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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Man muß den Platz an großen Festragen sehen, wenn Tausende und
aber Tausende ihn bedecken. Weiche Pracht der Uniformen, der Equipagen,
der Pferde und Geschirre, der Dienerschaft, der bunten Trachten von Land¬
leuten aus allen Gegenden Italiens! Welches Leben in jenem Rahmen!

Es ist die Osterzeit. der Kulminationspunkt aller Feste in S. Peter. Am
Sonntag vor Ostern ist das Fest der Palmenweihe; der Gottesdienst wird in
S. Peter in Gegenwart des Papstes celebrirt. welcher die Palmen weiht und
sie den Cardinälen, der Geistlichkeit, den Mitgliedern des diplomatischen Corps,
den höheren Offizieren und Fremden von Distinction austheilt. Während der
heiligen Woche wird kein Spiel gerührt, keine Glocke geläutet. Um die Mittags¬
stunde und zur Zeit des Ave Maria laufen Knaben mit Knarren und Klappern
durch die Straßen und zeigen mit gräßlichem Lärm die Tageszeit an. In der
Sixtinischen Kapelle ist täglich in Gegenwart des Papstes Gottesdienst, wobei
man das Miserere nach den berühmten Kompositionen des Allegri, Palestrina.
Baini, Anerio und Scoletti singt. Am grünen Donnerstage ist das Fest der
Fußwaschung; am Sonnabend die Iudentaufe im Lateran.

Am grünen Donnerstage legen wir den Frack und die weiße Halsbinde
an, spannen zum Schutze unseres Cylinders den Regenschirm auf. Der Wind
bläst rauh aus Nordwest, es ist ein furchtbarer Koth auf den Straßen, Regen¬
schauer jagen einander -- es regnet stets am grünen Donnerstag, wie der
Römer behauptet. Jedermann ist heute in seinem größten Staate. Von der
Engelsbrücke her durch den Borgo nuovo strömt die Volksmenge Kops an Kopf,
Equipage hinter Equipage, auf den Petersplatz. Dragoner und Gensdarmen hal¬
ten die Ordnung aufrecht. Die Cardinäle, der Senat, der Governatore von Rom,
die Principi, die Gesamten halten in großer Gala ihre Auffahrt. Truppen rücken
in die Kirche hinein. Auch wir verlassen heut die Straße, steigen die große
Freitreppe empor und betreten das Innere des festlich geschmückten Domes.

Der Papst liest heute die Messe in der Sixtinischen Kapelle im Vatican,
trägt das heilige Sacrcunent aus der Sixtinischen in die Paulinische Kapelle,
begibt sich alsdann auf die Loggia über dem Portal der Peterskirche, um den
Segen über das draußen harrende Volk auszusprechen; doch reicht dieser
Donnerstagssegen, dem Sprichwort zu Folge, nicht über den Fluß hinaus.
Von der Loggia steigt der Papst in die Kirche hinab, um an zwölf armen
Geistlichen die Ceremonie der Fußwaschung vorzunehmen und zum Schluß wer¬
den diese zwölf Geistlichen in den Sälen hinter der Loggia gespeist, wobei der
Papst und die Cardinäle sie bedienen.

Wir verzichten auf den heutigen kleinen Segen, vertrösten uns vielmehr
aus den weiterreichenden des Ostertages; wir verzichten auch auf die Feierlich¬
keiten in der Sixtinischen und Paulinischen Kapelle; uns interessiren absonder¬
lich die zwölf Apostel.


Man muß den Platz an großen Festragen sehen, wenn Tausende und
aber Tausende ihn bedecken. Weiche Pracht der Uniformen, der Equipagen,
der Pferde und Geschirre, der Dienerschaft, der bunten Trachten von Land¬
leuten aus allen Gegenden Italiens! Welches Leben in jenem Rahmen!

Es ist die Osterzeit. der Kulminationspunkt aller Feste in S. Peter. Am
Sonntag vor Ostern ist das Fest der Palmenweihe; der Gottesdienst wird in
S. Peter in Gegenwart des Papstes celebrirt. welcher die Palmen weiht und
sie den Cardinälen, der Geistlichkeit, den Mitgliedern des diplomatischen Corps,
den höheren Offizieren und Fremden von Distinction austheilt. Während der
heiligen Woche wird kein Spiel gerührt, keine Glocke geläutet. Um die Mittags¬
stunde und zur Zeit des Ave Maria laufen Knaben mit Knarren und Klappern
durch die Straßen und zeigen mit gräßlichem Lärm die Tageszeit an. In der
Sixtinischen Kapelle ist täglich in Gegenwart des Papstes Gottesdienst, wobei
man das Miserere nach den berühmten Kompositionen des Allegri, Palestrina.
Baini, Anerio und Scoletti singt. Am grünen Donnerstage ist das Fest der
Fußwaschung; am Sonnabend die Iudentaufe im Lateran.

