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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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etwa Mitte des Monats von der Statthalterschaft die Einladung, zu mündlicher
Besprechung nach Hamburg zu kommen. Als er hier, nachdem er auf der Reise
in Karlsruhe mit seinem Bruder sein Borhaben besprochen und dieser zum An¬
nehmen gerathen, eintraf, erschienen sofort Statthalter Beseler und Kriegs¬
minister v. Krohn bei ihm. Ueber die Behandlungen mit diesen Herren be¬
richtet das Tagebuch Willisens Folgendes:

"Man setzte mir das ganze Verhältniß des Landes auseinander, seine Kla¬
gen, seine Wünsche, die Nothwendigkeit, die Sache entschiedener anzufassen.
Das Land könne die gegenwärtige Anstrengung nicht lange aushalten, und
zwar um so weniger, wenn man nicht einmal wisse, ob sie zu seinem oder nur
zu Preußens Vortheil gemacht würde, ja wenn man kaum sicher sei, daß Schles¬
wig-Holstein nicht eines schönen Morgens den Dänen unter Bedingungen aus¬
geliefert würde, die von Preußen nach Gutdünken festgestellt worden. In dieser
Lage aber sei man, so lange die Armee von einem Offizier commandirt werde, der
als im activen preußischen Dienst stehend seine letzten Befehle immer nur von
Berlin erhalte. Die Ständeversammlung sei aus dem Punkte, zu erklären, daß
sie alle Mittel für das Heer verweigern würde, wenn das Land ferner nicht
frei über seine Truppen verfügen solle. Man habe dem General v. Bonin
dies mitgetheilt und ihn angegangen, den preußischen Dienst zu verlassen. Die¬
ser habe erwidert, daß er dies ablehnen müsse, aber unter keinen Umständen
aufhören werde, das lebhafteste Interesse an den Schicksalen der Herzogthümer
zu nehmen. Unter diesen Umständen fordere man mich dringend auf, für ihn
einzutreten, wobei man versicherte, es liege dem durchaus kein Uebelwollen gegen
Preußen zu Grunde; im Gegentheil wisse man sehr wohl, was man ihm danke
und wie man seiner noch ferner benöthigt sei. Man wolle deshalb auch lieber
einen preußischen General an der Spitze des , Heeres sehen. Fände sich aber
keiner, der unter der allein möglichen Bedingung des Austritts aus dem preu¬
ßischen Dienst annehme, so habe man bestimmte Aussicht, daß ein Hesse oder
ein Badenser sich bereit erklären werde."

"Die Absichten und Ansichten der Herren über das, was Dänemark gegen¬
über zu erstreben, fand ich sehr-gemäßigt: man wollte nichts Anderes als eine
gleichberechtigte Stellung mit dem dänischen Theile des Gesammtstaats*), nur
keine Unterordnung, kein Ausbeuten zum Vortheile der dänischen Hälfte."

"In Betreff der Armee fand ich, daß sie allerdings lange nicht das sei,
was ich mir ausbedungcni indeß rechnete ich bei etwaiger Erneuerung des
Kampfes theils auf die Unterstützung einer preußischen (!) oder deutschen Di¬
vision, theils aber auch aus Verstärkung des Schleswig-holsteinischen Heeres aus



Schwerlich wurde das Wort "Gesammtstnat" gebraucht- "Die Herzogthümer sind selbst
-
. D, R, ständige Staaten" ist einer der Fundnmentalsntze des Schleswig-holsteinischen Programms

etwa Mitte des Monats von der Statthalterschaft die Einladung, zu mündlicher
Besprechung nach Hamburg zu kommen. Als er hier, nachdem er auf der Reise
in Karlsruhe mit seinem Bruder sein Borhaben besprochen und dieser zum An¬
nehmen gerathen, eintraf, erschienen sofort Statthalter Beseler und Kriegs¬
minister v. Krohn bei ihm. Ueber die Behandlungen mit diesen Herren be¬
richtet das Tagebuch Willisens Folgendes:

„Man setzte mir das ganze Verhältniß des Landes auseinander, seine Kla¬
gen, seine Wünsche, die Nothwendigkeit, die Sache entschiedener anzufassen.
Das Land könne die gegenwärtige Anstrengung nicht lange aushalten, und
zwar um so weniger, wenn man nicht einmal wisse, ob sie zu seinem oder nur
zu Preußens Vortheil gemacht würde, ja wenn man kaum sicher sei, daß Schles¬
wig-Holstein nicht eines schönen Morgens den Dänen unter Bedingungen aus¬
geliefert würde, die von Preußen nach Gutdünken festgestellt worden. In dieser
Lage aber sei man, so lange die Armee von einem Offizier commandirt werde, der
als im activen preußischen Dienst stehend seine letzten Befehle immer nur von
Berlin erhalte. Die Ständeversammlung sei aus dem Punkte, zu erklären, daß
sie alle Mittel für das Heer verweigern würde, wenn das Land ferner nicht
frei über seine Truppen verfügen solle. Man habe dem General v. Bonin
dies mitgetheilt und ihn angegangen, den preußischen Dienst zu verlassen. Die¬
ser habe erwidert, daß er dies ablehnen müsse, aber unter keinen Umständen
aufhören werde, das lebhafteste Interesse an den Schicksalen der Herzogthümer
zu nehmen. Unter diesen Umständen fordere man mich dringend auf, für ihn
einzutreten, wobei man versicherte, es liege dem durchaus kein Uebelwollen gegen
Preußen zu Grunde; im Gegentheil wisse man sehr wohl, was man ihm danke
und wie man seiner noch ferner benöthigt sei. Man wolle deshalb auch lieber
einen preußischen General an der Spitze des , Heeres sehen. Fände sich aber
keiner, der unter der allein möglichen Bedingung des Austritts aus dem preu¬
ßischen Dienst annehme, so habe man bestimmte Aussicht, daß ein Hesse oder
ein Badenser sich bereit erklären werde."

