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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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der Weimarer Tag aufs Beste gewirkt. Die gehobene Stimmung, welche die
schwäbischen Theilnehmer mitgebracht, die Ueberzeugung, daß dort wirklich die
Nation selbst in ihren vorwärtstreibenden Elementen vertreten war / hat sich
weiteren Kreisen mitgetheilt, die bloße Thatsache, daß in dem Institut des Ab-
gcordnetentags ein gemeinsames Organ der deutschen Lcmdesvcrtretungen,
wenn auch ohne officielles Mandat und ohne gesetzmäßige Competenz. geschaffen
wurde, ist als ein erfreulicher Fortschritt empfunden worden; je bescheidner
die Hoffnungen gewesen waren, mit welchen man nach Weimar sah, um so
weniger wurden sie getäuscht, und man ersah nicht ohne Befriedigung, daß die
wesentlichen Beschlüsse ganz im Sinne der schwäbischen Fortschrittspartei gefaßt
wurden. Fast nur allzusehr -- wir meinen die Resolution in der Zollvereins¬
frage. So sehr es auch hier anerkannt wird, daß wesentlich aus Schonung für
Süddeutschland eine eingehende Debatte vermieden und ein ziemlich farbloser
Compromiß beschlossen wurde, so verhehlt man sich doch nicht, daß ein ent¬
schiedenes Votum des Abgeordnetentags zur Befestigung der dem handelspoliti¬
schen Fortschritt zugeneigten Anschauung hätte beitragen müssen. Es wäre in
Weimar selbst auf eclatante Weise zu Tage getreten, daß in dieser Frage am
wenigsten die schwäbischen Abgeordneten eine landsmannschaftlich geschlossene
Opposition bildeten, und daß gerade namhafte Politiker weit entfernt sind von
der Befangenheit, mit welcher die Frage allerdings vorherrschend in Süddeutsch¬
land behandelt wird. Glücklicher Weise mehren sich, je näher die Krisis tritt, in
Schwaben selbst die Anzeichen einer allmäligen Klärung der Ansichten. Die
Ueberzeugung, daß der Zollverein um jeden Preis, auch um den des Handels¬
vertrags erhalten werden muß, wagt sich offener in der Presse hervor. Han¬
delskammern instruirten ihre Abgeordneten für den Handelstag in diesem Sinne,
und hoffentlich wird die Lücke, welche in dieser Beziehung die Weimarer Ver¬
sammlung gelassen, durch die Autorität des Handelstags ausgefüllt werden.

Von größter Bedeutung ist die Befestigung des nationalen Gedankens in
Schwaben für die angekündigte großdcutsche Parteiversammlung. Die Art und
Weise, wie Probst bei seiner Heimkehr von Weimar von dem deutschen Volksblatt,
dem ultramontanen Organ des großdeutschen Vereins in Oberschwaben, behan¬
delt wurde, zeigt, daß der Bruch der großdeutschen Reactionäre mit der groß-
deutsch gefärbten Demokratie unheilbar geworden, und daß die Hoffnung,
selbst Männer wie Probst und Schott für großdeutsche Parteizwecke zu benutzen,
definitiv aufgegeben ist. An Anstrengungen, ein demokratisches Contingent für
Frankfurt zusammenzubringen, hat es selbst nach der Weimarer Versammlung
allerdings nicht gefehlt, und eine Zeit lang war wirklich Aussicht vorhanden,
daß dies doch noch gelingen werde. Die Gefahr lag nicht in der Anziehungskraft
des Namens des Freiherrn von Varnbühler, aber in der eigenthümlichen politischen
Stellung Moritz Mohls und in dem Ehrgeiz einzelner demokratischer Wortführer.


der Weimarer Tag aufs Beste gewirkt. Die gehobene Stimmung, welche die
schwäbischen Theilnehmer mitgebracht, die Ueberzeugung, daß dort wirklich die
Nation selbst in ihren vorwärtstreibenden Elementen vertreten war / hat sich
weiteren Kreisen mitgetheilt, die bloße Thatsache, daß in dem Institut des Ab-
gcordnetentags ein gemeinsames Organ der deutschen Lcmdesvcrtretungen,
wenn auch ohne officielles Mandat und ohne gesetzmäßige Competenz. geschaffen
wurde, ist als ein erfreulicher Fortschritt empfunden worden; je bescheidner
die Hoffnungen gewesen waren, mit welchen man nach Weimar sah, um so
weniger wurden sie getäuscht, und man ersah nicht ohne Befriedigung, daß die
wesentlichen Beschlüsse ganz im Sinne der schwäbischen Fortschrittspartei gefaßt
wurden. Fast nur allzusehr — wir meinen die Resolution in der Zollvereins¬
frage. So sehr es auch hier anerkannt wird, daß wesentlich aus Schonung für
Süddeutschland eine eingehende Debatte vermieden und ein ziemlich farbloser
Compromiß beschlossen wurde, so verhehlt man sich doch nicht, daß ein ent¬
schiedenes Votum des Abgeordnetentags zur Befestigung der dem handelspoliti¬
schen Fortschritt zugeneigten Anschauung hätte beitragen müssen. Es wäre in
Weimar selbst auf eclatante Weise zu Tage getreten, daß in dieser Frage am
wenigsten die schwäbischen Abgeordneten eine landsmannschaftlich geschlossene
Opposition bildeten, und daß gerade namhafte Politiker weit entfernt sind von
der Befangenheit, mit welcher die Frage allerdings vorherrschend in Süddeutsch¬
land behandelt wird. Glücklicher Weise mehren sich, je näher die Krisis tritt, in
Schwaben selbst die Anzeichen einer allmäligen Klärung der Ansichten. Die
Ueberzeugung, daß der Zollverein um jeden Preis, auch um den des Handels¬
vertrags erhalten werden muß, wagt sich offener in der Presse hervor. Han¬
delskammern instruirten ihre Abgeordneten für den Handelstag in diesem Sinne,
und hoffentlich wird die Lücke, welche in dieser Beziehung die Weimarer Ver¬
sammlung gelassen, durch die Autorität des Handelstags ausgefüllt werden.

Von größter Bedeutung ist die Befestigung des nationalen Gedankens in
Schwaben für die angekündigte großdcutsche Parteiversammlung. Die Art und
Weise, wie Probst bei seiner Heimkehr von Weimar von dem deutschen Volksblatt,
dem ultramontanen Organ des großdeutschen Vereins in Oberschwaben, behan¬
delt wurde, zeigt, daß der Bruch der großdeutschen Reactionäre mit der groß-
deutsch gefärbten Demokratie unheilbar geworden, und daß die Hoffnung,
selbst Männer wie Probst und Schott für großdeutsche Parteizwecke zu benutzen,
definitiv aufgegeben ist. An Anstrengungen, ein demokratisches Contingent für
Frankfurt zusammenzubringen, hat es selbst nach der Weimarer Versammlung
allerdings nicht gefehlt, und eine Zeit lang war wirklich Aussicht vorhanden,
daß dies doch noch gelingen werde. Die Gefahr lag nicht in der Anziehungskraft
des Namens des Freiherrn von Varnbühler, aber in der eigenthümlichen politischen
Stellung Moritz Mohls und in dem Ehrgeiz einzelner demokratischer Wortführer.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/173>, abgerufen am 29.05.2024.