Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Glück wollte uns wohl, indem es uns gleich nach unsrer' Landung mit
dem Höchstcommandirenden bekannt machte, obwohl die Art und Weise dieser
Introduction nicht viel Empfehlendes für ihn hatte. -- Wie schon im
Anfang erwähnt, war die Stimmung des Nordens sehr gegen General Sher-
mcm, da er durchaus nicht den Erwartungen entsprochen hatte, welche man
auf seine Expedition gesetzt. Man schrieb seine Unthätigkeit und Unschlüssig¬
keit indeß mehr seiner durch körperliche Leiden temporär gedrückten Stimmung,
als eigentlicher Unfähigkeit zu und wartete immer noch auf einen Tchlag.
welcher die gute Meinung, die man früher von seiner Willenskraft und sei¬
nen Fähigkeiten gehabt hatte, in wtegrum restituiren sollte. Daß dies nicht
unmöglich gewesen wäre, zeigen die guten Dienste, welche er in neuester Zeit
im Westen geleistet hat; weshalb es aber nicbt geschah, wird nachstehende Anek¬
dote genügend erklären. -- Wir mochten uns kaum zedn Minuten im Bureau
des Quartiermeisters aufgehalten haben, als die Thür heftig aufgerissen wurde
und General Sherman mit geröthetem Gesicht und offenbar in großer Auf¬
regung hastigen Schrittes eintrat. Sein ganzes Aeußere ließ darauf schließen,
daß er trotz des frühen Morgens, wahrscheinlich des Staubes wegen, eine
nicht unbedeutende Dosis gebrannten Wassers zu sich genommen hatte"). Ohne
zu grüßen schritt er bis mitten ins Zimmer und rief: "Capitain Saxtvn, wer
hat Ihnen Autorität zur Ausführung der und der Ordre gegeben?"-- Capitain
Saxton, weicher an seinem Schreibtisch saß, und den Zustand des Generals
wahrscheinlich an der Stimme erkannt hatte, rief seinen ersten Commis und
ersuchte ihn, an einem bestimmten Orte nach der betreffenden Ordre zu sehen
und dieselbe ihm einzuhändigen. Dies geschah und Capt. Saxton fragte, indem
er das Instrument, mit größter Höflichkeit präsentirte, den General: "Erinnern
Sie sich nicht, diese Ordre gezeichnet zu haben, General?" -- "I'it lxz clamrieä 1t'
I <lo," war die Antwort. "I must Ka-of dem eitliM äruick or era^, wlieir
I LiMvä eine orärs." -- Niemand wird diese Aeußerung sehr militärisch oder
sehr geeignet finden, den nöthigen Respect der Untergebenen gegen den Höchst¬
commandirenden zu erhöhen. Uns brachte die Scene zu der Ueberzeugung, daß
Sherman das Opfer einer Schwäche geworden war, welche schon größere Leute



") Leider war die Trunksucht bisher eine große Schwäche unter den Offizieren der Armee
und hat zu manchem Unglück Veranlassung gegeben. Man wird sich erinnern, daß Col. Mi-
les bei der ersten Schlacht von Bull Rum se' betrunken war, daß er vergaß, die Reserve zum
Avanciren zu beordern, General Blenker gebührt jedenfalls das Verdienst, daß er auf eigne
Verantwortung mit derselben vorrückte und hierdurch der Bundcsarmce große Verluste ersparte.
