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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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So werden auch wir hinausgeschoben und gestoßen, erreichen mit Mühe
und eingedrückten Hut den heiligen Andreas, den Beschützer unseres Paletots,
und suchen den Weg nach oben hinauf. Aber bereits steht dort die Menge
Kopf an Kopf, die Hitze ist groß und die Luft nichts weniger als angenehm.
Ueber die Häupter hinweg ragt eine mit goldenem und silbernem Geräth, Blu¬
men und vielen Schaugerichten besetzte Tafel, vor welcher die Apostel in einer
Reihe Platz nehmen, so daß sie ihr den Rücken, dem Publicum aber das Ge¬
sicht zukehren. Der Papst mit den Kardinälen erscheint, wir sehen kaum, wie
die Apostel einige Bisquits zu Munde führen, als wieder dasselbe Drängen
nach den Eingangsthüren stattfindet, denn nun will ein jeder möglichst schnell
zu seinem Wagen gelangen.

Laß uns in die Galerien des Baticans schlüpfen, die heute auch dem nie¬
dern Publicum geöffnet sind; ruhen wir unsere vom langen Stehen ermüdeten
Glieder und ergötzen wir uns an den naiven Bemerkungen der Landleute, die
an den Reihen der antiken Statuen entlang ziehen. Lceolo ^erons! Lcoolo
'lilZizrio! das sind die Ausrufungen, welche wir am 'häufigsten hören. Tiber
und Nero jucken noch immer in den Köpfen der Leute. Der Mensch hat nun
einmal mehr Gedächtniß für das ihm zugefügte Böse als für das Gute.

Noch einmal wollen wir hinausziehen auf den Petersplatz und zwar am
heiligen Ostertage, um uns unter den großen apostolischen Segq,n zu beugen.
Auf dem Platz ist fast die ganze Garnison von Rom, Papalini und Franzosen
mit Pferden und Geschützen aufgestellt und eine unermeßliche Volksmenge zu
Fuß und zu Wagen versammelt. In der Kirche werden die Reliquien gezeigt,
der Papst celebrirt das,Hochamt, und während er die heilige Hostie emporhält,
schmettert ein Chor von Posaunen durch die weiten Räume, die Töne schwur"
gen sich an den Wölbungen entlang, bis sie als Echo vom anderen Ende der
Kirche zurückbrausen. Das bringt einen ergreifenden, mysteriösen Effect hervor,
es ist als ob der Ruhm des Kreuzes in die Welt hinein erschalle und vom fern¬
sten Ende derselben zurücktöne. Nach Beendigung der Messe tritt General
Gvyvn aus der Küche hervor, steigt mit seinem Stab j'zu Pferde und durch¬
reitet die Linien der Truppen. In der Loggia wird es lebendig, allmälig füllt
sie sich mit Cardinälen; über die Menschenmenge.verbreitet sich eine feierliche Stille
und erwartungsvolle Spannung. Endlich erscheinen die weißen Pfauenwedel
des päpstlichen Gefolges und über den Häuptern der Cardinäle auf erhabenem
Throne die Gestalt des Papstes. Die Menge sinkt demüthig auf die Knie --
es ist so still auf dem weiten Platz, daß man das Gesumme einer Fliege ver¬
nehmen kann. -- Der Papst erhebt sich, breitet die Arme zum Segen aus;
wir können aber der Entfernung halber seine Worte nicht verstehen; und kaum
hat er sich wieder niedergelassen, so präsentiren die Truppen, die Musikbanden
schmettern, von der Engelsburg her schallt Kanonendonner, alle Glocken der


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So werden auch wir hinausgeschoben und gestoßen, erreichen mit Mühe
und eingedrückten Hut den heiligen Andreas, den Beschützer unseres Paletots,
und suchen den Weg nach oben hinauf. Aber bereits steht dort die Menge
Kopf an Kopf, die Hitze ist groß und die Luft nichts weniger als angenehm.
Ueber die Häupter hinweg ragt eine mit goldenem und silbernem Geräth, Blu¬
men und vielen Schaugerichten besetzte Tafel, vor welcher die Apostel in einer
Reihe Platz nehmen, so daß sie ihr den Rücken, dem Publicum aber das Ge¬
sicht zukehren. Der Papst mit den Kardinälen erscheint, wir sehen kaum, wie
die Apostel einige Bisquits zu Munde führen, als wieder dasselbe Drängen
nach den Eingangsthüren stattfindet, denn nun will ein jeder möglichst schnell
zu seinem Wagen gelangen.

Laß uns in die Galerien des Baticans schlüpfen, die heute auch dem nie¬
dern Publicum geöffnet sind; ruhen wir unsere vom langen Stehen ermüdeten
Glieder und ergötzen wir uns an den naiven Bemerkungen der Landleute, die
an den Reihen der antiken Statuen entlang ziehen. Lceolo ^erons! Lcoolo
'lilZizrio! das sind die Ausrufungen, welche wir am 'häufigsten hören. Tiber
und Nero jucken noch immer in den Köpfen der Leute. Der Mensch hat nun
einmal mehr Gedächtniß für das ihm zugefügte Böse als für das Gute.

Noch einmal wollen wir hinausziehen auf den Petersplatz und zwar am
heiligen Ostertage, um uns unter den großen apostolischen Segq,n zu beugen.
Auf dem Platz ist fast die ganze Garnison von Rom, Papalini und Franzosen
mit Pferden und Geschützen aufgestellt und eine unermeßliche Volksmenge zu
Fuß und zu Wagen versammelt. In der Kirche werden die Reliquien gezeigt,
der Papst celebrirt das,Hochamt, und während er die heilige Hostie emporhält,
schmettert ein Chor von Posaunen durch die weiten Räume, die Töne schwur»
gen sich an den Wölbungen entlang, bis sie als Echo vom anderen Ende der
Kirche zurückbrausen. Das bringt einen ergreifenden, mysteriösen Effect hervor,
es ist als ob der Ruhm des Kreuzes in die Welt hinein erschalle und vom fern¬
sten Ende derselben zurücktöne. Nach Beendigung der Messe tritt General
Gvyvn aus der Küche hervor, steigt mit seinem Stab j'zu Pferde und durch¬
reitet die Linien der Truppen. In der Loggia wird es lebendig, allmälig füllt
sie sich mit Cardinälen; über die Menschenmenge.verbreitet sich eine feierliche Stille
und erwartungsvolle Spannung. Endlich erscheinen die weißen Pfauenwedel
des päpstlichen Gefolges und über den Häuptern der Cardinäle auf erhabenem
Throne die Gestalt des Papstes. Die Menge sinkt demüthig auf die Knie —
es ist so still auf dem weiten Platz, daß man das Gesumme einer Fliege ver¬
nehmen kann. — Der Papst erhebt sich, breitet die Arme zum Segen aus;
wir können aber der Entfernung halber seine Worte nicht verstehen; und kaum
hat er sich wieder niedergelassen, so präsentiren die Truppen, die Musikbanden
schmettern, von der Engelsburg her schallt Kanonendonner, alle Glocken der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/27>, abgerufen am 14.05.2024.