern
zu uns gekommen und dort schon mit gefochten, belehrt, daß dies die
feindlichen Kugeln seien. Ich wollte das nicht glauben, er meinte aber , ich
würde 'es zeitig genug gewahr werden; zu meinem Troste setzte er hinzu:
,,d>e'Kugeln, die man pfeifen hört, sind vorbei, die. welche treffen, hört man
nicht." In demselben Augenblick blutete mein Nebenmann, der Flügelmann,
im Gesicht und liai zuviel, er war verwundet. Nun sing mir das Herz ge¬
waltig an zu klopfen, doch hatte ich keine Zeit zu langem Ueberlegcri; denn
wir finge« an zu schießen, indem eine Salve gegeben wurde. Noch hatte ich
keinen Feind gesehen, schoß aber tapfer mit. als auf einmal der Befehl zum
Rückzüge gegeben wurde. Dieser wurde etwas wild angetreten, nicht durch
die Stadt, sondern um dieselbe herum. Plötzlich hemmte ein ziemlich breites
Gewässer unsern Rückzug. „Wir müssen durch." rief em Hauptmann von
Gall, Chef der 3. Compagnie, und sprang zuerst ins Wasser, ich ihm nach,
und die übrigen folgte». Die ersten drei bis vier Sprünge ging es ganz
gut. aber mit einem Male schlug das Wasser über mir zusammen. Glücklicher¬
weise bemerkte dies einer und faßte mich beim Kragen, und da ihm das Wasser
nur bis an den Hals ging, so trug er, mich so fest haltend, den kleinen Ka-
- Meradcn glücklich bis ans andere Ufer. Hier sammelte sich das Bataillon
vom Feinde unverfolgt, und es ging im raschen Schritt weiter. Triefend
naß. die Kleider dreimal, so schwer als gewöhnlich, ermüdete ich bald, den
Tornister warf ich weg und schleppte n»es so gut es gehen wollte soll. Unter
den sächsischen Husaren, die sich zu uns gefunden hatte», erregte ich die.
Theilnahme eines Offiziers Namens von Selchvw wegen meine» Kleinheit
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/32>, abgerufen am 12.05.2024.