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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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zugehen. Als aber ein Mitglied des Collegs daran den Antrag knüpfte, der
General solle sich nun mit mir vereint in der Stadt zeigen, um dem Volke
kundzugeben, daß wir einig seien, und dann mit mir in einem Wagen zu den
Truppen fahren, um mit mir gemeinschaftlich die Ausführung der Convention
zu überwachen, so lehnte er das auf das Bestimmteste ab, in dieser wie in an¬
dern seiner Handlungen hier jedenfalls durch Weisungen bestimmt, die den mir
ertheilten zuwiderliefen. Es existirte eben damals ein doppeltes Regiment: ein
officielles, ministerielles und ein geheimes, welches im Militärcabinet seinen
Sitz hatte." --

"Ich verließ Posen am 19. April. Es war am Morgen nach jener be¬
rüchtigten Scene aus dem Fort Winary, wo ich mich in höchst gereiztem Tone
und im Gefühl meiner Stellung als königlicher Commissarius den Herren
v. Colomb und v. Steinäcker gegenüber ausgesprochen hatte. Ohne die be¬
stimmte Weisung, nach Berlin zu kommen, wäre ich nicht weggegangen, habe
also meinen Posten auf keine Weise verlassen. Die Gefahr schien vorüber,
unsre Truppen konnten überall hingeschickt werden, wo sie nöthig gewesen wä¬
ren, nur daß es mir nicht nöthig schien, sie gleich überall hinzuschicken. Hätte
ich noch Gefahr gesehen, so würde ich sicher dageblieben sein. Colomb ver¬
sprach zuletzt in Gegenwart des Oberpräsidenten Beurmann und des Obersten
Stavenhagen, die Convention auszuführen, besonders aber seine Truppen stehen
zu lassen, wo sie standen, und nur auf Requisition der Civilbehörden in die
Bezirke einzurücken, welche vorläufig den sogenannten Cadres zu ihrer Unter¬
kunft eingeräumt waren. Ich wiederholte meine Ansicht, daß letztere sich bin¬
nen Kurzem aus Mangel von selbst auflösen würden, ich hatte dazu schon Ver¬
handlungen angeknüpft, und die Chefs fühlten sehr wohl, daß dies, wie die
Umstände sich gestaltet, das einzig Nichtige war. weil es das einzige Mittel
war. die Dinge für die innere Verwaltung des Großherzogthums zu erhalten,
aus die es ihnen so lange am meisten ankommen mußte, als nicht von einer
Aenderung ihrer Lage nach Außen, d. h. von einer Wiederherstellung Polens
in engen oder weiten Grenzen die Rede sein konnte." --

"Hätte ich geahnt, wie es in Berlin stand und daß man mich nur zurück¬
gerufen, um Raum für die sofortige gewaltsame Unterdrückung der posener
Bewegung zu haben, ich wäre ohne Verzug statt nach Berlin nach Mieloslaw
gegangen und hätte dort ganz bestimmt die Auflösung der Cadres durch ihre
eignen Chefs durchgesetzt. Wie sehr der besonnenere Theil der Polen einen Zu¬
sammenstoß mit bewaffneter Hand zu vermeiden wünschte, davon ist der beste
Beweis der, daß mich in den Tagen vom 12. bis 17. April, während der
Auflösung der Massen von Wreschen, Schroda und Pleschen viele von ihnen
baten, doch Miervslawsky mit wegzuschicken, weil er am meisten das militä¬
rische Organisiren betrieben, und weil man fürchte, er werde der Auflösung ent-


zugehen. Als aber ein Mitglied des Collegs daran den Antrag knüpfte, der
General solle sich nun mit mir vereint in der Stadt zeigen, um dem Volke
kundzugeben, daß wir einig seien, und dann mit mir in einem Wagen zu den
Truppen fahren, um mit mir gemeinschaftlich die Ausführung der Convention
zu überwachen, so lehnte er das auf das Bestimmteste ab, in dieser wie in an¬
dern seiner Handlungen hier jedenfalls durch Weisungen bestimmt, die den mir
ertheilten zuwiderliefen. Es existirte eben damals ein doppeltes Regiment: ein
officielles, ministerielles und ein geheimes, welches im Militärcabinet seinen
Sitz hatte." —

„Ich verließ Posen am 19. April. Es war am Morgen nach jener be¬
rüchtigten Scene aus dem Fort Winary, wo ich mich in höchst gereiztem Tone
und im Gefühl meiner Stellung als königlicher Commissarius den Herren
v. Colomb und v. Steinäcker gegenüber ausgesprochen hatte. Ohne die be¬
stimmte Weisung, nach Berlin zu kommen, wäre ich nicht weggegangen, habe
also meinen Posten auf keine Weise verlassen. Die Gefahr schien vorüber,
unsre Truppen konnten überall hingeschickt werden, wo sie nöthig gewesen wä¬
ren, nur daß es mir nicht nöthig schien, sie gleich überall hinzuschicken. Hätte
ich noch Gefahr gesehen, so würde ich sicher dageblieben sein. Colomb ver¬
sprach zuletzt in Gegenwart des Oberpräsidenten Beurmann und des Obersten
Stavenhagen, die Convention auszuführen, besonders aber seine Truppen stehen
zu lassen, wo sie standen, und nur auf Requisition der Civilbehörden in die
Bezirke einzurücken, welche vorläufig den sogenannten Cadres zu ihrer Unter¬
kunft eingeräumt waren. Ich wiederholte meine Ansicht, daß letztere sich bin¬
nen Kurzem aus Mangel von selbst auflösen würden, ich hatte dazu schon Ver¬
handlungen angeknüpft, und die Chefs fühlten sehr wohl, daß dies, wie die
Umstände sich gestaltet, das einzig Nichtige war. weil es das einzige Mittel
war. die Dinge für die innere Verwaltung des Großherzogthums zu erhalten,
aus die es ihnen so lange am meisten ankommen mußte, als nicht von einer
Aenderung ihrer Lage nach Außen, d. h. von einer Wiederherstellung Polens
in engen oder weiten Grenzen die Rede sein konnte." —

„Hätte ich geahnt, wie es in Berlin stand und daß man mich nur zurück¬
gerufen, um Raum für die sofortige gewaltsame Unterdrückung der posener
Bewegung zu haben, ich wäre ohne Verzug statt nach Berlin nach Mieloslaw
gegangen und hätte dort ganz bestimmt die Auflösung der Cadres durch ihre
eignen Chefs durchgesetzt. Wie sehr der besonnenere Theil der Polen einen Zu¬
sammenstoß mit bewaffneter Hand zu vermeiden wünschte, davon ist der beste
Beweis der, daß mich in den Tagen vom 12. bis 17. April, während der
Auflösung der Massen von Wreschen, Schroda und Pleschen viele von ihnen
baten, doch Miervslawsky mit wegzuschicken, weil er am meisten das militä¬
rische Organisiren betrieben, und weil man fürchte, er werde der Auflösung ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/199>, abgerufen am 28.05.2024.