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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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aungen, ohne Parlement. Die Vorräthe seien da, das Uebrige werde sich spä¬
ter finden. Es dürfe keine ungedeckte Ausgabe mehr vorkommen; das Bud¬
get müsse wirklich im Gleichgewicht sein; in außerordentlichen Fällen berufe
man dann die Kammer. Table diese einen Minister, weil er Uebertragungen
vorgenommen, die sich nicht rechtfertigen lassen, so müsse derselbe abtreten;
der Kaiser werde ihn nicht behalten. Kurz, Herr Fould rst überzeugt, daß
alle wünschenswerthen Garantien gegeben sind, "wenn man die Kraft hat, die
Gesetze zu halten, die man gibt."

Einstweilen also glaubt der Finanzminister gesorgt zu haben, daß die
Verlegenheiten nicht größer werden als sie sind. Was er thun will, um die
vorhandenen zu beseitigen, das wird er dem gesetzgebenden Körper sagen,
welcher gegen Ende Januar zusammentritt. Aber schon über die Festigkeit
des Dammes, den er aufgeführt zu haben glaubt, steigen ihm selbst so viele
"Wenn" und "Aber" auf, daß bescheidene Zweifel Anderen plebe zu verar-
gen sind.

Unheimlich aber sind die Maßregeln gegen Artikel, welche ungefähr das¬
selbe sagen, was Hr. Fould. Der Leser erinnert sich, daß kurz vor dem
Abdrucke seiner Denkschrift im Moniteur die Revue clef äeux Uoiräes eine
Verwarnung erhalten hatte wegen einer Abhandlung, in welcher die "Krise."
die der Finanzminister geschildert, in vorsichtigeren Ausdrücken angedeutet
war. Und kaum ist die Rede des Finanzministers im Senate verklungen und
in den Zeitungen verbreitet, so wird dem -kourn-U ach vedats, zum ersten
Male, eine Verwarnung ertheilt wegen eines Artikels aus der Feder des alten,
besonnenen Se. Meire Girardin über den Bericht des Herrn Troplong, worin
lange nicht so starke Dinge gesagt waren, wie in der Rede des Herrn Fould
die Andeutung, daß Rathschläge, wie der Bericht sie enthalte, Staaten in
das Verderben stürzen. Se. Marc Girardin ein Unruhestifter, und Fould
Finanzminister I -- woher soll da der Glaube an den Ernst der rettenden
Maßregeln kommen?

Wenn wir uns noch einen Monat gedulden müssen, bevor wir erfahren,
wie Hr. Fould das französische Budget in ein ernstliches Gleichgewicht (6qui,-
Udre serieux) zu bringen und die schwebende Schuld von 1000 Millionen
Franken aus eine mäßigere Ziffer herabzumindern gedenkt, so ist es uns in¬
zwischen vergönnt, auf die Vorlagen des östreichischen Finanzministers Hr. v.
Pierer an den Reichsrath einen Blick zu werfen,, und nachzusehen, in welchen
Beziehungen die Finanzlage in Wien der in Paris ähnlich sieht, und worin
beide sich von einander unterscheiden.

Wie in Frankreich so schließen in Oestreich seit einer Reihe von Jahren
die Staatsrechnungen mit einem Ueberschuß der Ausgaben über die Einnah¬
men, und die Folge ist eine stetige Vermehrung der Staatsschuld. Hier wie


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aungen, ohne Parlement. Die Vorräthe seien da, das Uebrige werde sich spä¬
ter finden. Es dürfe keine ungedeckte Ausgabe mehr vorkommen; das Bud¬
get müsse wirklich im Gleichgewicht sein; in außerordentlichen Fällen berufe
man dann die Kammer. Table diese einen Minister, weil er Uebertragungen
vorgenommen, die sich nicht rechtfertigen lassen, so müsse derselbe abtreten;
der Kaiser werde ihn nicht behalten. Kurz, Herr Fould rst überzeugt, daß
alle wünschenswerthen Garantien gegeben sind, „wenn man die Kraft hat, die
Gesetze zu halten, die man gibt."

Einstweilen also glaubt der Finanzminister gesorgt zu haben, daß die
Verlegenheiten nicht größer werden als sie sind. Was er thun will, um die
vorhandenen zu beseitigen, das wird er dem gesetzgebenden Körper sagen,
welcher gegen Ende Januar zusammentritt. Aber schon über die Festigkeit
des Dammes, den er aufgeführt zu haben glaubt, steigen ihm selbst so viele
„Wenn" und „Aber" auf, daß bescheidene Zweifel Anderen plebe zu verar-
gen sind.

Unheimlich aber sind die Maßregeln gegen Artikel, welche ungefähr das¬
selbe sagen, was Hr. Fould. Der Leser erinnert sich, daß kurz vor dem
Abdrucke seiner Denkschrift im Moniteur die Revue clef äeux Uoiräes eine
Verwarnung erhalten hatte wegen einer Abhandlung, in welcher die „Krise."
die der Finanzminister geschildert, in vorsichtigeren Ausdrücken angedeutet
war. Und kaum ist die Rede des Finanzministers im Senate verklungen und
in den Zeitungen verbreitet, so wird dem -kourn-U ach vedats, zum ersten
Male, eine Verwarnung ertheilt wegen eines Artikels aus der Feder des alten,
besonnenen Se. Meire Girardin über den Bericht des Herrn Troplong, worin
lange nicht so starke Dinge gesagt waren, wie in der Rede des Herrn Fould
die Andeutung, daß Rathschläge, wie der Bericht sie enthalte, Staaten in
das Verderben stürzen. Se. Marc Girardin ein Unruhestifter, und Fould
Finanzminister I — woher soll da der Glaube an den Ernst der rettenden
Maßregeln kommen?

Wenn wir uns noch einen Monat gedulden müssen, bevor wir erfahren,
wie Hr. Fould das französische Budget in ein ernstliches Gleichgewicht (6qui,-
Udre serieux) zu bringen und die schwebende Schuld von 1000 Millionen
Franken aus eine mäßigere Ziffer herabzumindern gedenkt, so ist es uns in¬
zwischen vergönnt, auf die Vorlagen des östreichischen Finanzministers Hr. v.
Pierer an den Reichsrath einen Blick zu werfen,, und nachzusehen, in welchen
Beziehungen die Finanzlage in Wien der in Paris ähnlich sieht, und worin
beide sich von einander unterscheiden.

Wie in Frankreich so schließen in Oestreich seit einer Reihe von Jahren
die Staatsrechnungen mit einem Ueberschuß der Ausgaben über die Einnah¬
men, und die Folge ist eine stetige Vermehrung der Staatsschuld. Hier wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/51>, abgerufen am 06.06.2024.