Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschenmassen uns anzeigen, daß der Segen gesprochen sei und daß uno die
Fußwaschung vor sich gehen werde. Bald zeigt sich auch die nahende Proces-
sion. Voran die sogenannten zwölf Apostel d. h. die Geistlichen, denen der
Papst die Füße wascht; es sind dies fremde Priester, welche durch die katholi¬
schen Mächte empfohlen werden; gekleidet sind sie, wie man auf Bilderbogen
die ägyptischen Magier darstellt, in ein langes weißes Hemd und eine zucker-
hutförmige Mütze. Sie nehmen auf einer erhöhten Tribüne Platz, beschützt
durch die Novelgardcn. Dann folgt ein bunter Haufe von Cardinälen, Bi¬
schöfen, geistlichen Würdenträgern aller Kategorien, der weltliche Hofstaat des
Papstes, der Senat von Rom, die Municipalität, der Majordomus mit den
Camcrlengo's, alle in altspanischer Tracht, theils roth und gelb, theils schwarz,
die Offiziere der Schweizergarde mit blauem goldeingelegtem Stahlpanzer, end¬
lich der Papst in schlichtem weißem Gewände. Viele von den Cardinälen wer¬
den von den Tribünen her freundlich begrüßt. Als Antonelli's schöner Kopf
mit dem lauernden Blick zum Vorschein kommt, erhebt sich Jedermann auf die
Fußspitzen.

Der Papst kommt demüthig zu Fuß. Der Chor stimmt das ,Mann!atum
eng,mia,ol vobis ete." an. Alles sinkt auf die Knie, nur die wilde, meist prote¬
stantische Rotte im Pcirtcrre nicht, und erhebt sich erst wieder, nachdem der
Papst auf dem Throne Platz genommen. Man nimmt nun mit ihm eine
Menge unverständlicher Ceremonien vor; bald setzt man ihm die Mütze auf.
bald nimmt man sie ab, hängt ihm bald dieses Tuch, bald jenen Mantel um,
endlich bindet man ihm eine Schürze vor, und während Waschbecken und
Handtuch vorausgetragen werden, setzt er sich zu den Aposteln in Bewegung,
welche mittlerweile vom rechten Fuß möglichst unbemerkt Schuh und Strumpf
abgestreift haben. Das Parterre drängt sich möglichst nahe heran; der Papst
wäscht und trocknet den nackten Fuß -- doch kaum hat er diese Ceremonie am
ersten, zweiten Apostel vorgenommen und die Neugier der Menge befriedigt,
so stürzt diese, in rücksichtslosem Drängen alles mit sich fortreißend, die Schran¬
ken durchbrechend trotz der Protestation der Schweizer dem Ausgange zu; denn
es gilt einen guten Platz in den Sälen oben frühzeitig zu erreichen, wo die
Speisung vor sich gehen soll; der Papst aber wäscht der letzten Hälfte der Apo¬
stel die Füße vor einem leeren Raume. Die Söhne Albions sind wieder die
Urheber dieser Unmanierlichkeit; sie verachten selbst die Anwendung ihrer Fäuste
nicht, um sich Bahn zu schaffen. Bei allen derartigen Gelegenheiten in gro¬
ßen tonangebenden Schaaren gegenwärtig, betrachten sie sich als die be¬
rechtigten Zuschauer eines. Schauspiels, über welches ihre Auffassungsweise
erhaben ist, ohne auf die Heiligkeit des Orts, die religiösen Gebräuche des
Katholicismus oder die Gewohnheiten des Volks die geringste Rücksicht zu
nehmen.


Menschenmassen uns anzeigen, daß der Segen gesprochen sei und daß uno die
Fußwaschung vor sich gehen werde. Bald zeigt sich auch die nahende Proces-
sion. Voran die sogenannten zwölf Apostel d. h. die Geistlichen, denen der
Papst die Füße wascht; es sind dies fremde Priester, welche durch die katholi¬
schen Mächte empfohlen werden; gekleidet sind sie, wie man auf Bilderbogen
die ägyptischen Magier darstellt, in ein langes weißes Hemd und eine zucker-
hutförmige Mütze. Sie nehmen auf einer erhöhten Tribüne Platz, beschützt
durch die Novelgardcn. Dann folgt ein bunter Haufe von Cardinälen, Bi¬
schöfen, geistlichen Würdenträgern aller Kategorien, der weltliche Hofstaat des
Papstes, der Senat von Rom, die Municipalität, der Majordomus mit den
Camcrlengo's, alle in altspanischer Tracht, theils roth und gelb, theils schwarz,
die Offiziere der Schweizergarde mit blauem goldeingelegtem Stahlpanzer, end¬
lich der Papst in schlichtem weißem Gewände. Viele von den Cardinälen wer¬
den von den Tribünen her freundlich begrüßt. Als Antonelli's schöner Kopf
mit dem lauernden Blick zum Vorschein kommt, erhebt sich Jedermann auf die
Fußspitzen.

