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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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folgende haarsträubenden Gedanken von sich gab. "Wo noch keine Lust zum
Lesen (beim Volke) sei, rege man sie nicht an. Es ist nicht zu wünschen, daß
der Bauer Zeitungen liest. Auch das Verlangen nach guter Lectüre soll,
wenigstens unter Landleuten, nicht hervorgerufen werden. Selbst
Erbauungsbücher reiche man nur sparsam. Bibel, Gesangbuch, Katechismus,
eine Hauspostille, ein Gebetbuch genügen, dazu am ehesten noch ein Mis"
sionsblatt."

Und dieser Mann steht mit an der Spitze unseres Kirchen- und Schul¬
wesens! -- und das im neunzehnten Jahrhundert!

Der Name eines zweiten Mitgliedes des Konsistoriums, des Herrn Regie¬
rungsraths Wyneken, knüpft sich in der letzten Zeit vornämlich an die Lengericher
Sache. Der Lengericher reformirten Gemeinde wurde bekanntlich vom Konsistorium,
ihrer vorgesetzten Behörde, aufgegeben, eine nach den Aussagen des eigenen
Sachverständigen des Consistoriums sehr wohl auf mehre Jahre zu vertheilende
Reparatur ihrer großen und schönen Kirche alsbald zu beschaffen, und als die
Gemeinde das Geld nicht auf ein Mal aufbringen konnte, ihr zugemuthet, ihre
an 80,000 Thaler werthe Kirche für 13,000 Thaler an die Katholiken zu ver¬
handeln, um sich von dieser Kaufsumme dann erst wieder ein neues Gotteshaus
zu bauen. Die Gemeinde bat um eine Collecte, das Consistorium schlug sie
ab, und auch die Beihülfe des Gustav-Adolf-Vereins für diese bedrängte evan¬
gelische Kirche ist vom Consistorium mindestens nicht erleichtert worden, und ist
nicht den Lengerichern in der That ihre Kirche gerettet, trotz des Consistoriums!"

Lieber katholisch als reformirt, ist der Wahlspruch unsrer lutherischen Zions-
wächter. Wynecken (er ist Consistorialdirector) äußerte, wie uns verbürgt wird,
bei jener Gelegenheit zu dem Lengericher Kirchenvorsteher Veltwisch: "was sie
nun anfangen wollten? Geld hätten sie nicht, eine Collecte würde ihnen nicht
zugestanden, und dafür, daß ihnen der Gustav-Adolf-Verein nicht
hülfe, würde man schon zu sorgen wissen".

Die Adresse schließt dann folgendermaßen:

"Solche Thatsachen, die wir nur andeuten können) haben unsere Ver¬
achtung (!), ja unsern Haß (!) gegen seine Urheber gerichtet, und es ist
das Vertrauen zu unserm Consistorium völlig geschwunden. Ja, wir sprechen es
geradezu aus, daß, so lange es besteht, unserer Kirche der Frieden fehlen wird.
Das gilt auch noch in anderen Beziehungen: in dem Seminar erzieht es ein
Geschlecht Lehrer, das seine starren Grundsätze in sich aufnimmt und bereits
mit ihnen Streit und Unfrieden in die Schulgemeinden trägt. Von den Kär-


der Mischung der Ingredienzien, pikanten Beigeschmack und schönes Verständniß der Natur
von Gemüsen und Küchengeccithsch after manches Gemüth wohlthuend berührte und nach mehr
von der Sorte verlangen ließ.
Grenzboten IV. 1S62. 4

folgende haarsträubenden Gedanken von sich gab. „Wo noch keine Lust zum
Lesen (beim Volke) sei, rege man sie nicht an. Es ist nicht zu wünschen, daß
der Bauer Zeitungen liest. Auch das Verlangen nach guter Lectüre soll,
wenigstens unter Landleuten, nicht hervorgerufen werden. Selbst
Erbauungsbücher reiche man nur sparsam. Bibel, Gesangbuch, Katechismus,
eine Hauspostille, ein Gebetbuch genügen, dazu am ehesten noch ein Mis«
sionsblatt."

Und dieser Mann steht mit an der Spitze unseres Kirchen- und Schul¬
wesens! — und das im neunzehnten Jahrhundert!

Der Name eines zweiten Mitgliedes des Konsistoriums, des Herrn Regie¬
rungsraths Wyneken, knüpft sich in der letzten Zeit vornämlich an die Lengericher
Sache. Der Lengericher reformirten Gemeinde wurde bekanntlich vom Konsistorium,
ihrer vorgesetzten Behörde, aufgegeben, eine nach den Aussagen des eigenen
Sachverständigen des Consistoriums sehr wohl auf mehre Jahre zu vertheilende
Reparatur ihrer großen und schönen Kirche alsbald zu beschaffen, und als die
Gemeinde das Geld nicht auf ein Mal aufbringen konnte, ihr zugemuthet, ihre
an 80,000 Thaler werthe Kirche für 13,000 Thaler an die Katholiken zu ver¬
handeln, um sich von dieser Kaufsumme dann erst wieder ein neues Gotteshaus
zu bauen. Die Gemeinde bat um eine Collecte, das Consistorium schlug sie
ab, und auch die Beihülfe des Gustav-Adolf-Vereins für diese bedrängte evan¬
gelische Kirche ist vom Consistorium mindestens nicht erleichtert worden, und ist
nicht den Lengerichern in der That ihre Kirche gerettet, trotz des Consistoriums!"

