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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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von Bassewitz-Schlitz auf Burg-Schlitz, dem Graf von Voß auf Gr.-Glevitz, dem
Graf von Plessen auf Jvenack, den von Maltzan auf Gr.-Luckow, auf Ki.-Luckow.
auf Peutsch, auf Mallin, auf Remplin, auf Alt-Nesse, auf Schloß Grubenhagen,
dem von Blücher auf Rosenow, dem von Boß auf Puchow, dem von der
Lancken auf Galcnbeck, dem von Zülow auf Knorrendorf, dem von Gundlach
auf Möllenhagen, dem von Behr-Negendanck auf Torgelow, dem von Oertzen
auf Kittendvrf, dem von Oldenburg auf Marxhagen und mehrern andern ade¬
ligen, auch einigen bürgerlichen Mitgliedern der Ritterschaft. In demselben
Sinne sprach eine allgemeine, von mehr als 150 Rittern, zur Hälfte adeligen, zur
Hälfte bürgerlichen Standes, besuchte Versammlung sich aus, welche am 14. April
1848 zu Güstrow abgehalten ward. Unter den adeligen Theilnehmern an die¬
ser Versammlung befanden sich vier Landräthe und zwei Lcmdmarschälle.

Seit der Zeit der Restauration läßt sich der Adel nicht gern an jene frei¬
willigen Kundgebungen seiner Opferbereitschaft erinnern. Er beklagt dieselben
als eine Uebereilung und hält sich nicht mehr an sie gebunden. Von einer
Reformbedürftigkeit der Landesverfassung und Landesvertretung ist bei ihm
nicht mehr die Rede. Auch die Staatsregierung hat den Weg zur Einführung
Mecklenburgs in die Reihe der constitutionellen Staaten, weicher am 23. März
1848 als nothwendig proclamirt ward, und an welchem sie selbst noch nach
vollbrachter Restauration unverbrüchlich festhalten zu wollen erklärte, gänzlich
aufgegeben. Alle drei Staatsminister gehören dem Adel, zwei von ihnen so¬
gar dem "eingebornen" Adel an, und der Präsident des Staatsministeriums
war einer der Führer des letzteren in dessen Streitigkeiten mit den übrigen
Mitgliedern der Ritterschaft während der Jahre 1838 bis 1848. Die Adels-
Herrschaft steht daher jetzt in Mecklenburg in einer Blüthe wie kaum jemals
zuvor.

Und doch ist diese Blüthe von einem inneren Wurm zernagt und ohne
Verheißung irgend einer Frucht. Es besteht zwischen dem Adel und dem
übrigen Volk kein inneres Band mehr. Das Volk weiß, daß es von dem
Adel nichts mehr zu erwarten hat und daß dessen politische Stellung nur noch
künstlich gefristet wird. Daher ist auch diese Stellung eine äußerst schwache,
lediglich von der Gunst und dem guten Willen der Staatsregierung abhängige.
Sowie die letztere ihre Hand von dem Adel zurückzieht, ist es mit dessen
politischer Macht zu Ende. Ohnehin war dieselbe längst tief erschüttert; aber
die Lossagung des Adels von den im Jahre 1843 öffentlich gegebenen Ver¬
heißungen hat die Lösung des Bandes zwischen ihm und dem Volke jetzt voll-
endet. Der Adel hat sich damit jede Möglichkeit einer erneuten Mitwirkung
an der Verfassungsarbeit selbst abgeschnitten, und es hätte nicht des Auftretens
auch noch solcher Figuren aus seiner Mitte, wie des berühmten Gesetzgebers
tur das ganze "Hahnsche", bedurft, um jene Lösung zum Abschluß zu bringen.


von Bassewitz-Schlitz auf Burg-Schlitz, dem Graf von Voß auf Gr.-Glevitz, dem
Graf von Plessen auf Jvenack, den von Maltzan auf Gr.-Luckow, auf Ki.-Luckow.
auf Peutsch, auf Mallin, auf Remplin, auf Alt-Nesse, auf Schloß Grubenhagen,
dem von Blücher auf Rosenow, dem von Boß auf Puchow, dem von der
Lancken auf Galcnbeck, dem von Zülow auf Knorrendorf, dem von Gundlach
auf Möllenhagen, dem von Behr-Negendanck auf Torgelow, dem von Oertzen
auf Kittendvrf, dem von Oldenburg auf Marxhagen und mehrern andern ade¬
ligen, auch einigen bürgerlichen Mitgliedern der Ritterschaft. In demselben
Sinne sprach eine allgemeine, von mehr als 150 Rittern, zur Hälfte adeligen, zur
Hälfte bürgerlichen Standes, besuchte Versammlung sich aus, welche am 14. April
1848 zu Güstrow abgehalten ward. Unter den adeligen Theilnehmern an die¬
ser Versammlung befanden sich vier Landräthe und zwei Lcmdmarschälle.

