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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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sellde beginnen wie auf einen Schlag zu läuten, und ein unermeßlicher Jubel
bemächtigt sich der Menschen. Es ist ein gegenseitiges Beglückwünschen, ein
Jauchzen, ein Evviva-Rufen, ein Winken und Wehen mit Hüten und Tüchern
ohne Ende, eine Freude, als ob eine drückende Last vom Herzen der Mensch¬
heit gehoben sei. Es ist ein Augenblick voll ergreifender Feierlichkeit. -- Da
fällt unser Blick auf einen wohlbeleibten Abbctte, welcher in der Nähe vor
uns kniet und fein säuberlich sein Taschentuch untergebreitet hat, und das
schlägt wie das Ende eines Heyne'schen Liedes in unsere Festesstimmung
hinein. ,

Abends ist die Illumination des Se. Peter. Mit Anbruch der Dunkel¬
heit hüllt sich der Dom und die ihn umgebende Kolonnade in ein Meer von
Licht. Magisch seht sich die ungeheure Masse von dem dunkelen Himmel durch
unzählige kleine Lampen ab, die, mit vollendetem Geschmack an einander ge¬
reiht, die Architektur vortrefflich wiedergeben. Nachdem die Illumination wohl
eine Stunde gewährt hat, stammen plötzlich, wie auf einen Schlag die ganze
Fa^abe, die Kuppeln und die Colonnaden in eine glänzende Fcuermaffe auf,
die das Licht der bisherigen Beleuchtung vollständig todt macht. 300 Menschen
haben auf ein gegebenes Signal diese Steigerung des Lichts durch Anzündung
von fast 2000 Pcchpfannen und damit einen Effect bewirkt, der wahrhaft im-
ponirend ist. Gleichzeitig läuten alle Glocken des Domes. Weithin strahlt
oben das Kreuz von der Spitze der Kuppel in die Nacht hinein -- fürwahr
eine schöne Allegorie. Die Zuschauermasse ist einen Augenblick stumm vor stau¬
nendem Entzücken, dann bricht sie in ein über den Platze dahinrollendes und
immer wieder sich erneuerndes Händeklatschen des Beifalls aus.

Am Ostermontag wird die Girandolci auf dem Pincio abgebrannt. Wochen¬
lang vorher werden dazu schon Schuppen und Gerüste auf dem Passeggio pu-
blico gebaut, die diesen dann Monate lang verunzieren, weil sie bis zum
Feuerwerk des Petersabends, bis in den Juli hinein stehen bleiben. Auch auf
der Piazza del Popolo errichtet man Tribünen für den Hos und die Honora¬
tioren. Der Platz wird mit Truppen besetzt, um etwaige politische Demon¬
strationen zu verhindern. Musikbanden spielen, und die Zuschauer drängen sich
wieder in großen Massen. Feder und Worte sind zu schwach, um einen Be¬
griff von der wahrhaft imposanten Großartigkeit, von der mit raffinirtem
Kunstgeschmack arrangirten Mannigfaltigkeit, von dem Licht und Farbenreichthum,
von der blendenden Pracht dieses Feuerwerks zu geben. ^ Ununterbrochene
Artillcriesalvcn begleiten^ dasselbe. Massen von Raketen, Feuerfontainen, Cas-
caden, Blumenbouquets, Palmen, Sonnen und Feuerrädern folgen einander;
die Fa<;abe des ganzen Pincio und eines ^ improvisirten Palastes glänzt in
bengalische" Flammen und in Brillantfeuer; endlich zum Schluß sprudelt die
gewaltige Feuergarbe der Girandola, die dem Ganzen den Namen gibt, zum


sellde beginnen wie auf einen Schlag zu läuten, und ein unermeßlicher Jubel
bemächtigt sich der Menschen. Es ist ein gegenseitiges Beglückwünschen, ein
Jauchzen, ein Evviva-Rufen, ein Winken und Wehen mit Hüten und Tüchern
ohne Ende, eine Freude, als ob eine drückende Last vom Herzen der Mensch¬
heit gehoben sei. Es ist ein Augenblick voll ergreifender Feierlichkeit. — Da
fällt unser Blick auf einen wohlbeleibten Abbctte, welcher in der Nähe vor
uns kniet und fein säuberlich sein Taschentuch untergebreitet hat, und das
schlägt wie das Ende eines Heyne'schen Liedes in unsere Festesstimmung
hinein. ,

Abends ist die Illumination des Se. Peter. Mit Anbruch der Dunkel¬
heit hüllt sich der Dom und die ihn umgebende Kolonnade in ein Meer von
Licht. Magisch seht sich die ungeheure Masse von dem dunkelen Himmel durch
unzählige kleine Lampen ab, die, mit vollendetem Geschmack an einander ge¬
reiht, die Architektur vortrefflich wiedergeben. Nachdem die Illumination wohl
eine Stunde gewährt hat, stammen plötzlich, wie auf einen Schlag die ganze
Fa^abe, die Kuppeln und die Colonnaden in eine glänzende Fcuermaffe auf,
die das Licht der bisherigen Beleuchtung vollständig todt macht. 300 Menschen
haben auf ein gegebenes Signal diese Steigerung des Lichts durch Anzündung
von fast 2000 Pcchpfannen und damit einen Effect bewirkt, der wahrhaft im-
ponirend ist. Gleichzeitig läuten alle Glocken des Domes. Weithin strahlt
oben das Kreuz von der Spitze der Kuppel in die Nacht hinein — fürwahr
eine schöne Allegorie. Die Zuschauermasse ist einen Augenblick stumm vor stau¬
nendem Entzücken, dann bricht sie in ein über den Platze dahinrollendes und
immer wieder sich erneuerndes Händeklatschen des Beifalls aus.

Am Ostermontag wird die Girandolci auf dem Pincio abgebrannt. Wochen¬
lang vorher werden dazu schon Schuppen und Gerüste auf dem Passeggio pu-
blico gebaut, die diesen dann Monate lang verunzieren, weil sie bis zum
Feuerwerk des Petersabends, bis in den Juli hinein stehen bleiben. Auch auf
der Piazza del Popolo errichtet man Tribünen für den Hos und die Honora¬
tioren. Der Platz wird mit Truppen besetzt, um etwaige politische Demon¬
strationen zu verhindern. Musikbanden spielen, und die Zuschauer drängen sich
wieder in großen Massen. Feder und Worte sind zu schwach, um einen Be¬
griff von der wahrhaft imposanten Großartigkeit, von der mit raffinirtem
Kunstgeschmack arrangirten Mannigfaltigkeit, von dem Licht und Farbenreichthum,
von der blendenden Pracht dieses Feuerwerks zu geben. ^ Ununterbrochene
Artillcriesalvcn begleiten^ dasselbe. Massen von Raketen, Feuerfontainen, Cas-
caden, Blumenbouquets, Palmen, Sonnen und Feuerrädern folgen einander;
die Fa<;abe des ganzen Pincio und eines ^ improvisirten Palastes glänzt in
bengalische» Flammen und in Brillantfeuer; endlich zum Schluß sprudelt die
gewaltige Feuergarbe der Girandola, die dem Ganzen den Namen gibt, zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/28>, abgerufen am 14.05.2024.