Derselbe Miles ließ vor einigen Wochen, wahrscheinlich in demselben Zustande, 5000 Mann
bei Harpers-Ferry gefangen nehmen, bei welcher Affaire er jedoch dem Vaterlande den wesent-
lichen Dienst leistete, sich todtschicfien zu lassen. In neuerer Zeit fleht man streng ans Nüch¬
ternheit im Bundesheerc. --

Das Glück wollte uns wohl, indem es uns gleich nach unsrer' Landung mit
dem Höchstcommandirenden bekannt machte, obwohl die Art und Weise dieser
Introduction nicht viel Empfehlendes für ihn hatte. — Wie schon im
Anfang erwähnt, war die Stimmung des Nordens sehr gegen General Sher-
mcm, da er durchaus nicht den Erwartungen entsprochen hatte, welche man
auf seine Expedition gesetzt. Man schrieb seine Unthätigkeit und Unschlüssig¬
keit indeß mehr seiner durch körperliche Leiden temporär gedrückten Stimmung,
als eigentlicher Unfähigkeit zu und wartete immer noch auf einen Tchlag.
welcher die gute Meinung, die man früher von seiner Willenskraft und sei¬
nen Fähigkeiten gehabt hatte, in wtegrum restituiren sollte. Daß dies nicht
unmöglich gewesen wäre, zeigen die guten Dienste, welche er in neuester Zeit
im Westen geleistet hat; weshalb es aber nicbt geschah, wird nachstehende Anek¬
dote genügend erklären. — Wir mochten uns kaum zedn Minuten im Bureau
des Quartiermeisters aufgehalten haben, als die Thür heftig aufgerissen wurde
und General Sherman mit geröthetem Gesicht und offenbar in großer Auf¬
regung hastigen Schrittes eintrat. Sein ganzes Aeußere ließ darauf schließen,
daß er trotz des frühen Morgens, wahrscheinlich des Staubes wegen, eine
nicht unbedeutende Dosis gebrannten Wassers zu sich genommen hatte"). Ohne
zu grüßen schritt er bis mitten ins Zimmer und rief: „Capitain Saxtvn, wer
hat Ihnen Autorität zur Ausführung der und der Ordre gegeben?"— Capitain
Saxton, weicher an seinem Schreibtisch saß, und den Zustand des Generals
wahrscheinlich an der Stimme erkannt hatte, rief seinen ersten Commis und
ersuchte ihn, an einem bestimmten Orte nach der betreffenden Ordre zu sehen
und dieselbe ihm einzuhändigen. Dies geschah und Capt. Saxton fragte, indem
er das Instrument, mit größter Höflichkeit präsentirte, den General: „Erinnern
Sie sich nicht, diese Ordre gezeichnet zu haben, General?" — „I'it lxz clamrieä 1t'
I <lo," war die Antwort. „I must Ka-of dem eitliM äruick or era^, wlieir
I LiMvä eine orärs." — Niemand wird diese Aeußerung sehr militärisch oder
sehr geeignet finden, den nöthigen Respect der Untergebenen gegen den Höchst¬
commandirenden zu erhöhen. Uns brachte die Scene zu der Ueberzeugung, daß
Sherman das Opfer einer Schwäche geworden war, welche schon größere Leute



") Leider war die Trunksucht bisher eine große Schwäche unter den Offizieren der Armee
und hat zu manchem Unglück Veranlassung gegeben. Man wird sich erinnern, daß Col. Mi-
les bei der ersten Schlacht von Bull Rum se' betrunken war, daß er vergaß, die Reserve zum
Avanciren zu beordern, General Blenker gebührt jedenfalls das Verdienst, daß er auf eigne
Verantwortung mit derselben vorrückte und hierdurch der Bundcsarmce große Verluste ersparte.