Seit der Zeit der Restauration läßt sich der Adel nicht gern an jene frei¬
willigen Kundgebungen seiner Opferbereitschaft erinnern. Er beklagt dieselben
als eine Uebereilung und hält sich nicht mehr an sie gebunden. Von einer
Reformbedürftigkeit der Landesverfassung und Landesvertretung ist bei ihm
nicht mehr die Rede. Auch die Staatsregierung hat den Weg zur Einführung
Mecklenburgs in die Reihe der constitutionellen Staaten, weicher am 23. März
1848 als nothwendig proclamirt ward, und an welchem sie selbst noch nach
vollbrachter Restauration unverbrüchlich festhalten zu wollen erklärte, gänzlich
aufgegeben. Alle drei Staatsminister gehören dem Adel, zwei von ihnen so¬
gar dem „eingebornen" Adel an, und der Präsident des Staatsministeriums
war einer der Führer des letzteren in dessen Streitigkeiten mit den übrigen
Mitgliedern der Ritterschaft während der Jahre 1838 bis 1848. Die Adels-
Herrschaft steht daher jetzt in Mecklenburg in einer Blüthe wie kaum jemals
zuvor.

Und doch ist diese Blüthe von einem inneren Wurm zernagt und ohne
Verheißung irgend einer Frucht. Es besteht zwischen dem Adel und dem
übrigen Volk kein inneres Band mehr. Das Volk weiß, daß es von dem
Adel nichts mehr zu erwarten hat und daß dessen politische Stellung nur noch
künstlich gefristet wird. Daher ist auch diese Stellung eine äußerst schwache,
lediglich von der Gunst und dem guten Willen der Staatsregierung abhängige.
Sowie die letztere ihre Hand von dem Adel zurückzieht, ist es mit dessen
politischer Macht zu Ende. Ohnehin war dieselbe längst tief erschüttert; aber
die Lossagung des Adels von den im Jahre 1843 öffentlich gegebenen Ver¬
heißungen hat die Lösung des Bandes zwischen ihm und dem Volke jetzt voll-
endet. Der Adel hat sich damit jede Möglichkeit einer erneuten Mitwirkung
an der Verfassungsarbeit selbst abgeschnitten, und es hätte nicht des Auftretens
auch noch solcher Figuren aus seiner Mitte, wie des berühmten Gesetzgebers
tur das ganze „Hahnsche", bedurft, um jene Lösung zum Abschluß zu bringen.


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[0306] von Bassewitz-Schlitz auf Burg-Schlitz, dem Graf von Voß auf Gr.-Glevitz, dem Graf von Plessen auf Jvenack, den von Maltzan auf Gr.-Luckow, auf Ki.-Luckow. auf Peutsch, auf Mallin, auf Remplin, auf Alt-Nesse, auf Schloß Grubenhagen, dem von Blücher auf Rosenow, dem von Boß auf Puchow, dem von der Lancken auf Galcnbeck, dem von Zülow auf Knorrendorf, dem von Gundlach auf Möllenhagen, dem von Behr-Negendanck auf Torgelow, dem von Oertzen auf Kittendvrf, dem von Oldenburg auf Marxhagen und mehrern andern ade¬ ligen, auch einigen bürgerlichen Mitgliedern der Ritterschaft. In demselben Sinne sprach eine allgemeine, von mehr als 150 Rittern, zur Hälfte adeligen, zur Hälfte bürgerlichen Standes, besuchte Versammlung sich aus, welche am 14. April 1848 zu Güstrow abgehalten ward. Unter den adeligen Theilnehmern an die¬ ser Versammlung befanden sich vier Landräthe und zwei Lcmdmarschälle. Seit der Zeit der Restauration läßt sich der Adel nicht gern an jene frei¬ willigen Kundgebungen seiner Opferbereitschaft erinnern. Er beklagt dieselben als eine Uebereilung und hält sich nicht mehr an sie gebunden. Von einer Reformbedürftigkeit der Landesverfassung und Landesvertretung ist bei ihm nicht mehr die Rede. Auch die Staatsregierung hat den Weg zur Einführung Mecklenburgs in die Reihe der constitutionellen Staaten, weicher am 23. März 1848 als nothwendig proclamirt ward, und an welchem sie selbst noch nach vollbrachter Restauration unverbrüchlich festhalten zu wollen erklärte, gänzlich aufgegeben. Alle drei Staatsminister gehören dem Adel, zwei von ihnen so¬ gar dem „eingebornen" Adel an, und der Präsident des Staatsministeriums war einer der Führer des letzteren in dessen Streitigkeiten mit den übrigen Mitgliedern der Ritterschaft während der Jahre 1838 bis 1848. Die Adels- Herrschaft steht daher jetzt in Mecklenburg in einer Blüthe wie kaum jemals zuvor. Und doch ist diese Blüthe von einem inneren Wurm zernagt und ohne Verheißung irgend einer Frucht. Es besteht zwischen dem Adel und dem übrigen Volk kein inneres Band mehr. Das Volk weiß, daß es von dem Adel nichts mehr zu erwarten hat und daß dessen politische Stellung nur noch künstlich gefristet wird. Daher ist auch diese Stellung eine äußerst schwache, lediglich von der Gunst und dem guten Willen der Staatsregierung abhängige. Sowie die letztere ihre Hand von dem Adel zurückzieht, ist es mit dessen politischer Macht zu Ende. Ohnehin war dieselbe längst tief erschüttert; aber die Lossagung des Adels von den im Jahre 1843 öffentlich gegebenen Ver¬ heißungen hat die Lösung des Bandes zwischen ihm und dem Volke jetzt voll- endet. Der Adel hat sich damit jede Möglichkeit einer erneuten Mitwirkung an der Verfassungsarbeit selbst abgeschnitten, und es hätte nicht des Auftretens auch noch solcher Figuren aus seiner Mitte, wie des berühmten Gesetzgebers tur das ganze „Hahnsche", bedurft, um jene Lösung zum Abschluß zu bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/306>, abgerufen am 15.05.2024.