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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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gegentreten. Ich aber wollte nicht Gewalt brauchen, wo es nicht nöthig schien ;
denn einmal theilte ich jene Befürchtung nicht, und dann hörte sein Einfluß ja
sofort auf, wenn, wie ausgemacht worden, preußische Offiziere den Befehl über
die Cadres antraten. Auch diesen Gegner also hat sich Herr v. Colomb durch
sein Verfahren erst geschaffen." --

"Ich reiste also in der doppelten Täuschung nach Berlin zurück, daß ich
glaubte, man werde nach meinem Weggang nicht das vollständige Gegentheil
von dem thun, was ich verlangt hatte und mir versprochen war, und daß ich
hoffte, es werde mir leicht sein, in Berlin entschiedene Befehle in meinem
Sinn zu erwirken. In beiden Annahmen irrte ich, in jener, weil ich bei den
Betreffenden weniger Leidenschaft, in dieser, weil ich an entscheidender Stelle
mehr Fähigkeit vorausgesetzt hatte und von dem Umschwung, der mittlerweile
hinsichtlich der posener Frage dort sich vollzogen, mir nichts bekannt ge¬
worden war. --

Gleich nach meiner Ankunft in Berlin schrieb ich meinen letzten Bericht
an das Ministerium und machte die mir nöthig scheinenden Vorschläge für die
Reorganisation des Landes. Das Ministerium war damit völlig einverstanden.
Aber von andrer Seite arbeitete man offenbar dagegen und betrieb Maßregeln,
die zu einem Zusammenstoß mit den armen Verblendeten in Posen führen
mußten, um dann Veranlassung zu haben, die Versprechungen, die man in der
ersten Bedrängnis) ertheilt, zurückzunehmen oder doch nicht ins Leben treten zu
lassen."

"Einige Tage später wurde ich zum König befohlen, mit dem ich (in
Potsdam) eine stundenlange Konferenz hatte, bei welcher zwar gar nichts
herauskam, die mir aber doch noch nicht den Eindruck machte, als sei ich in
Ungnade verfallen. Das'Schlimmste, was er mir bemerkte, war: Ich habe Ihnen
ja gesagt, daß ich keine polnischen Truppen will. Ich konnte darauf sehr einfach
erwidern, daß dies erstens so bestimmt mir gegenüber niemals ausgesprochen wor¬
den und daß andrerseits von mir in Posen keine dahin zielende Verpflichtung
eingegangen sei. Es stehe in der Convention von Iaroslawiec ausdrücklich: die
sogenannten Cadres bleiben nur so lange zusammen, bis über ihre Einver¬
leibung in die zehnte Division verfügt wirb; bis dahin werden sie sofort unter
preußische Offiziere gestellt. General Colomb werde das nun thun, wenn es
ihm jetzt ausdrücklich befohlen werde; weshalb er seinem Versprechen bis jetzt
noch nicht nachgekommen, wisse ich nicht. Daß ich persönlich von jeher einen
Fehler darin gesehen, die polnischen Rekruten in alle Regimenter des zweiten
und fünften Armeecorps zu vertheilen, hätte ich nie verhehlt und stets offen
bekannt, daß mir die frühere, erst durch Grolmanrr abgeschaffte Einrichtung,
nach welcher das 19. Infanterie- und das 6. Ulanenregiment ganz aus Polen
bestanden, den Vorzug zu verdienen schiene. Werde das wiederhergestellt, so sei


gegentreten. Ich aber wollte nicht Gewalt brauchen, wo es nicht nöthig schien ;
denn einmal theilte ich jene Befürchtung nicht, und dann hörte sein Einfluß ja
sofort auf, wenn, wie ausgemacht worden, preußische Offiziere den Befehl über
die Cadres antraten. Auch diesen Gegner also hat sich Herr v. Colomb durch
sein Verfahren erst geschaffen." —

„Ich reiste also in der doppelten Täuschung nach Berlin zurück, daß ich
glaubte, man werde nach meinem Weggang nicht das vollständige Gegentheil
von dem thun, was ich verlangt hatte und mir versprochen war, und daß ich
hoffte, es werde mir leicht sein, in Berlin entschiedene Befehle in meinem
Sinn zu erwirken. In beiden Annahmen irrte ich, in jener, weil ich bei den
Betreffenden weniger Leidenschaft, in dieser, weil ich an entscheidender Stelle
mehr Fähigkeit vorausgesetzt hatte und von dem Umschwung, der mittlerweile
hinsichtlich der posener Frage dort sich vollzogen, mir nichts bekannt ge¬
worden war. —

Gleich nach meiner Ankunft in Berlin schrieb ich meinen letzten Bericht
an das Ministerium und machte die mir nöthig scheinenden Vorschläge für die
Reorganisation des Landes. Das Ministerium war damit völlig einverstanden.
Aber von andrer Seite arbeitete man offenbar dagegen und betrieb Maßregeln,
die zu einem Zusammenstoß mit den armen Verblendeten in Posen führen
mußten, um dann Veranlassung zu haben, die Versprechungen, die man in der
ersten Bedrängnis) ertheilt, zurückzunehmen oder doch nicht ins Leben treten zu
lassen."

„Einige Tage später wurde ich zum König befohlen, mit dem ich (in
Potsdam) eine stundenlange Konferenz hatte, bei welcher zwar gar nichts
herauskam, die mir aber doch noch nicht den Eindruck machte, als sei ich in
Ungnade verfallen. Das'Schlimmste, was er mir bemerkte, war: Ich habe Ihnen
ja gesagt, daß ich keine polnischen Truppen will. Ich konnte darauf sehr einfach
erwidern, daß dies erstens so bestimmt mir gegenüber niemals ausgesprochen wor¬
den und daß andrerseits von mir in Posen keine dahin zielende Verpflichtung
eingegangen sei. Es stehe in der Convention von Iaroslawiec ausdrücklich: die
sogenannten Cadres bleiben nur so lange zusammen, bis über ihre Einver¬
leibung in die zehnte Division verfügt wirb; bis dahin werden sie sofort unter
preußische Offiziere gestellt. General Colomb werde das nun thun, wenn es
ihm jetzt ausdrücklich befohlen werde; weshalb er seinem Versprechen bis jetzt
noch nicht nachgekommen, wisse ich nicht. Daß ich persönlich von jeher einen
Fehler darin gesehen, die polnischen Rekruten in alle Regimenter des zweiten
und fünften Armeecorps zu vertheilen, hätte ich nie verhehlt und stets offen
bekannt, daß mir die frühere, erst durch Grolmanrr abgeschaffte Einrichtung,
nach welcher das 19. Infanterie- und das 6. Ulanenregiment ganz aus Polen
bestanden, den Vorzug zu verdienen schiene. Werde das wiederhergestellt, so sei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/200>, abgerufen am 08.06.2024.