„Die Absichten und Ansichten der Herren über das, was Dänemark gegen¬
über zu erstreben, fand ich sehr-gemäßigt: man wollte nichts Anderes als eine
gleichberechtigte Stellung mit dem dänischen Theile des Gesammtstaats*), nur
keine Unterordnung, kein Ausbeuten zum Vortheile der dänischen Hälfte."

„In Betreff der Armee fand ich, daß sie allerdings lange nicht das sei,
was ich mir ausbedungcni indeß rechnete ich bei etwaiger Erneuerung des
Kampfes theils auf die Unterstützung einer preußischen (!) oder deutschen Di¬
vision, theils aber auch aus Verstärkung des Schleswig-holsteinischen Heeres aus



Schwerlich wurde das Wort „Gesammtstnat" gebraucht- „Die Herzogthümer sind selbst
-
. D, R, ständige Staaten" ist einer der Fundnmentalsntze des Schleswig-holsteinischen Programms
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[0236] etwa Mitte des Monats von der Statthalterschaft die Einladung, zu mündlicher Besprechung nach Hamburg zu kommen. Als er hier, nachdem er auf der Reise in Karlsruhe mit seinem Bruder sein Borhaben besprochen und dieser zum An¬ nehmen gerathen, eintraf, erschienen sofort Statthalter Beseler und Kriegs¬ minister v. Krohn bei ihm. Ueber die Behandlungen mit diesen Herren be¬ richtet das Tagebuch Willisens Folgendes: „Man setzte mir das ganze Verhältniß des Landes auseinander, seine Kla¬ gen, seine Wünsche, die Nothwendigkeit, die Sache entschiedener anzufassen. Das Land könne die gegenwärtige Anstrengung nicht lange aushalten, und zwar um so weniger, wenn man nicht einmal wisse, ob sie zu seinem oder nur zu Preußens Vortheil gemacht würde, ja wenn man kaum sicher sei, daß Schles¬ wig-Holstein nicht eines schönen Morgens den Dänen unter Bedingungen aus¬ geliefert würde, die von Preußen nach Gutdünken festgestellt worden. In dieser Lage aber sei man, so lange die Armee von einem Offizier commandirt werde, der als im activen preußischen Dienst stehend seine letzten Befehle immer nur von Berlin erhalte. Die Ständeversammlung sei aus dem Punkte, zu erklären, daß sie alle Mittel für das Heer verweigern würde, wenn das Land ferner nicht frei über seine Truppen verfügen solle. Man habe dem General v. Bonin dies mitgetheilt und ihn angegangen, den preußischen Dienst zu verlassen. Die¬ ser habe erwidert, daß er dies ablehnen müsse, aber unter keinen Umständen aufhören werde, das lebhafteste Interesse an den Schicksalen der Herzogthümer zu nehmen. Unter diesen Umständen fordere man mich dringend auf, für ihn einzutreten, wobei man versicherte, es liege dem durchaus kein Uebelwollen gegen Preußen zu Grunde; im Gegentheil wisse man sehr wohl, was man ihm danke und wie man seiner noch ferner benöthigt sei. Man wolle deshalb auch lieber einen preußischen General an der Spitze des , Heeres sehen. Fände sich aber keiner, der unter der allein möglichen Bedingung des Austritts aus dem preu¬ ßischen Dienst annehme, so habe man bestimmte Aussicht, daß ein Hesse oder ein Badenser sich bereit erklären werde." „Die Absichten und Ansichten der Herren über das, was Dänemark gegen¬ über zu erstreben, fand ich sehr-gemäßigt: man wollte nichts Anderes als eine gleichberechtigte Stellung mit dem dänischen Theile des Gesammtstaats*), nur keine Unterordnung, kein Ausbeuten zum Vortheile der dänischen Hälfte." „In Betreff der Armee fand ich, daß sie allerdings lange nicht das sei, was ich mir ausbedungcni indeß rechnete ich bei etwaiger Erneuerung des Kampfes theils auf die Unterstützung einer preußischen (!) oder deutschen Di¬ vision, theils aber auch aus Verstärkung des Schleswig-holsteinischen Heeres aus Schwerlich wurde das Wort „Gesammtstnat" gebraucht- „Die Herzogthümer sind selbst - . D, R, ständige Staaten" ist einer der Fundnmentalsntze des Schleswig-holsteinischen Programms

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/236>, abgerufen am 30.05.2024.