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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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geben hatten, sahen in ihren Volksvertretungen eine Stütze ihrer Souveräne-
tcit gegen Uebergriffe einer Centralgewalt. Der lange Kampf zwischen Absolu¬
tismus im Bunde und Constitutionalismus in den Einzelstaaten ist zu Gun¬
sten des letztern entschieden, der Sieg muß an dem Organe des Bundes sicht¬
bar werde"; eine Versammlung von Abgeordneten neben einem Evnclave von
Gesandten wird daher nicht lange mehr auf sich warten lassen.

Da hiernach die Glieder des deutschen Bundes eine Verbesserung seiner
Verfassung nicht für nothwendig halten, da sie aber gar nicht abgeneigt sind,
an dem Bundestage ein cvnstitutionellcs Exempel zu statuiren, warum sollen
wir anderen, die wir nicht souveräne Fürsten und Bürgermeister freier Städte,
also nicht Glieder des deutschen Bundes sind, ein stärkeres Bedürfniß nach
Bundesreform fühlen, und uns nicht mit der Unterstützung des Bundestags
durch Delegirte deutscher Kammern zufrieden geben?

Haben wir denn, um glücklich zu leben und unter der Obhut unserer
Landesregierungen zu gedeihen, von dem Bundestage mehr zu verlangen, als
daß er aufhöre, uns mit Ausnahmsgesetzen zu belästigen und Verfassungen um¬
zuwerfen? Allem Anscheine nach wird er ähnliches nicht wieder thun, die libe¬
ralen, constitutionellen Regierungen in Berlin und Wien werden es nicht lei¬
den, die bekanntermaßen gleichfalls allzumal liberal gewordenen Minister in den
übrigen Staaten werden ihre Gesandten in Frankfurt ebenfalls instruiren, fortan
nur Gutes zu thun und Böses zu meiden. Wir wollen uns auch nicht das
Armutbszeugniß ausstellen, als ob das Eentralorgan Deutschlands nöthig se>,
um die innere Sicherheit zu wahren, Verletzung der Gesetze, Störung der Ord¬
nung, kommen sie woher sie wollen, zu beseitigen. Es genügt vollständig, daß
derartiges den Regierungen und Ständen, der öffentlichen Meinung und ihren
Kundgebungen überlassen, und daß der gesetzliche Weg keinem Betheiligten ver¬
kümmert oder versperrt werde.

Dem Bundestage bleibt immer noch die schöne Aufgabe, die äußere Sicher¬
heit Deutschlands zu erhalten, und er thut dies, indem er von Zeit zu Zeit
Offiziere entsendet, um die Festungen und die Contingente zu inspiziren, auf
ihre Berichte Gelder für die Unterhaltung der Festungen anweist und die säu¬
migen Regierungen zur Erfüllung ihrer Bundespslicbten auffordert. Alles wei¬
tere, was die, glücklicherweise nur höchst selten bedrohte, Sicherheit Deutschlands
> gegen äußere Angriffe etwa noch erfordern sollte, hängt von Oestreich, Preußen
und -- gestehen wir es nur -- von Baiern ab. Reichen diese sich die Bruder¬
hand, dann ist uns geholfen; thun sie es nicht, so kann der Bundestag uns
auch nicht helfen, und jeder schlägt, schwindelt oder bettelt sich durch, so gut
es eben gehen mag.

Unsere Meinung, daß die Glieder des deutschen Bundes auf eine Ver¬
besserung seiner Verfassung durchaus nicht erpicht seien, wird allerdings durch


geben hatten, sahen in ihren Volksvertretungen eine Stütze ihrer Souveräne-
tcit gegen Uebergriffe einer Centralgewalt. Der lange Kampf zwischen Absolu¬
tismus im Bunde und Constitutionalismus in den Einzelstaaten ist zu Gun¬
sten des letztern entschieden, der Sieg muß an dem Organe des Bundes sicht¬
bar werde»; eine Versammlung von Abgeordneten neben einem Evnclave von
Gesandten wird daher nicht lange mehr auf sich warten lassen.

Da hiernach die Glieder des deutschen Bundes eine Verbesserung seiner
Verfassung nicht für nothwendig halten, da sie aber gar nicht abgeneigt sind,
an dem Bundestage ein cvnstitutionellcs Exempel zu statuiren, warum sollen
wir anderen, die wir nicht souveräne Fürsten und Bürgermeister freier Städte,
also nicht Glieder des deutschen Bundes sind, ein stärkeres Bedürfniß nach
Bundesreform fühlen, und uns nicht mit der Unterstützung des Bundestags
durch Delegirte deutscher Kammern zufrieden geben?

Haben wir denn, um glücklich zu leben und unter der Obhut unserer
Landesregierungen zu gedeihen, von dem Bundestage mehr zu verlangen, als
daß er aufhöre, uns mit Ausnahmsgesetzen zu belästigen und Verfassungen um¬
zuwerfen? Allem Anscheine nach wird er ähnliches nicht wieder thun, die libe¬
ralen, constitutionellen Regierungen in Berlin und Wien werden es nicht lei¬
den, die bekanntermaßen gleichfalls allzumal liberal gewordenen Minister in den
übrigen Staaten werden ihre Gesandten in Frankfurt ebenfalls instruiren, fortan
nur Gutes zu thun und Böses zu meiden. Wir wollen uns auch nicht das
Armutbszeugniß ausstellen, als ob das Eentralorgan Deutschlands nöthig se>,
um die innere Sicherheit zu wahren, Verletzung der Gesetze, Störung der Ord¬
nung, kommen sie woher sie wollen, zu beseitigen. Es genügt vollständig, daß
derartiges den Regierungen und Ständen, der öffentlichen Meinung und ihren
Kundgebungen überlassen, und daß der gesetzliche Weg keinem Betheiligten ver¬
kümmert oder versperrt werde.

Dem Bundestage bleibt immer noch die schöne Aufgabe, die äußere Sicher¬
heit Deutschlands zu erhalten, und er thut dies, indem er von Zeit zu Zeit
Offiziere entsendet, um die Festungen und die Contingente zu inspiziren, auf
ihre Berichte Gelder für die Unterhaltung der Festungen anweist und die säu¬
migen Regierungen zur Erfüllung ihrer Bundespslicbten auffordert. Alles wei¬
tere, was die, glücklicherweise nur höchst selten bedrohte, Sicherheit Deutschlands
> gegen äußere Angriffe etwa noch erfordern sollte, hängt von Oestreich, Preußen
und — gestehen wir es nur — von Baiern ab. Reichen diese sich die Bruder¬
hand, dann ist uns geholfen; thun sie es nicht, so kann der Bundestag uns
auch nicht helfen, und jeder schlägt, schwindelt oder bettelt sich durch, so gut
es eben gehen mag.

Unsere Meinung, daß die Glieder des deutschen Bundes auf eine Ver¬
besserung seiner Verfassung durchaus nicht erpicht seien, wird allerdings durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/22>, abgerufen am 16.06.2024.