Lieber katholisch als reformirt, ist der Wahlspruch unsrer lutherischen Zions-
wächter. Wynecken (er ist Consistorialdirector) äußerte, wie uns verbürgt wird,
bei jener Gelegenheit zu dem Lengericher Kirchenvorsteher Veltwisch: „was sie
nun anfangen wollten? Geld hätten sie nicht, eine Collecte würde ihnen nicht
zugestanden, und dafür, daß ihnen der Gustav-Adolf-Verein nicht
hülfe, würde man schon zu sorgen wissen".

Die Adresse schließt dann folgendermaßen:

„Solche Thatsachen, die wir nur andeuten können) haben unsere Ver¬
achtung (!), ja unsern Haß (!) gegen seine Urheber gerichtet, und es ist
das Vertrauen zu unserm Consistorium völlig geschwunden. Ja, wir sprechen es
geradezu aus, daß, so lange es besteht, unserer Kirche der Frieden fehlen wird.
Das gilt auch noch in anderen Beziehungen: in dem Seminar erzieht es ein
Geschlecht Lehrer, das seine starren Grundsätze in sich aufnimmt und bereits
mit ihnen Streit und Unfrieden in die Schulgemeinden trägt. Von den Kär-


der Mischung der Ingredienzien, pikanten Beigeschmack und schönes Verständniß der Natur
von Gemüsen und Küchengeccithsch after manches Gemüth wohlthuend berührte und nach mehr
von der Sorte verlangen ließ.
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[0033] folgende haarsträubenden Gedanken von sich gab. „Wo noch keine Lust zum Lesen (beim Volke) sei, rege man sie nicht an. Es ist nicht zu wünschen, daß der Bauer Zeitungen liest. Auch das Verlangen nach guter Lectüre soll, wenigstens unter Landleuten, nicht hervorgerufen werden. Selbst Erbauungsbücher reiche man nur sparsam. Bibel, Gesangbuch, Katechismus, eine Hauspostille, ein Gebetbuch genügen, dazu am ehesten noch ein Mis« sionsblatt." Und dieser Mann steht mit an der Spitze unseres Kirchen- und Schul¬ wesens! — und das im neunzehnten Jahrhundert! Der Name eines zweiten Mitgliedes des Konsistoriums, des Herrn Regie¬ rungsraths Wyneken, knüpft sich in der letzten Zeit vornämlich an die Lengericher Sache. Der Lengericher reformirten Gemeinde wurde bekanntlich vom Konsistorium, ihrer vorgesetzten Behörde, aufgegeben, eine nach den Aussagen des eigenen Sachverständigen des Consistoriums sehr wohl auf mehre Jahre zu vertheilende Reparatur ihrer großen und schönen Kirche alsbald zu beschaffen, und als die Gemeinde das Geld nicht auf ein Mal aufbringen konnte, ihr zugemuthet, ihre an 80,000 Thaler werthe Kirche für 13,000 Thaler an die Katholiken zu ver¬ handeln, um sich von dieser Kaufsumme dann erst wieder ein neues Gotteshaus zu bauen. Die Gemeinde bat um eine Collecte, das Consistorium schlug sie ab, und auch die Beihülfe des Gustav-Adolf-Vereins für diese bedrängte evan¬ gelische Kirche ist vom Consistorium mindestens nicht erleichtert worden, und ist nicht den Lengerichern in der That ihre Kirche gerettet, trotz des Consistoriums!" Lieber katholisch als reformirt, ist der Wahlspruch unsrer lutherischen Zions- wächter. Wynecken (er ist Consistorialdirector) äußerte, wie uns verbürgt wird, bei jener Gelegenheit zu dem Lengericher Kirchenvorsteher Veltwisch: „was sie nun anfangen wollten? Geld hätten sie nicht, eine Collecte würde ihnen nicht zugestanden, und dafür, daß ihnen der Gustav-Adolf-Verein nicht hülfe, würde man schon zu sorgen wissen". Die Adresse schließt dann folgendermaßen: „Solche Thatsachen, die wir nur andeuten können) haben unsere Ver¬ achtung (!), ja unsern Haß (!) gegen seine Urheber gerichtet, und es ist das Vertrauen zu unserm Consistorium völlig geschwunden. Ja, wir sprechen es geradezu aus, daß, so lange es besteht, unserer Kirche der Frieden fehlen wird. Das gilt auch noch in anderen Beziehungen: in dem Seminar erzieht es ein Geschlecht Lehrer, das seine starren Grundsätze in sich aufnimmt und bereits mit ihnen Streit und Unfrieden in die Schulgemeinden trägt. Von den Kär- der Mischung der Ingredienzien, pikanten Beigeschmack und schönes Verständniß der Natur von Gemüsen und Küchengeccithsch after manches Gemüth wohlthuend berührte und nach mehr von der Sorte verlangen ließ. Grenzboten IV. 1S62. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/33>, abgerufen am 14.05.2024.