Am grünen Donnerstage legen wir den Frack und die weiße Halsbinde
an, spannen zum Schutze unseres Cylinders den Regenschirm auf. Der Wind
bläst rauh aus Nordwest, es ist ein furchtbarer Koth auf den Straßen, Regen¬
schauer jagen einander — es regnet stets am grünen Donnerstag, wie der
Römer behauptet. Jedermann ist heute in seinem größten Staate. Von der
Engelsbrücke her durch den Borgo nuovo strömt die Volksmenge Kops an Kopf,
Equipage hinter Equipage, auf den Petersplatz. Dragoner und Gensdarmen hal¬
ten die Ordnung aufrecht. Die Cardinäle, der Senat, der Governatore von Rom,
die Principi, die Gesamten halten in großer Gala ihre Auffahrt. Truppen rücken
in die Kirche hinein. Auch wir verlassen heut die Straße, steigen die große
Freitreppe empor und betreten das Innere des festlich geschmückten Domes.

Der Papst liest heute die Messe in der Sixtinischen Kapelle im Vatican,
trägt das heilige Sacrcunent aus der Sixtinischen in die Paulinische Kapelle,
begibt sich alsdann auf die Loggia über dem Portal der Peterskirche, um den
Segen über das draußen harrende Volk auszusprechen; doch reicht dieser
Donnerstagssegen, dem Sprichwort zu Folge, nicht über den Fluß hinaus.
Von der Loggia steigt der Papst in die Kirche hinab, um an zwölf armen
Geistlichen die Ceremonie der Fußwaschung vorzunehmen und zum Schluß wer¬
den diese zwölf Geistlichen in den Sälen hinter der Loggia gespeist, wobei der
Papst und die Cardinäle sie bedienen.

Wir verzichten auf den heutigen kleinen Segen, vertrösten uns vielmehr
aus den weiterreichenden des Ostertages; wir verzichten auch auf die Feierlich¬
keiten in der Sixtinischen und Paulinischen Kapelle; uns interessiren absonder¬
lich die zwölf Apostel.


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[0024] Man muß den Platz an großen Festragen sehen, wenn Tausende und aber Tausende ihn bedecken. Weiche Pracht der Uniformen, der Equipagen, der Pferde und Geschirre, der Dienerschaft, der bunten Trachten von Land¬ leuten aus allen Gegenden Italiens! Welches Leben in jenem Rahmen! Es ist die Osterzeit. der Kulminationspunkt aller Feste in S. Peter. Am Sonntag vor Ostern ist das Fest der Palmenweihe; der Gottesdienst wird in S. Peter in Gegenwart des Papstes celebrirt. welcher die Palmen weiht und sie den Cardinälen, der Geistlichkeit, den Mitgliedern des diplomatischen Corps, den höheren Offizieren und Fremden von Distinction austheilt. Während der heiligen Woche wird kein Spiel gerührt, keine Glocke geläutet. Um die Mittags¬ stunde und zur Zeit des Ave Maria laufen Knaben mit Knarren und Klappern durch die Straßen und zeigen mit gräßlichem Lärm die Tageszeit an. In der Sixtinischen Kapelle ist täglich in Gegenwart des Papstes Gottesdienst, wobei man das Miserere nach den berühmten Kompositionen des Allegri, Palestrina. Baini, Anerio und Scoletti singt. Am grünen Donnerstage ist das Fest der Fußwaschung; am Sonnabend die Iudentaufe im Lateran. Am grünen Donnerstage legen wir den Frack und die weiße Halsbinde an, spannen zum Schutze unseres Cylinders den Regenschirm auf. Der Wind bläst rauh aus Nordwest, es ist ein furchtbarer Koth auf den Straßen, Regen¬ schauer jagen einander — es regnet stets am grünen Donnerstag, wie der Römer behauptet. Jedermann ist heute in seinem größten Staate. Von der Engelsbrücke her durch den Borgo nuovo strömt die Volksmenge Kops an Kopf, Equipage hinter Equipage, auf den Petersplatz. Dragoner und Gensdarmen hal¬ ten die Ordnung aufrecht. Die Cardinäle, der Senat, der Governatore von Rom, die Principi, die Gesamten halten in großer Gala ihre Auffahrt. Truppen rücken in die Kirche hinein. Auch wir verlassen heut die Straße, steigen die große Freitreppe empor und betreten das Innere des festlich geschmückten Domes. Der Papst liest heute die Messe in der Sixtinischen Kapelle im Vatican, trägt das heilige Sacrcunent aus der Sixtinischen in die Paulinische Kapelle, begibt sich alsdann auf die Loggia über dem Portal der Peterskirche, um den Segen über das draußen harrende Volk auszusprechen; doch reicht dieser Donnerstagssegen, dem Sprichwort zu Folge, nicht über den Fluß hinaus. Von der Loggia steigt der Papst in die Kirche hinab, um an zwölf armen Geistlichen die Ceremonie der Fußwaschung vorzunehmen und zum Schluß wer¬ den diese zwölf Geistlichen in den Sälen hinter der Loggia gespeist, wobei der Papst und die Cardinäle sie bedienen. Wir verzichten auf den heutigen kleinen Segen, vertrösten uns vielmehr aus den weiterreichenden des Ostertages; wir verzichten auch auf die Feierlich¬ keiten in der Sixtinischen und Paulinischen Kapelle; uns interessiren absonder¬ lich die zwölf Apostel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/24>, abgerufen am 13.05.2024.