Der Papst kommt demüthig zu Fuß. Der Chor stimmt das ,Mann!atum
eng,mia,ol vobis ete." an. Alles sinkt auf die Knie, nur die wilde, meist prote¬
stantische Rotte im Pcirtcrre nicht, und erhebt sich erst wieder, nachdem der
Papst auf dem Throne Platz genommen. Man nimmt nun mit ihm eine
Menge unverständlicher Ceremonien vor; bald setzt man ihm die Mütze auf.
bald nimmt man sie ab, hängt ihm bald dieses Tuch, bald jenen Mantel um,
endlich bindet man ihm eine Schürze vor, und während Waschbecken und
Handtuch vorausgetragen werden, setzt er sich zu den Aposteln in Bewegung,
welche mittlerweile vom rechten Fuß möglichst unbemerkt Schuh und Strumpf
abgestreift haben. Das Parterre drängt sich möglichst nahe heran; der Papst
wäscht und trocknet den nackten Fuß — doch kaum hat er diese Ceremonie am
ersten, zweiten Apostel vorgenommen und die Neugier der Menge befriedigt,
so stürzt diese, in rücksichtslosem Drängen alles mit sich fortreißend, die Schran¬
ken durchbrechend trotz der Protestation der Schweizer dem Ausgange zu; denn
es gilt einen guten Platz in den Sälen oben frühzeitig zu erreichen, wo die
Speisung vor sich gehen soll; der Papst aber wäscht der letzten Hälfte der Apo¬
stel die Füße vor einem leeren Raume. Die Söhne Albions sind wieder die
Urheber dieser Unmanierlichkeit; sie verachten selbst die Anwendung ihrer Fäuste
nicht, um sich Bahn zu schaffen. Bei allen derartigen Gelegenheiten in gro¬
ßen tonangebenden Schaaren gegenwärtig, betrachten sie sich als die be¬
rechtigten Zuschauer eines. Schauspiels, über welches ihre Auffassungsweise
erhaben ist, ohne auf die Heiligkeit des Orts, die religiösen Gebräuche des
Katholicismus oder die Gewohnheiten des Volks die geringste Rücksicht zu
nehmen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114882"/>
          <p xml:id="ID_63" prev="#ID_62"> Menschenmassen uns anzeigen, daß der Segen gesprochen sei und daß uno die<lb/>
Fußwaschung vor sich gehen werde.  Bald zeigt sich auch die nahende Proces-<lb/>
sion.  Voran die sogenannten zwölf Apostel d. h. die Geistlichen, denen der<lb/>
Papst die Füße wascht; es sind dies fremde Priester, welche durch die katholi¬<lb/>
schen Mächte empfohlen werden; gekleidet sind sie, wie man auf Bilderbogen<lb/>
die ägyptischen Magier darstellt, in ein langes weißes Hemd und eine zucker-<lb/>
hutförmige Mütze.  Sie nehmen auf einer erhöhten Tribüne Platz, beschützt<lb/>
durch die Novelgardcn.  Dann folgt ein bunter Haufe von Cardinälen, Bi¬<lb/>
schöfen, geistlichen Würdenträgern aller Kategorien, der weltliche Hofstaat des<lb/>
Papstes, der Senat von Rom, die Municipalität, der Majordomus mit den<lb/>
Camcrlengo's, alle in altspanischer Tracht, theils roth und gelb, theils schwarz,<lb/>
die Offiziere der Schweizergarde mit blauem goldeingelegtem Stahlpanzer, end¬<lb/>
lich der Papst in schlichtem weißem Gewände.  Viele von den Cardinälen wer¬<lb/>
den von den Tribünen her freundlich begrüßt.  Als Antonelli's schöner Kopf<lb/>
mit dem lauernden Blick zum Vorschein kommt, erhebt sich Jedermann auf die<lb/>
Fußspitzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_64"> Der Papst kommt demüthig zu Fuß. Der Chor stimmt das ,Mann!atum<lb/>
eng,mia,ol vobis ete." an. Alles sinkt auf die Knie, nur die wilde, meist prote¬<lb/>
stantische Rotte im Pcirtcrre nicht, und erhebt sich erst wieder, nachdem der<lb/>
Papst auf dem Throne Platz genommen.  Man nimmt nun mit ihm eine<lb/>
Menge unverständlicher Ceremonien vor; bald setzt man ihm die Mütze auf.<lb/>
bald nimmt man sie ab, hängt ihm bald dieses Tuch, bald jenen Mantel um,<lb/>
endlich bindet man ihm eine Schürze vor, und während Waschbecken und<lb/>
Handtuch vorausgetragen werden, setzt er sich zu den Aposteln in Bewegung,<lb/>
welche mittlerweile vom rechten Fuß möglichst unbemerkt Schuh und Strumpf<lb/>
abgestreift haben.  Das Parterre drängt sich möglichst nahe heran; der Papst<lb/>
wäscht und trocknet den nackten Fuß &#x2014; doch kaum hat er diese Ceremonie am<lb/>
