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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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als ihn ins Verderben gebracht hat. Er hatte die Selbständigkeit, welche sein
abgeschlossenes Commando bedingte, nicht ertragen können, war der natürlichen
Neigung des Menschen zum Despotismus verfallen und hatte seine Launen an
die Stelle seines Urtheils treten lassen. Das Klima, welches durchaus einen
Stimulus für den Organismus nothwendig macht, da es eine verminderte Leber¬
thätigkeit bedingt, trug natürlich dazu bei. diese Launenhaftigkeit zu einem krank¬
haften Grade zu steigern und Gen. Sherman während seines Aufenthaltes auf
der südlichen Station in strategischer Beziehung fast gänzlich unbrauchbar zu machen.
Ich habe eine ähnliche Umwandlung durch ähnliche Verhältnisse bei mehr als einem
Offizier im Bundcsheere verfolgt. -- Jedenfalls schien uns die Stimmung, in
welcher sich der General befand, nicht sehr zu unsrer Introduction geeignet, und
wir beschlossen, lieber auf eine günstigere Stunde zu warten. Da einstweilen der
Wind nachgelassen hatte, sahen wir uns ein wenig auf der Jnseb um, und
unsre Aufmerksamkeit wurde besonders durch eine vereinzelte Baumgruppe an¬
gezogen, welche in der Nähe des Hauptquartieres von den Aexten der Pionniere
verschont geblieben war. Es war ein trauriges Plätzchen am Rande eines
Sumpfes und die Bäume selbst machten in ihrer Verlassenheit einen traurigen
Eindruck; ich stolperte über ein Stück Holz, als ich mich durch das Untergebüsch
durchgearbeitet hatte und meinen Fuß auf den freieren Platz im Innern der
Gruppe setzen wollte -- es war ein Kreuz, das eine freundliche Hand auf den
niedrigen Grabhügel eines Gefallenen gesetzt hatte, und dieses Kreuz trug in
ungewissen Lettern einen deutschen Namen. Als wir um uns schauten. fanden
wir mehr solche Grabhügel und mehr Kreuze; wir befanden uns auf einem
Kirchhof, auf der letzten Ruhestätte derer, welche hier fremd in fremder Erde
eingescharrt worden waren. Nichts unterbrach an dieser Stätte das Schauer¬
liche des Vernichtungsgedankens. Der düstre Sumpf, welcher sich an der
einen Seite ausbreitete, das schwerfällige Laub der Pinie, die kahlen Stämme
der Palmetto's, welche theilweise verkohlt waren, die sichtbare Vernachlässigung,
welche sich überall bemerkbar machte, hätte Virgil ein passendes Modell zum
Eingang in die Unterwelt geboten, und der trostlose Eindruck des Ganzen rief
mir lebhaft den Ausspruch Aedilis ins Gedächtniß zurück: "Ich will doch
lieber als der geringste Knecht des geringsten Mannes auf der Oberwelt
wandeln, als hier unten alle die Schatten der Todten beherrschen." --

. (Fortsetzung folgt.)




als ihn ins Verderben gebracht hat. Er hatte die Selbständigkeit, welche sein
abgeschlossenes Commando bedingte, nicht ertragen können, war der natürlichen
Neigung des Menschen zum Despotismus verfallen und hatte seine Launen an
die Stelle seines Urtheils treten lassen. Das Klima, welches durchaus einen
Stimulus für den Organismus nothwendig macht, da es eine verminderte Leber¬
thätigkeit bedingt, trug natürlich dazu bei. diese Launenhaftigkeit zu einem krank¬
haften Grade zu steigern und Gen. Sherman während seines Aufenthaltes auf
der südlichen Station in strategischer Beziehung fast gänzlich unbrauchbar zu machen.
Ich habe eine ähnliche Umwandlung durch ähnliche Verhältnisse bei mehr als einem
Offizier im Bundcsheere verfolgt. — Jedenfalls schien uns die Stimmung, in
welcher sich der General befand, nicht sehr zu unsrer Introduction geeignet, und
wir beschlossen, lieber auf eine günstigere Stunde zu warten. Da einstweilen der
Wind nachgelassen hatte, sahen wir uns ein wenig auf der Jnseb um, und
unsre Aufmerksamkeit wurde besonders durch eine vereinzelte Baumgruppe an¬
gezogen, welche in der Nähe des Hauptquartieres von den Aexten der Pionniere
verschont geblieben war. Es war ein trauriges Plätzchen am Rande eines
Sumpfes und die Bäume selbst machten in ihrer Verlassenheit einen traurigen
Eindruck; ich stolperte über ein Stück Holz, als ich mich durch das Untergebüsch
durchgearbeitet hatte und meinen Fuß auf den freieren Platz im Innern der
Gruppe setzen wollte — es war ein Kreuz, das eine freundliche Hand auf den
niedrigen Grabhügel eines Gefallenen gesetzt hatte, und dieses Kreuz trug in
ungewissen Lettern einen deutschen Namen. Als wir um uns schauten. fanden
wir mehr solche Grabhügel und mehr Kreuze; wir befanden uns auf einem
Kirchhof, auf der letzten Ruhestätte derer, welche hier fremd in fremder Erde
eingescharrt worden waren. Nichts unterbrach an dieser Stätte das Schauer¬
liche des Vernichtungsgedankens. Der düstre Sumpf, welcher sich an der
einen Seite ausbreitete, das schwerfällige Laub der Pinie, die kahlen Stämme
der Palmetto's, welche theilweise verkohlt waren, die sichtbare Vernachlässigung,
welche sich überall bemerkbar machte, hätte Virgil ein passendes Modell zum
Eingang in die Unterwelt geboten, und der trostlose Eindruck des Ganzen rief
mir lebhaft den Ausspruch Aedilis ins Gedächtniß zurück: „Ich will doch
lieber als der geringste Knecht des geringsten Mannes auf der Oberwelt
wandeln, als hier unten alle die Schatten der Todten beherrschen." —

. (Fortsetzung folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/160>, abgerufen am 14.05.2024.