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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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ebenso unbekannt, als daß der preußischen Kriegsmarine, mit Einschluß der
Handelsmarine, nicht 16.00V, sondern 23.000 Mann zur Disposition stehen*).

Hr. Harkort befrachtet ferner den Umstand, daß die von der preußischen
Regierung in England gekauften Schiffe vor ihrem Auslaufen einer Repa¬
ratur unterzogen werden sollen, als ein schlechtes Zeugniß für diese Schiffe
und scheint nicht zu wissen, daß schwerlich irgend ein Schiff, welches eine
längere Zeit außer Thätigkeit gewesen ist, ohne Reparatur in Dienst gestellt
werden kann. Dagegen empfiehlt er als Uebungsschiffe für die preußische
Marine ein ehemaliges Postschiff und zwei Dampfaviso's, ja sogar größere
Kanonenboote. Selbst so kleine Nationen wie die dänische haben als Cader-
tenschiffe Fregatten, weil die Eigenthümlichkeiten des höheren Marinedienstes
sich nur auf Schiffen mit gedeckter Batterie lernen lassen und weil eine
Trennung der Cadetten und Matrosen wünschenswerth ist. Für die Aus¬
übung der Schiffsjungen genügen kleinere Fahrzeuge, aber es müssen immer
Schiffe mit der Takelage eines Kriegsschiffes, es können aber nicht Räder¬
dampfschiffe, wie einige der genannten Schiffe sind, dazu gebraucht werden.
Für Hrn. Harkort ist das gleichgültig. Auch die übrigen Techniker der
Marinecommission erklären das sehr motivirte Verlangen der Regierung, daß
ihr 200,000 Thlr. für Uebungsschiffe bewilligt werden, für durchaus unbe¬
gründet, die vorhandenen Schiffe seien ausreichend. Nie würde selbst das
englische Parlament sich darauf einlassen, eine solche thatsächliche Frage zu
entscheiden.

Es versteht sich von selbst, daß bei den übrigen Mitgliedern der Com¬
mission, welche sich auf technische Erörterungen einlassen, eine Sachkenntniß
zu Tage kommt, die der des Herrn Harkort vollkommen gerecht wird. So
scheint z. B. ein Mitglied anzunehmen, daß die englischen Kriegsschiffe bei See¬
assecuranzen versichert werden und weiß, daß man in England im Bau von
Panzerschiffen mit 'großer Vorsicht vorgehe. Er wirft der Marineverwaltung
vor, in England mehre schlechte Schiffskäufe gemacht zu haben, und doch
ist überhaupt nur Ein preußisches Schiff in England gekauft und dieses, die
Thetis, ist von anerkannt ausgezeichneter Beschaffenheit.

Wollten wir die halb wahren und verkehrten Behauptungen, welche nach
dem Berichte der Zeitungen in den Commissionsverhandlungen aufstoßen, hier
aufzählen, so würden wir das Maß dieser Blätter überschreiten. Das Ange¬
führte möge genügen, um zu zeigen, daß das Haus der Abgeordneten keine
Ursache hat, sich aus die Sachkunde seiner Marinecvmmission zu verlassen.



") Uebcrhciupt sind die thatsächlichen Angaben des Herrn Harkort, ungeachtet aller Zuver¬
sicht, mit der sie vorgetragen werden, nicht durchaus zuverlässig. In der obenerwähnten klei¬
nen Schrift finden sich dafür verschiedene Beispiele. So gibt er die Zahl der adligen See¬
offiziere und älteren Cadetten in der preußischen Marine auf 49, statt auf 15 an. Aehnlich
verhält es sich mit anderen Zahlenangaben z. B. bei der oldenburgischen Handelsmarine.

ebenso unbekannt, als daß der preußischen Kriegsmarine, mit Einschluß der
Handelsmarine, nicht 16.00V, sondern 23.000 Mann zur Disposition stehen*).

Hr. Harkort befrachtet ferner den Umstand, daß die von der preußischen
Regierung in England gekauften Schiffe vor ihrem Auslaufen einer Repa¬
ratur unterzogen werden sollen, als ein schlechtes Zeugniß für diese Schiffe
und scheint nicht zu wissen, daß schwerlich irgend ein Schiff, welches eine
längere Zeit außer Thätigkeit gewesen ist, ohne Reparatur in Dienst gestellt
werden kann. Dagegen empfiehlt er als Uebungsschiffe für die preußische
Marine ein ehemaliges Postschiff und zwei Dampfaviso's, ja sogar größere
Kanonenboote. Selbst so kleine Nationen wie die dänische haben als Cader-
tenschiffe Fregatten, weil die Eigenthümlichkeiten des höheren Marinedienstes
sich nur auf Schiffen mit gedeckter Batterie lernen lassen und weil eine
Trennung der Cadetten und Matrosen wünschenswerth ist. Für die Aus¬
übung der Schiffsjungen genügen kleinere Fahrzeuge, aber es müssen immer
Schiffe mit der Takelage eines Kriegsschiffes, es können aber nicht Räder¬
dampfschiffe, wie einige der genannten Schiffe sind, dazu gebraucht werden.
Für Hrn. Harkort ist das gleichgültig. Auch die übrigen Techniker der
Marinecommission erklären das sehr motivirte Verlangen der Regierung, daß
ihr 200,000 Thlr. für Uebungsschiffe bewilligt werden, für durchaus unbe¬
gründet, die vorhandenen Schiffe seien ausreichend. Nie würde selbst das
englische Parlament sich darauf einlassen, eine solche thatsächliche Frage zu
entscheiden.

Es versteht sich von selbst, daß bei den übrigen Mitgliedern der Com¬
mission, welche sich auf technische Erörterungen einlassen, eine Sachkenntniß
zu Tage kommt, die der des Herrn Harkort vollkommen gerecht wird. So
scheint z. B. ein Mitglied anzunehmen, daß die englischen Kriegsschiffe bei See¬
assecuranzen versichert werden und weiß, daß man in England im Bau von
Panzerschiffen mit 'großer Vorsicht vorgehe. Er wirft der Marineverwaltung
vor, in England mehre schlechte Schiffskäufe gemacht zu haben, und doch
ist überhaupt nur Ein preußisches Schiff in England gekauft und dieses, die
Thetis, ist von anerkannt ausgezeichneter Beschaffenheit.

Wollten wir die halb wahren und verkehrten Behauptungen, welche nach
dem Berichte der Zeitungen in den Commissionsverhandlungen aufstoßen, hier
aufzählen, so würden wir das Maß dieser Blätter überschreiten. Das Ange¬
führte möge genügen, um zu zeigen, daß das Haus der Abgeordneten keine
Ursache hat, sich aus die Sachkunde seiner Marinecvmmission zu verlassen.



") Uebcrhciupt sind die thatsächlichen Angaben des Herrn Harkort, ungeachtet aller Zuver¬
sicht, mit der sie vorgetragen werden, nicht durchaus zuverlässig. In der obenerwähnten klei¬
nen Schrift finden sich dafür verschiedene Beispiele. So gibt er die Zahl der adligen See¬
offiziere und älteren Cadetten in der preußischen Marine auf 49, statt auf 15 an. Aehnlich
verhält es sich mit anderen Zahlenangaben z. B. bei der oldenburgischen Handelsmarine.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/415>, abgerufen am 16.06.2024.