ersten, zweiten Apostel vorgenommen und die Neugier der Menge befriedigt,<lb/>
so stürzt diese, in rücksichtslosem Drängen alles mit sich fortreißend, die Schran¬<lb/>
ken durchbrechend trotz der Protestation der Schweizer dem Ausgange zu; denn<lb/>
es gilt einen guten Platz in den Sälen oben frühzeitig zu erreichen, wo die<lb/>
Speisung vor sich gehen soll; der Papst aber wäscht der letzten Hälfte der Apo¬<lb/>
stel die Füße vor einem leeren Raume.  Die Söhne Albions sind wieder die<lb/>
Urheber dieser Unmanierlichkeit; sie verachten selbst die Anwendung ihrer Fäuste<lb/>
nicht, um sich Bahn zu schaffen.  Bei allen derartigen Gelegenheiten in gro¬<lb/>
ßen tonangebenden Schaaren gegenwärtig, betrachten sie sich als die be¬<lb/>
rechtigten Zuschauer eines. Schauspiels, über welches ihre Auffassungsweise<lb/>
erhaben ist, ohne auf die Heiligkeit des Orts, die religiösen Gebräuche des<lb/>
Katholicismus oder die Gewohnheiten des Volks die geringste Rücksicht zu<lb/>
nehmen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] Menschenmassen uns anzeigen, daß der Segen gesprochen sei und daß uno die Fußwaschung vor sich gehen werde. Bald zeigt sich auch die nahende Proces- sion. Voran die sogenannten zwölf Apostel d. h. die Geistlichen, denen der Papst die Füße wascht; es sind dies fremde Priester, welche durch die katholi¬ schen Mächte empfohlen werden; gekleidet sind sie, wie man auf Bilderbogen die ägyptischen Magier darstellt, in ein langes weißes Hemd und eine zucker- hutförmige Mütze. Sie nehmen auf einer erhöhten Tribüne Platz, beschützt durch die Novelgardcn. Dann folgt ein bunter Haufe von Cardinälen, Bi¬ schöfen, geistlichen Würdenträgern aller Kategorien, der weltliche Hofstaat des Papstes, der Senat von Rom, die Municipalität, der Majordomus mit den Camcrlengo's, alle in altspanischer Tracht, theils roth und gelb, theils schwarz, die Offiziere der Schweizergarde mit blauem goldeingelegtem Stahlpanzer, end¬ lich der Papst in schlichtem weißem Gewände. Viele von den Cardinälen wer¬ den von den Tribünen her freundlich begrüßt. Als Antonelli's schöner Kopf mit dem lauernden Blick zum Vorschein kommt, erhebt sich Jedermann auf die Fußspitzen. Der Papst kommt demüthig zu Fuß. Der Chor stimmt das ,Mann!atum eng,mia,ol vobis ete." an. Alles sinkt auf die Knie, nur die wilde, meist prote¬ stantische Rotte im Pcirtcrre nicht, und erhebt sich erst wieder, nachdem der Papst auf dem Throne Platz genommen. Man nimmt nun mit ihm eine Menge unverständlicher Ceremonien vor; bald setzt man ihm die Mütze auf. bald nimmt man sie ab, hängt ihm bald dieses Tuch, bald jenen Mantel um, endlich bindet man ihm eine Schürze vor, und während Waschbecken und Handtuch vorausgetragen werden, setzt er sich zu den Aposteln in Bewegung, welche mittlerweile vom rechten Fuß möglichst unbemerkt Schuh und Strumpf abgestreift haben. Das Parterre drängt sich möglichst nahe heran; der Papst wäscht und trocknet den nackten Fuß — doch kaum hat er diese Ceremonie am ersten, zweiten Apostel vorgenommen und die Neugier der Menge befriedigt, so stürzt diese, in rücksichtslosem Drängen alles mit sich fortreißend, die Schran¬ ken durchbrechend trotz der Protestation der Schweizer dem Ausgange zu; denn es gilt einen guten Platz in den Sälen oben frühzeitig zu erreichen, wo die Speisung vor sich gehen soll; der Papst aber wäscht der letzten Hälfte der Apo¬ stel die Füße vor einem leeren Raume. Die Söhne Albions sind wieder die Urheber dieser Unmanierlichkeit; sie verachten selbst die Anwendung ihrer Fäuste nicht, um sich Bahn zu schaffen. Bei allen derartigen Gelegenheiten in gro¬ ßen tonangebenden Schaaren gegenwärtig, betrachten sie sich als die be¬ rechtigten Zuschauer eines. Schauspiels, über welches ihre Auffassungsweise erhaben ist, ohne auf die Heiligkeit des Orts, die religiösen Gebräuche des Katholicismus oder die Gewohnheiten des Volks die geringste Rücksicht zu nehmen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/26>, abgerufen am 14.05.2024.