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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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meinem Verlangen zu willfahren vor. Ich werde als westphälischer Unterthan,
der noch conscriptionspflichtig sei, verfolgt. Indessen werde seine Regierung
gewiß das Möglichste thun, um mich zu schützen; ich möchte nur getrost in mein
Gefängniß zurückkehren, und was dergleichen Redensarten mehr waren. Nun
begannen die Verhöre vor den westphälischen Behörden. Ich erfuhr, daß ich
unter der Anklage stehe, die Waffen gegen mein Vaterland getragen zu haben.
. Man hielt mir vor, daß ich bei Schilt gewesen, daß ich in Prag mit Stein
und Grüner verkehrt, daß ich gekommen, um bei der Organisirung eines Auf¬
standes zu helfen et enden, pu'on savait quo Wut ve <zus je taisais le
taisais xar Kaiiuz eoirtre les ?rimtzg,i8 et 1e Aouveruemeut vseKtMalieu,
comitis tout e<Z8 Nessieurs ac ^uAsuäduuä. Ich läugnete entschieden, mit
dem Tugendbund in irgendwelcher Verbindung zu stehen und mit vollem Recht;
ich wußte kaum von der Existenz des Vereins. Mein Läugnen half mir zwar
nichts, aber andrerseits waren auch die Beweise gegen mich nicht stark. Kein
Brief, kein Stück Papier wollte mich verrathen, selbst für meine kurze Theil¬
nahme an Schills Zug war kein juristisch gültiger Beweis beizubringen. Der
Conscription aber mich entzogen zu haben, war kein todeswürdiges Verbrechen.
Ueberdies konnte ich behaupten, daß man mich, der schon Offizier gewesen,
nicht mehr als Gemeinen habe ausheben dürfen. Man könne mich höchstens
zwingen wollen, als Offizier Dienste zu nehmen, und für diesen Fall sei ich
Offizier einer befreundeten Macht. Kurz General Bongard, der Polizeiminister,
der mich selbst verhörte, sah sich schließlich genöthigt, von der Behauptung, daß
ich die Waffen gegen mein Vaterland getragen habe, abzustehen, und ebenso
wenig überführte er mich, daß ich sie gegen dasselbe habe tragen wollen. Ich
meinte sogar, nicht Westphalen, sondern Preußen sei mein Vaterland, und als
er unerhört fand, ihm das ins Gesicht zu sagen, rechtfertigte ich meine An¬
schauung damit, daß ich ihm, dem alten Emigranten, der in der condöschen Armee
gedient, erwiderte: Excellenz haben durch Ihr früheres Leben selbst bewiesen.
Wie schwer es ist, sich von angestammter Anhänglichkeit zu trennen. ^.K,
e'est, bien äiWrent, entgegnete er, mais la-issous cela,, und damit hatten die
Verhöre ein Ende.

Frei aber wurde ich deshalb nicht. Vergeblich wartete ich monatelang auf
eine Entscheidung. Zuletzt hieß es auf wiederholtes Drängen, es handle sich
nur um eine assure us rMeautivu, und als ich dann, im Frühjahr 1813 fragte,
wie lange man diese Vorsichtsmaßregel für nöthig halte, antwortete man ganz
naiv: ^usgu' s, 1a den 6e 1ä guorrs. Die östreichische Gesandtschaft ließ nichts
von sich hören. Meine Hast war so streng, daß von der ungeheuern Katastrophe
in Rußland erst im Februar eine schwache Kunde zu mir drang. Die In¬
sinuation, mich dadurch zu befreien, daß ich mich erbot, westphälische Dienste
zu nehmen, wies ich stets von mir, und so blieb es beim Alten.


meinem Verlangen zu willfahren vor. Ich werde als westphälischer Unterthan,
der noch conscriptionspflichtig sei, verfolgt. Indessen werde seine Regierung
gewiß das Möglichste thun, um mich zu schützen; ich möchte nur getrost in mein
Gefängniß zurückkehren, und was dergleichen Redensarten mehr waren. Nun
begannen die Verhöre vor den westphälischen Behörden. Ich erfuhr, daß ich
unter der Anklage stehe, die Waffen gegen mein Vaterland getragen zu haben.
. Man hielt mir vor, daß ich bei Schilt gewesen, daß ich in Prag mit Stein
und Grüner verkehrt, daß ich gekommen, um bei der Organisirung eines Auf¬
standes zu helfen et enden, pu'on savait quo Wut ve <zus je taisais le
taisais xar Kaiiuz eoirtre les ?rimtzg,i8 et 1e Aouveruemeut vseKtMalieu,
comitis tout e<Z8 Nessieurs ac ^uAsuäduuä. Ich läugnete entschieden, mit
dem Tugendbund in irgendwelcher Verbindung zu stehen und mit vollem Recht;
ich wußte kaum von der Existenz des Vereins. Mein Läugnen half mir zwar
nichts, aber andrerseits waren auch die Beweise gegen mich nicht stark. Kein
Brief, kein Stück Papier wollte mich verrathen, selbst für meine kurze Theil¬
nahme an Schills Zug war kein juristisch gültiger Beweis beizubringen. Der
Conscription aber mich entzogen zu haben, war kein todeswürdiges Verbrechen.
Ueberdies konnte ich behaupten, daß man mich, der schon Offizier gewesen,
nicht mehr als Gemeinen habe ausheben dürfen. Man könne mich höchstens
zwingen wollen, als Offizier Dienste zu nehmen, und für diesen Fall sei ich
Offizier einer befreundeten Macht. Kurz General Bongard, der Polizeiminister,
der mich selbst verhörte, sah sich schließlich genöthigt, von der Behauptung, daß
ich die Waffen gegen mein Vaterland getragen habe, abzustehen, und ebenso
wenig überführte er mich, daß ich sie gegen dasselbe habe tragen wollen. Ich
meinte sogar, nicht Westphalen, sondern Preußen sei mein Vaterland, und als
er unerhört fand, ihm das ins Gesicht zu sagen, rechtfertigte ich meine An¬
schauung damit, daß ich ihm, dem alten Emigranten, der in der condöschen Armee
gedient, erwiderte: Excellenz haben durch Ihr früheres Leben selbst bewiesen.
Wie schwer es ist, sich von angestammter Anhänglichkeit zu trennen. ^.K,
e'est, bien äiWrent, entgegnete er, mais la-issous cela,, und damit hatten die
Verhöre ein Ende.

Frei aber wurde ich deshalb nicht. Vergeblich wartete ich monatelang auf
eine Entscheidung. Zuletzt hieß es auf wiederholtes Drängen, es handle sich
nur um eine assure us rMeautivu, und als ich dann, im Frühjahr 1813 fragte,
wie lange man diese Vorsichtsmaßregel für nöthig halte, antwortete man ganz
naiv: ^usgu' s, 1a den 6e 1ä guorrs. Die östreichische Gesandtschaft ließ nichts
von sich hören. Meine Hast war so streng, daß von der ungeheuern Katastrophe
in Rußland erst im Februar eine schwache Kunde zu mir drang. Die In¬
sinuation, mich dadurch zu befreien, daß ich mich erbot, westphälische Dienste
zu nehmen, wies ich stets von mir, und so blieb es beim Alten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/138>, abgerufen am 30.05.2024.