Derselbe Miles ließ vor einigen Wochen, wahrscheinlich in demselben Zustande, 5000 Mann
bei Harpers-Ferry gefangen nehmen, bei welcher Affaire er jedoch dem Vaterlande den wesent-
lichen Dienst leistete, sich todtschicfien zu lassen. In neuerer Zeit fleht man streng ans Nüch¬
ternheit im Bundesheerc. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0159" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115015"/>
          <p xml:id="ID_504" prev="#ID_503" next="#ID_505"> Das Glück wollte uns wohl, indem es uns gleich nach unsrer' Landung mit<lb/>
dem Höchstcommandirenden bekannt machte, obwohl die Art und Weise dieser<lb/>
Introduction nicht viel Empfehlendes für ihn hatte. &#x2014; Wie schon im<lb/>
Anfang erwähnt, war die Stimmung des Nordens sehr gegen General Sher-<lb/>
mcm, da er durchaus nicht den Erwartungen entsprochen hatte, welche man<lb/>
auf seine Expedition gesetzt. Man schrieb seine Unthätigkeit und Unschlüssig¬<lb/>
keit indeß mehr seiner durch körperliche Leiden temporär gedrückten Stimmung,<lb/>
als eigentlicher Unfähigkeit zu und wartete immer noch auf einen Tchlag.<lb/>
welcher die gute Meinung, die man früher von seiner Willenskraft und sei¬<lb/>
nen Fähigkeiten gehabt hatte, in wtegrum restituiren sollte. Daß dies nicht<lb/>
unmöglich gewesen wäre, zeigen die guten Dienste, welche er in neuester Zeit<lb/>
im Westen geleistet hat; weshalb es aber nicbt geschah, wird nachstehende Anek¬<lb/>
dote genügend erklären. &#x2014; Wir mochten uns kaum zedn Minuten im Bureau<lb/>
des Quartiermeisters aufgehalten haben, als die Thür heftig aufgerissen wurde<lb/>
und General Sherman mit geröthetem Gesicht und offenbar in großer Auf¬<lb/>
regung hastigen Schrittes eintrat. Sein ganzes Aeußere ließ darauf schließen,<lb/>
daß er trotz des frühen Morgens, wahrscheinlich des Staubes wegen, eine<lb/>
nicht unbedeutende Dosis gebrannten Wassers zu sich genommen hatte"). Ohne<lb/>
zu grüßen schritt er bis mitten ins Zimmer und rief: &#x201E;Capitain Saxtvn, wer<lb/>
hat Ihnen Autorität zur Ausführung der und der Ordre gegeben?"&#x2014; Capitain<lb/>
Saxton, weicher an seinem Schreibtisch saß, und den Zustand des Generals<lb/>
wahrscheinlich an der Stimme erkannt hatte, rief seinen ersten Commis und<lb/>
ersuchte ihn, an einem bestimmten Orte nach der betreffenden Ordre zu sehen<lb/>
und dieselbe ihm einzuhändigen. Dies geschah und Capt. Saxton fragte, indem<lb/>
er das Instrument, mit größter Höflichkeit präsentirte, den General: &#x201E;Erinnern<lb/>
Sie sich nicht, diese Ordre gezeichnet zu haben, General?" &#x2014; &#x201E;I'it lxz clamrieä 1t'<lb/>
I &lt;lo," war die Antwort. &#x201E;I must Ka-of dem eitliM äruick or era^, wlieir<lb/>
I LiMvä eine orärs." &#x2014; Niemand wird diese Aeußerung sehr militärisch oder<lb/>
sehr geeignet finden, den nöthigen Respect der Untergebenen gegen den Höchst¬<lb/>
commandirenden zu erhöhen. Uns brachte die Scene zu der Ueberzeugung, daß<lb/>
Sherman das Opfer einer Schwäche geworden war, welche schon größere Leute</p><lb/>
          <note xml:id="FID_22" place="foot"> ") Leider war die Trunksucht bisher eine große Schwäche unter den Offizieren der Armee<lb/>
und hat zu manchem Unglück Veranlassung gegeben. Man wird sich erinnern, daß Col. Mi-<lb/>
les bei der ersten Schlacht von Bull Rum se' betrunken war, daß er vergaß, die Reserve zum<lb/>
Avanciren zu beordern, General Blenker gebührt jedenfalls das Verdienst, daß er auf eigne<lb/>
Verantwortung mit derselben vorrückte und hierdurch der Bundcsarmce große Verluste ersparte.<lb/>
