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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Obgleich ursprünglich die politischen Rechte nur auf dem Grundbesitz
ruhten und deren Ausübung nicht durch eine Geburtsqualität bedingt oder be¬
schränkt war, so hat sich doch im Laufe der Zeit aus dem weiteren Kreise der
Ritterschaft ein engerer Kreis von angesessenen Adelsfamilien als der alte
Stamm der mecklenburgischen Ritterschaft ausgesondert und eine förmliche Ver¬
bindung begründet, welche gewisse landständische Rechte, unter Ausschluß sowohl
der bürgerlichen als der nicht zur Verbindung gehörenden adeligen Mitglieder
der Ritterschaft, lediglich für sich in Anspruch nimmt. Dazu gehören nament¬
lich die Rechte hinsichtlich der Landesklöster, welche sie, so weit es den Genuß
der Klosterbeneficien betrifft, sogar von der landständischen Eigenschaft völlig
abgelöst und in ein Recht gewisser Familien verwandelt hat. Diese Verbin¬
dung, welche in der "Vereinsacte" vom Jahre 1795 sich ein Statut gab, nennt
sich der "eingeborene und recipirte Adel".

Um die von den Mitgliedern dieser Verbindung behaupteten Vorrechte
drehten sich die in den Jahren 1,838 bis 1848 innerhalb der Ritterschaft ge¬
führten Streitigkeiten, welche, ohne zum Austrag gekommen zu sein, durch die
Ereignisse des Jahres 1848 unterbrochen wurden.

Diese Ereignisse übten auch aus den Adel des Landes einen mächtigen
Eindruck, und es schien fast, als ob er in der großen Mehrzahl seiner Glie¬
der eine Zeit lang von der ferneren UnHaltbarkeit seiner bisherigen Stellung
wirklich überzeugt wäre. Versammlungen von Mitgliedern der Ritterschaft tra¬
ten, auf den Ruf von Landräthen und andern angesehenen Personen aus dem
eingebornen Adel, an verschiedenen Orten zusammen und erschöpften sich in
öffentlichen Kundgebungen ihrer Anerkennung der Rcformbedürstigkeit der Landes¬
verfassung und ihrer unbeschränkten Opferfreudigkeit. In einer öffentlichen
Erklärung der Ritterschaft des Amts Stavenhagen vom 6. April 1848 werden
die landesherrlich verheißenen Reformen als "durch die Zeitverhältnisse gebieterisch
an die Hand gegebene" bezeichnet, und die Unterschriebenen sind, wie sie sagen,
"unter Zurücksetzung ihrer bisherigen Berechtigungen und Bevorzugungen, gern
zu jedem Opfer bereit, welches der Landesherr zu seinem und des ganzen Lan¬
des Wohl erfordern möchte." "Damit über die Aufrichtigkeit ihrer Gesinnung
kein Zweifel obwalte," heißt es dann weiter, "so sind sie nicht nur entschlossen,
auf das bisherige Recht ihrer Landstandschaft, insoweit das Wohl des Landes
es erfordern möchte, seiner Zeit zu verzichten und bei der Bildung eines ander¬
weitigen zeitgemäß zusammengesetzten ständischen Organs mitzuwirken, sondern
auch namentlich die Landesklöster, insoweit dies an ihnen liegt und vorvehält-
lich der etwa dieserhalb noch zu vereinbarenden Modalitäten, auf dem Altare
des Vaterlandes niederzulegen." Unterzeichnet ist-dieses Actenstück von dem
Landrath von Oertzen aus Jürgenstorf, dem Erblandmarschall von Maltzan
zu Penzlin. dem Erblandmarschall Graf von Hahn auf Basedow, dem Graf


Grenzboten IV. 1362. 38

Obgleich ursprünglich die politischen Rechte nur auf dem Grundbesitz
ruhten und deren Ausübung nicht durch eine Geburtsqualität bedingt oder be¬
schränkt war, so hat sich doch im Laufe der Zeit aus dem weiteren Kreise der
Ritterschaft ein engerer Kreis von angesessenen Adelsfamilien als der alte
Stamm der mecklenburgischen Ritterschaft ausgesondert und eine förmliche Ver¬
bindung begründet, welche gewisse landständische Rechte, unter Ausschluß sowohl
der bürgerlichen als der nicht zur Verbindung gehörenden adeligen Mitglieder
der Ritterschaft, lediglich für sich in Anspruch nimmt. Dazu gehören nament¬
lich die Rechte hinsichtlich der Landesklöster, welche sie, so weit es den Genuß
der Klosterbeneficien betrifft, sogar von der landständischen Eigenschaft völlig
abgelöst und in ein Recht gewisser Familien verwandelt hat. Diese Verbin¬
dung, welche in der „Vereinsacte" vom Jahre 1795 sich ein Statut gab, nennt
sich der „eingeborene und recipirte Adel".

Um die von den Mitgliedern dieser Verbindung behaupteten Vorrechte
drehten sich die in den Jahren 1,838 bis 1848 innerhalb der Ritterschaft ge¬
führten Streitigkeiten, welche, ohne zum Austrag gekommen zu sein, durch die
Ereignisse des Jahres 1848 unterbrochen wurden.

Diese Ereignisse übten auch aus den Adel des Landes einen mächtigen
Eindruck, und es schien fast, als ob er in der großen Mehrzahl seiner Glie¬
der eine Zeit lang von der ferneren UnHaltbarkeit seiner bisherigen Stellung
wirklich überzeugt wäre. Versammlungen von Mitgliedern der Ritterschaft tra¬
ten, auf den Ruf von Landräthen und andern angesehenen Personen aus dem
eingebornen Adel, an verschiedenen Orten zusammen und erschöpften sich in
öffentlichen Kundgebungen ihrer Anerkennung der Rcformbedürstigkeit der Landes¬
verfassung und ihrer unbeschränkten Opferfreudigkeit. In einer öffentlichen
Erklärung der Ritterschaft des Amts Stavenhagen vom 6. April 1848 werden
die landesherrlich verheißenen Reformen als „durch die Zeitverhältnisse gebieterisch
an die Hand gegebene" bezeichnet, und die Unterschriebenen sind, wie sie sagen,
„unter Zurücksetzung ihrer bisherigen Berechtigungen und Bevorzugungen, gern
zu jedem Opfer bereit, welches der Landesherr zu seinem und des ganzen Lan¬
des Wohl erfordern möchte." „Damit über die Aufrichtigkeit ihrer Gesinnung
kein Zweifel obwalte," heißt es dann weiter, „so sind sie nicht nur entschlossen,
auf das bisherige Recht ihrer Landstandschaft, insoweit das Wohl des Landes
es erfordern möchte, seiner Zeit zu verzichten und bei der Bildung eines ander¬
weitigen zeitgemäß zusammengesetzten ständischen Organs mitzuwirken, sondern
auch namentlich die Landesklöster, insoweit dies an ihnen liegt und vorvehält-
lich der etwa dieserhalb noch zu vereinbarenden Modalitäten, auf dem Altare
des Vaterlandes niederzulegen." Unterzeichnet ist-dieses Actenstück von dem
Landrath von Oertzen aus Jürgenstorf, dem Erblandmarschall von Maltzan
zu Penzlin. dem Erblandmarschall Graf von Hahn auf Basedow, dem Graf


Grenzboten IV. 1362. 38
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/305>, abgerufen am 31.05.2024.