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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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diese Stellung lag größtentheils in dem Verhältniß der Schleswig-holsteinischen
Armee zu Preußen, die ja dadurch, daß der Oberbefehlshaberposten sowie alle
höheren Chargen mit noch im Dienst Preußens stehenden Offizieren besetzt
waren, von jenen Mächten wie eine preußische betrachtet wurde. War dieses
Hinderniß weggeräumt, so war die erste Vorbedingung zu einer Ausgleichung
unter Sanction der Großmächte erreicht. So faßte auch Schleiden die Lage
der Dinge auf, und was ich aus dem Munde der fremden Diplomatie vernahm,
bestärkte mich ebenfalls in dieser Ansicht. Es galt nach dieser, durch eine scheinbare
Entzweiung Preußens mit der Statthalterschaft, den Großmächten den Glauben
beizubringen, daß Schleswig-Holstein für sich, nicht im Interesse Preußens
handelte, und so glaubte ich meinem Vaterlande nur einen wesentlichen Dienst
zu leisten, wenn ich die Stellung als commandirender General in Holstein an¬
nähme. Daß ich in dieser nie etwas thun würde, was nicht mit der Ehre
und dem Interesse Preußens verträglich war, davon, meinte ich, müßten selbst
meine Gegner überzeugt sein."

"Ich dachte also, man werde in Berlin mit beiden Händen nach diesem
Mittel, aus seiner unbequemen Lage zu kommen, greifen. Man konnte dabei
alle kleinen diplomatischen Künste spielen lassen, sich über die Undankbarkeit der
Statthalterschaft entrüstet stellen, ja die Thatsache selbst dazu benutzen, gegen
etwaige zu hoch gespannte Forderungen der Schleswig-Holsteiner aufzutreten. .
Preußen durfte nun erst ganz im eigenen Interesse seine Bedingungen stellen."

Der Statthalterschaft gegenüber bedang sich Willisen wörtlich Folgendes aus:

"Ich nehme an 1) wenn 30.000 Mann incl. 3000 Mann Kavallerie und
1000 Mann Artillerie mit 80 Kanonen vorhanden sind, welche stets das offne
Feld halten können; 2) wenn außerdem die vorhandenen festen Plätze besetzt
werden können, und wenn 20,000 Gewehre als Reserve mit der nöthigen
Munition vorhanden sind; 3) wenn die politischen Ansichten von der Art sind,
daß ich mich ihnen anschließen könnte, wenn also von Hause aus festgestellt
ist, was man im Fall eines glücklichen Kampfes erreichen will, und zu welchen
Bedingungen man sich im schlimmen Fall entschließen würde; dies natürlich
beides als Geheimniß; es ist nicht möglich, den Krieg richtig zu führen, wenn
man den politischen Zweck nicht genau kennt; 4) wenn endlich die finanziellen
Mittel vorhanden sind, oder doch gesichert, den Krieg sechs Monate hindurch
mit aller Anstrengung zu führen.

Weil die wichtigsten Anordnungen vor dem Ausbruch des Kriegs getroffen
werden müssen, ich aber doch nicht eher eintreten will, als bis er unvermeid¬
lich erscheint, so bin ich bereit, mich in Hamburg, Kiel, Lübeck oder sonst wo
in der Nähe aufzuhalten, um so diese Anordnungen leiten zu können. Der
Erfolg des Krieges liegt zum großen Theil in seinem Anfange."

Auf diese am 8. März 1850 übergebenen Bedingungen erhielt Willisen
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diese Stellung lag größtentheils in dem Verhältniß der Schleswig-holsteinischen
Armee zu Preußen, die ja dadurch, daß der Oberbefehlshaberposten sowie alle
höheren Chargen mit noch im Dienst Preußens stehenden Offizieren besetzt
waren, von jenen Mächten wie eine preußische betrachtet wurde. War dieses
Hinderniß weggeräumt, so war die erste Vorbedingung zu einer Ausgleichung
unter Sanction der Großmächte erreicht. So faßte auch Schleiden die Lage
der Dinge auf, und was ich aus dem Munde der fremden Diplomatie vernahm,
bestärkte mich ebenfalls in dieser Ansicht. Es galt nach dieser, durch eine scheinbare
Entzweiung Preußens mit der Statthalterschaft, den Großmächten den Glauben
beizubringen, daß Schleswig-Holstein für sich, nicht im Interesse Preußens
handelte, und so glaubte ich meinem Vaterlande nur einen wesentlichen Dienst
zu leisten, wenn ich die Stellung als commandirender General in Holstein an¬
nähme. Daß ich in dieser nie etwas thun würde, was nicht mit der Ehre
und dem Interesse Preußens verträglich war, davon, meinte ich, müßten selbst
meine Gegner überzeugt sein."

„Ich dachte also, man werde in Berlin mit beiden Händen nach diesem
Mittel, aus seiner unbequemen Lage zu kommen, greifen. Man konnte dabei
alle kleinen diplomatischen Künste spielen lassen, sich über die Undankbarkeit der
Statthalterschaft entrüstet stellen, ja die Thatsache selbst dazu benutzen, gegen
etwaige zu hoch gespannte Forderungen der Schleswig-Holsteiner aufzutreten. .
Preußen durfte nun erst ganz im eigenen Interesse seine Bedingungen stellen."

Der Statthalterschaft gegenüber bedang sich Willisen wörtlich Folgendes aus:

„Ich nehme an 1) wenn 30.000 Mann incl. 3000 Mann Kavallerie und
1000 Mann Artillerie mit 80 Kanonen vorhanden sind, welche stets das offne
Feld halten können; 2) wenn außerdem die vorhandenen festen Plätze besetzt
werden können, und wenn 20,000 Gewehre als Reserve mit der nöthigen
Munition vorhanden sind; 3) wenn die politischen Ansichten von der Art sind,
daß ich mich ihnen anschließen könnte, wenn also von Hause aus festgestellt
ist, was man im Fall eines glücklichen Kampfes erreichen will, und zu welchen
Bedingungen man sich im schlimmen Fall entschließen würde; dies natürlich
beides als Geheimniß; es ist nicht möglich, den Krieg richtig zu führen, wenn
man den politischen Zweck nicht genau kennt; 4) wenn endlich die finanziellen
Mittel vorhanden sind, oder doch gesichert, den Krieg sechs Monate hindurch
mit aller Anstrengung zu führen.

Weil die wichtigsten Anordnungen vor dem Ausbruch des Kriegs getroffen
werden müssen, ich aber doch nicht eher eintreten will, als bis er unvermeid¬
lich erscheint, so bin ich bereit, mich in Hamburg, Kiel, Lübeck oder sonst wo
in der Nähe aufzuhalten, um so diese Anordnungen leiten zu können. Der
Erfolg des Krieges liegt zum großen Theil in seinem Anfange."

Auf diese am 8. März 1850 übergebenen Bedingungen erhielt Willisen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/235>, abgerufen am 30.05.2024.