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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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zuHeben wären, so die schalkhafte Ermahnung an Hieronymus wegen des neißer
Mädchens (S. 302), die Warnung vor dem leichtfertigen Karneval (S. 307), aber
wir wollen davon abbrechen, schon um den verehrten Herausgeber nicht in den
Verdacht zu bringen, als enthalte die Sammlung ausschließlich derlei pikante
Geschichten, während! doch die Schuld nur an der Ungeschicklichkeit des Refe¬
renten läge, der es nicht verstanden, die mancherlei höchst lesenswerthen mora¬
lischen Excurse so wie die verschiedenen schätzbaren historischen Notizen über die
schlesische und die preußische Geschichte, welche Wattenbach mit- gewohnter
Gründlichkeit in den Anmerkungen illustrirt hat, ins rechte Licht zu setzen.
Nun, einem ernsthafterer Leser wird der kurze Auszug der verschiedenen Stücke
in der Einleitung Gelegenheit bieten, eine bessere Auswahl zu treffen, an dem
schalkhaften Humor, der aus den kurzen Inhaltsangaben manchmal hervorblitzt
wird er hoffentlich keinen Anstoß nehmen. Aber denunciren möchten wir den
Herausgeber doch wegen der gelinden Bosheit, mit der er auf S. XIX der
Einleitung annimmt, die jungen Kleriker hätten am liebsten von dem alten
Herrn Geschichten erzählen gehört, wie die drei auf 134 --137 der Handschrift
enthaltenen, welche aber in der gedruckten Sammlung wohlweislich weggelassen
sind. Nun wir wollen es auch Niemandem ausplaudern, was das Phantasma
der Frau des Ritters vorgespiegelt hat. Und nun zum Schlüsse noch die
kleine Notiz, daß unter den vielen Johannes, welche dem Herausgeber bei
dieser großen Arbeit durch die Hände gegangen find, sich einmal (S. 310)
auch der Apostel Johannes unter die breslauer Domherrn verirrt hat, denn
daß dort wirklich von dem Apostel die Rede ist, zeigt die Vergleichung mit
S. 316 unzweideutig.

Uns aber wird man verzeihen, wenn wir bei dieser Anzeige nur eine
Seite besonders hervorgehoben haben. Wir meinten, die kleinen historischen,
Bausteine dem Fleiße der Historiker überlassen zu dürfen, und daß wer theo¬
logische oder moralische Auseinandersetzungen suche, reiche Auswahl im Mittel-
alter an vielen Orten vorräthig fände ; aber wohl ist der Humor in jener Zeit
eine seltnere Pflanze, und so haben wir denn auf diese originellen Aeußerungen
einer im Grunde heiteren Lebensanschauung aus jener dunkeln Zeit vorzugs¬
weise die Aufmerksamkeit richten zu müssen geglaubt.




zuHeben wären, so die schalkhafte Ermahnung an Hieronymus wegen des neißer
Mädchens (S. 302), die Warnung vor dem leichtfertigen Karneval (S. 307), aber
wir wollen davon abbrechen, schon um den verehrten Herausgeber nicht in den
Verdacht zu bringen, als enthalte die Sammlung ausschließlich derlei pikante
Geschichten, während! doch die Schuld nur an der Ungeschicklichkeit des Refe¬
renten läge, der es nicht verstanden, die mancherlei höchst lesenswerthen mora¬
lischen Excurse so wie die verschiedenen schätzbaren historischen Notizen über die
schlesische und die preußische Geschichte, welche Wattenbach mit- gewohnter
Gründlichkeit in den Anmerkungen illustrirt hat, ins rechte Licht zu setzen.
Nun, einem ernsthafterer Leser wird der kurze Auszug der verschiedenen Stücke
in der Einleitung Gelegenheit bieten, eine bessere Auswahl zu treffen, an dem
schalkhaften Humor, der aus den kurzen Inhaltsangaben manchmal hervorblitzt
wird er hoffentlich keinen Anstoß nehmen. Aber denunciren möchten wir den
Herausgeber doch wegen der gelinden Bosheit, mit der er auf S. XIX der
Einleitung annimmt, die jungen Kleriker hätten am liebsten von dem alten
Herrn Geschichten erzählen gehört, wie die drei auf 134 —137 der Handschrift
enthaltenen, welche aber in der gedruckten Sammlung wohlweislich weggelassen
sind. Nun wir wollen es auch Niemandem ausplaudern, was das Phantasma
der Frau des Ritters vorgespiegelt hat. Und nun zum Schlüsse noch die
kleine Notiz, daß unter den vielen Johannes, welche dem Herausgeber bei
dieser großen Arbeit durch die Hände gegangen find, sich einmal (S. 310)
auch der Apostel Johannes unter die breslauer Domherrn verirrt hat, denn
daß dort wirklich von dem Apostel die Rede ist, zeigt die Vergleichung mit
S. 316 unzweideutig.

