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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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als mir von andrer Seite angedeutet wurde, man wolle den Lärm, der sich
gegen mich erhoben, nur sich erst verloben lassen, um mir dann eine passende
Stellung zu geben, was also wie Zurücksetzung aussehe, sei vielmehr gütige
Rücksicht. Ich war arglos genug, das zu glauben. Hatte ich doch das Be¬
wußtsein, in jener Angelegenheit mit Anstrengung und Aufopferung gehandelt
zu haben, und wußte ich doch, daß der König darüber am wenigsten unklar
sein konnte."

"Offen bekenne ich, daß ich der Sache fern geblieben wäre, hätte ich die,
Schwierigkeit der Aufgabe zu Anfang schon klar vor mir sehen können. Als
ich aber einmal mitten darin stand, setzte ich Alles an ihre Durchführung --
^'al M^v av eng, zM'somuz, wie mir damals selbst ein Gegner zugestand."
"Unter dem Eindruck der Märztage in Berlin, den Triumphzug der Polen
durch Deutschland vor Augen habe ich die Dinge damals zu sanguinisch be¬
urtheilt, aber so weit ich mit den Ansichten, die in dem offnen Briefe an
Voigts-Rheez ausgesprochen sind, Recht hatte, habe ich auch recht gehandelt."

"Das Ministerium befand sich mir gegenüber in großer Verlegenheit.
Meine Gegner benutzten den Umstand, daß meine Instruction mich nicht aus¬
drücklich zu einem Abkommen wie das von Jarosiawiec ermächtigt hatte, um
sagen zu können, ich habe meine Befugnisse ^überschritten. Dieses Abkommen
war aber vom Ministerium bestätigt worden, und wenn der Wortlaut mir keine
Ermächtigung ertheilt hatte, so war ich durch den Sinn berechtigt, da die In¬
struction auf unblutige Herstellung der Ruhe in der Provinz lautete. Das
Ministerium konnte mich daher nicht fallen lassen, und es wollte dies auch
nicht. Als ich den Sturm gewahr wurde, der sich gegen mich erhob, erklärte
ich mich bereit, das Opfer zu sein, aber es ist nur Pflicht, anzuerkennen, daß
von einem Annehmen meines Anerbietens nie die Rede gewesen ist. Zuletzt
wurde mir selbst überlassen, die Ausdrücke der Erklärung, welche das Ministe¬
rium über mein Verhalten abgab, festzustellen. Man zeigte mir dieselbe vorher
und fragte, ob ich damit zufrieden sei. Hätte ich den ganzen Umfang der
Kabale und der Verläumdung, die gegen mich im Schwange war, gekannt, so
würde ich Manches darin anders haben fassen lassen, und ich würde im Mini¬
sterium keinem Widerstand dabei begegnet sein. So begnügte ich mich mit der
Vorlage, und die Erklärung erschien in einer Gestalt, die nicht ganz so war,
wie ich sie später gewünscht hätte."

In diesen Tagen beschäftigte sich Willisen noch viel und ernsthaft mit
Plänen zur Reorganisation der Provinz Posen und zwar aus der damals noch
allerseits anerkannten und bei verschiedenen Gelegenheiten von der Regierung
betonten Basis der Gleichberechtigung der beiden dort wohnenden Nationalitäten.
Die größere Eingabe, die der General darüber schon am 25. April einreichte,
ruhte ebenfalls aus dieser Grundlage, so weit es die inzwischen ausgesprochne


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als mir von andrer Seite angedeutet wurde, man wolle den Lärm, der sich
gegen mich erhoben, nur sich erst verloben lassen, um mir dann eine passende
Stellung zu geben, was also wie Zurücksetzung aussehe, sei vielmehr gütige
Rücksicht. Ich war arglos genug, das zu glauben. Hatte ich doch das Be¬
wußtsein, in jener Angelegenheit mit Anstrengung und Aufopferung gehandelt
zu haben, und wußte ich doch, daß der König darüber am wenigsten unklar
sein konnte."

„Offen bekenne ich, daß ich der Sache fern geblieben wäre, hätte ich die,
Schwierigkeit der Aufgabe zu Anfang schon klar vor mir sehen können. Als
ich aber einmal mitten darin stand, setzte ich Alles an ihre Durchführung —
^'al M^v av eng, zM'somuz, wie mir damals selbst ein Gegner zugestand."
„Unter dem Eindruck der Märztage in Berlin, den Triumphzug der Polen
durch Deutschland vor Augen habe ich die Dinge damals zu sanguinisch be¬
urtheilt, aber so weit ich mit den Ansichten, die in dem offnen Briefe an
Voigts-Rheez ausgesprochen sind, Recht hatte, habe ich auch recht gehandelt."

„Das Ministerium befand sich mir gegenüber in großer Verlegenheit.
Meine Gegner benutzten den Umstand, daß meine Instruction mich nicht aus¬
drücklich zu einem Abkommen wie das von Jarosiawiec ermächtigt hatte, um
sagen zu können, ich habe meine Befugnisse ^überschritten. Dieses Abkommen
war aber vom Ministerium bestätigt worden, und wenn der Wortlaut mir keine
Ermächtigung ertheilt hatte, so war ich durch den Sinn berechtigt, da die In¬
struction auf unblutige Herstellung der Ruhe in der Provinz lautete. Das
Ministerium konnte mich daher nicht fallen lassen, und es wollte dies auch
nicht. Als ich den Sturm gewahr wurde, der sich gegen mich erhob, erklärte
ich mich bereit, das Opfer zu sein, aber es ist nur Pflicht, anzuerkennen, daß
von einem Annehmen meines Anerbietens nie die Rede gewesen ist. Zuletzt
wurde mir selbst überlassen, die Ausdrücke der Erklärung, welche das Ministe¬
rium über mein Verhalten abgab, festzustellen. Man zeigte mir dieselbe vorher
und fragte, ob ich damit zufrieden sei. Hätte ich den ganzen Umfang der
Kabale und der Verläumdung, die gegen mich im Schwange war, gekannt, so
würde ich Manches darin anders haben fassen lassen, und ich würde im Mini¬
sterium keinem Widerstand dabei begegnet sein. So begnügte ich mich mit der
Vorlage, und die Erklärung erschien in einer Gestalt, die nicht ganz so war,
wie ich sie später gewünscht hätte."

In diesen Tagen beschäftigte sich Willisen noch viel und ernsthaft mit
Plänen zur Reorganisation der Provinz Posen und zwar aus der damals noch
allerseits anerkannten und bei verschiedenen Gelegenheiten von der Regierung
betonten Basis der Gleichberechtigung der beiden dort wohnenden Nationalitäten.
Die größere Eingabe, die der General darüber schon am 25. April einreichte,
ruhte ebenfalls aus dieser Grundlage, so weit es die inzwischen ausgesprochne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/203>, abgerufen am 30.05.2024.