Derselbe Miles ließ vor einigen Wochen, wahrscheinlich in demselben Zustande, 5000 Mann<lb/>
bei Harpers-Ferry gefangen nehmen, bei welcher Affaire er jedoch dem Vaterlande den wesent-<lb/>
lichen Dienst leistete, sich todtschicfien zu lassen. In neuerer Zeit fleht man streng ans Nüch¬<lb/>
ternheit im Bundesheerc. &#x2014;</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0159] Das Glück wollte uns wohl, indem es uns gleich nach unsrer' Landung mit dem Höchstcommandirenden bekannt machte, obwohl die Art und Weise dieser Introduction nicht viel Empfehlendes für ihn hatte. — Wie schon im Anfang erwähnt, war die Stimmung des Nordens sehr gegen General Sher- mcm, da er durchaus nicht den Erwartungen entsprochen hatte, welche man auf seine Expedition gesetzt. Man schrieb seine Unthätigkeit und Unschlüssig¬ keit indeß mehr seiner durch körperliche Leiden temporär gedrückten Stimmung, als eigentlicher Unfähigkeit zu und wartete immer noch auf einen Tchlag. welcher die gute Meinung, die man früher von seiner Willenskraft und sei¬ nen Fähigkeiten gehabt hatte, in wtegrum restituiren sollte. Daß dies nicht unmöglich gewesen wäre, zeigen die guten Dienste, welche er in neuester Zeit im Westen geleistet hat; weshalb es aber nicbt geschah, wird nachstehende Anek¬ dote genügend erklären. — Wir mochten uns kaum zedn Minuten im Bureau des Quartiermeisters aufgehalten haben, als die Thür heftig aufgerissen wurde und General Sherman mit geröthetem Gesicht und offenbar in großer Auf¬ regung hastigen Schrittes eintrat. Sein ganzes Aeußere ließ darauf schließen, daß er trotz des frühen Morgens, wahrscheinlich des Staubes wegen, eine nicht unbedeutende Dosis gebrannten Wassers zu sich genommen hatte"). Ohne zu grüßen schritt er bis mitten ins Zimmer und rief: „Capitain Saxtvn, wer hat Ihnen Autorität zur Ausführung der und der Ordre gegeben?"— Capitain Saxton, weicher an seinem Schreibtisch saß, und den Zustand des Generals wahrscheinlich an der Stimme erkannt hatte, rief seinen ersten Commis und ersuchte ihn, an einem bestimmten Orte nach der betreffenden Ordre zu sehen und dieselbe ihm einzuhändigen. Dies geschah und Capt. Saxton fragte, indem er das Instrument, mit größter Höflichkeit präsentirte, den General: „Erinnern Sie sich nicht, diese Ordre gezeichnet zu haben, General?" — „I'it lxz clamrieä 1t' I <lo," war die Antwort. „I must Ka-of dem eitliM äruick or era^, wlieir I LiMvä eine orärs." — Niemand wird diese Aeußerung sehr militärisch oder sehr geeignet finden, den nöthigen Respect der Untergebenen gegen den Höchst¬ commandirenden zu erhöhen. Uns brachte die Scene zu der Ueberzeugung, daß Sherman das Opfer einer Schwäche geworden war, welche schon größere Leute ") Leider war die Trunksucht bisher eine große Schwäche unter den Offizieren der Armee und hat zu manchem Unglück Veranlassung gegeben. Man wird sich erinnern, daß Col. Mi- les bei der ersten Schlacht von Bull Rum se' betrunken war, daß er vergaß, die Reserve zum Avanciren zu beordern, General Blenker gebührt jedenfalls das Verdienst, daß er auf eigne Verantwortung mit derselben vorrückte und hierdurch der Bundcsarmce große Verluste ersparte. Derselbe Miles ließ vor einigen Wochen, wahrscheinlich in demselben Zustande, 5000 Mann bei Harpers-Ferry gefangen nehmen, bei welcher Affaire er jedoch dem Vaterlande den wesent- lichen Dienst leistete, sich todtschicfien zu lassen. In neuerer Zeit fleht man streng ans Nüch¬ ternheit im Bundesheerc. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/159
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/159>, abgerufen am 28.05.2024.