Uns aber wird man verzeihen, wenn wir bei dieser Anzeige nur eine
Seite besonders hervorgehoben haben. Wir meinten, die kleinen historischen,
Bausteine dem Fleiße der Historiker überlassen zu dürfen, und daß wer theo¬
logische oder moralische Auseinandersetzungen suche, reiche Auswahl im Mittel-
alter an vielen Orten vorräthig fände ; aber wohl ist der Humor in jener Zeit
eine seltnere Pflanze, und so haben wir denn auf diese originellen Aeußerungen
einer im Grunde heiteren Lebensanschauung aus jener dunkeln Zeit vorzugs¬
weise die Aufmerksamkeit richten zu müssen geglaubt.




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[0116] zuHeben wären, so die schalkhafte Ermahnung an Hieronymus wegen des neißer Mädchens (S. 302), die Warnung vor dem leichtfertigen Karneval (S. 307), aber wir wollen davon abbrechen, schon um den verehrten Herausgeber nicht in den Verdacht zu bringen, als enthalte die Sammlung ausschließlich derlei pikante Geschichten, während! doch die Schuld nur an der Ungeschicklichkeit des Refe¬ renten läge, der es nicht verstanden, die mancherlei höchst lesenswerthen mora¬ lischen Excurse so wie die verschiedenen schätzbaren historischen Notizen über die schlesische und die preußische Geschichte, welche Wattenbach mit- gewohnter Gründlichkeit in den Anmerkungen illustrirt hat, ins rechte Licht zu setzen. Nun, einem ernsthafterer Leser wird der kurze Auszug der verschiedenen Stücke in der Einleitung Gelegenheit bieten, eine bessere Auswahl zu treffen, an dem schalkhaften Humor, der aus den kurzen Inhaltsangaben manchmal hervorblitzt wird er hoffentlich keinen Anstoß nehmen. Aber denunciren möchten wir den Herausgeber doch wegen der gelinden Bosheit, mit der er auf S. XIX der Einleitung annimmt, die jungen Kleriker hätten am liebsten von dem alten Herrn Geschichten erzählen gehört, wie die drei auf 134 —137 der Handschrift enthaltenen, welche aber in der gedruckten Sammlung wohlweislich weggelassen sind. Nun wir wollen es auch Niemandem ausplaudern, was das Phantasma der Frau des Ritters vorgespiegelt hat. Und nun zum Schlüsse noch die kleine Notiz, daß unter den vielen Johannes, welche dem Herausgeber bei dieser großen Arbeit durch die Hände gegangen find, sich einmal (S. 310) auch der Apostel Johannes unter die breslauer Domherrn verirrt hat, denn daß dort wirklich von dem Apostel die Rede ist, zeigt die Vergleichung mit S. 316 unzweideutig. Uns aber wird man verzeihen, wenn wir bei dieser Anzeige nur eine Seite besonders hervorgehoben haben. Wir meinten, die kleinen historischen, Bausteine dem Fleiße der Historiker überlassen zu dürfen, und daß wer theo¬ logische oder moralische Auseinandersetzungen suche, reiche Auswahl im Mittel- alter an vielen Orten vorräthig fände ; aber wohl ist der Humor in jener Zeit eine seltnere Pflanze, und so haben wir denn auf diese originellen Aeußerungen einer im Grunde heiteren Lebensanschauung aus jener dunkeln Zeit vorzugs¬ weise die Aufmerksamkeit richten zu müssen geglaubt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/116>, abgerufen am 15.05.2024.