Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.hatten, fingen an, sich fester zusammenzuschließen und nach einem Führer aus Die Aufgabe Guizots, der unter Spukes nomineller Prästdenschaft als Das Julikvnigthum hatte eine gefährliche Krise durchgemacht. Auf die hatten, fingen an, sich fester zusammenzuschließen und nach einem Führer aus Die Aufgabe Guizots, der unter Spukes nomineller Prästdenschaft als Das Julikvnigthum hatte eine gefährliche Krise durchgemacht. Auf die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115200"/> <p xml:id="ID_1116" prev="#ID_1115"> hatten, fingen an, sich fester zusammenzuschließen und nach einem Führer aus<lb/> ihren eigenen Reihen zu suchen. Dieser Führer konnte nur Guizot sein. Das<lb/> Attentat von Darmös trug mächtig dazu bei, die Disciplin in die Partei, die<lb/> die Folgen der parlamentarischen Koalition noch immer nicht ganz überwunden<lb/> hatte, zurückzuführen. Besonderer Intriguen, um den Sturz Thiers herbeizu¬<lb/> führen, bedürfte es nicht. Was namentlich Guizot betrifft, so hielt er sich ge¬<lb/> flissentlich zurück und ließ die Dinge für sich arbeiten. Am 20. October, vor<lb/> dem Wiederzusammentritt der Kammern, legte Thiers dem Könige den Entwurf<lb/> einer Thronrede vor, in der die Nothwendigkeit weiterer Rüstungen erörtert<lb/> und aus die Möglichkeit eines Krieges hingewiesen wurde; eine Wendung, die,<lb/> da man niemals entschlossen war, nicht Krieg zu führen, zugleich nichtssagend<lb/> und aufregend war; da der König demgemäß diesem Passus seine Genehmigung<lb/> verweigerte, reichte das Ministerium seine Entlassung ein, die sofort angenommen<lb/> wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1117"> Die Aufgabe Guizots, der unter Spukes nomineller Prästdenschaft als<lb/> Minister des Auswärtigen in der That die Leitung des Staates übernahm,<lb/> war in Bezug auf die vorliegende Angelegenheit leicht, es handelte sich nur<lb/> um die Formen, unter denen Frankreich seinen Frieden mit den Mächten machen<lb/> sollte; die Formsrage wurde ohne Mühe erledigt, Weit größer waren die all¬<lb/> gemeinen Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1118" next="#ID_1119"> Das Julikvnigthum hatte eine gefährliche Krise durchgemacht. Auf die<lb/> Zersetzung der conservativen Partei war, obwohl nicht mit ihr in nachweisbaren<lb/> Zusammenhange stehend, die Niederlage in der orientalischen Frage gefolgt.<lb/> Unter dem Eindruck der aus ihr entspringenden Gefahr hatte die Partei Gui¬<lb/> zots sich wieder fest zusammcngeschaart. entschlossen, die Politik des Widerstandes<lb/> bis aufs Aeußerste durchzuführen, Da sie unter der energischen Führung<lb/> Guizots über die Mehrheit der Kammern verfügte, so schien die Aufgabe leicht,<lb/> war aber in der That höchst gefährlich. Der Widerstand war eine Pflicht, so<lb/> weit er gegen die revolutionären Forderungen der anarchischen Parteien gerichtet<lb/> war; er wurde verderblich, sobald er zum politischen System wurde, und desto<lb/> verderblicher, je leichter er bei den eigenthümlichen Verhältnissen Frankreichs zu<lb/> handhaben war. Vermöge der schroffe» Centralisation im Staate, über deren<lb/> Gefahren erst neuerdings unter den französischen Staatsmännern der alten Schule<lb/> sich ein klares Bewußtsein zu bilden angefangen hat, beherrschte die Negierung<lb/> die Administration unbedingt und übte einen überwiegenden Einfluß auf die<lb/> Wahlen aus. Die Centralisation steht im Widerspruche mit dem Verfassungs¬<lb/> staate, nicht blos weil sie ein Hinderniß'politischer Tüchtigkeit und Selbständig¬<lb/> keit ist, sondern auch weil ihr naturgemäß das Streben eingeimpft ist, die<lb/> öffentliche Meinung nach den jedesmaligen Bedürfnissen der Regierung zu for¬<lb/> men. Der centralisirte Verfassungsstaat, mag die Staatsmaschine noch so voll-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
hatten, fingen an, sich fester zusammenzuschließen und nach einem Führer aus
ihren eigenen Reihen zu suchen. Dieser Führer konnte nur Guizot sein. Das
Attentat von Darmös trug mächtig dazu bei, die Disciplin in die Partei, die
die Folgen der parlamentarischen Koalition noch immer nicht ganz überwunden
hatte, zurückzuführen. Besonderer Intriguen, um den Sturz Thiers herbeizu¬
führen, bedürfte es nicht. Was namentlich Guizot betrifft, so hielt er sich ge¬
flissentlich zurück und ließ die Dinge für sich arbeiten. Am 20. October, vor
dem Wiederzusammentritt der Kammern, legte Thiers dem Könige den Entwurf
einer Thronrede vor, in der die Nothwendigkeit weiterer Rüstungen erörtert
und aus die Möglichkeit eines Krieges hingewiesen wurde; eine Wendung, die,
da man niemals entschlossen war, nicht Krieg zu führen, zugleich nichtssagend
und aufregend war; da der König demgemäß diesem Passus seine Genehmigung
verweigerte, reichte das Ministerium seine Entlassung ein, die sofort angenommen
wurde.
Die Aufgabe Guizots, der unter Spukes nomineller Prästdenschaft als
Minister des Auswärtigen in der That die Leitung des Staates übernahm,
war in Bezug auf die vorliegende Angelegenheit leicht, es handelte sich nur
um die Formen, unter denen Frankreich seinen Frieden mit den Mächten machen
sollte; die Formsrage wurde ohne Mühe erledigt, Weit größer waren die all¬
gemeinen Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte.
Das Julikvnigthum hatte eine gefährliche Krise durchgemacht. Auf die
Zersetzung der conservativen Partei war, obwohl nicht mit ihr in nachweisbaren
Zusammenhange stehend, die Niederlage in der orientalischen Frage gefolgt.
Unter dem Eindruck der aus ihr entspringenden Gefahr hatte die Partei Gui¬
zots sich wieder fest zusammcngeschaart. entschlossen, die Politik des Widerstandes
bis aufs Aeußerste durchzuführen, Da sie unter der energischen Führung
Guizots über die Mehrheit der Kammern verfügte, so schien die Aufgabe leicht,
war aber in der That höchst gefährlich. Der Widerstand war eine Pflicht, so
weit er gegen die revolutionären Forderungen der anarchischen Parteien gerichtet
war; er wurde verderblich, sobald er zum politischen System wurde, und desto
verderblicher, je leichter er bei den eigenthümlichen Verhältnissen Frankreichs zu
handhaben war. Vermöge der schroffe» Centralisation im Staate, über deren
Gefahren erst neuerdings unter den französischen Staatsmännern der alten Schule
sich ein klares Bewußtsein zu bilden angefangen hat, beherrschte die Negierung
die Administration unbedingt und übte einen überwiegenden Einfluß auf die
Wahlen aus. Die Centralisation steht im Widerspruche mit dem Verfassungs¬
staate, nicht blos weil sie ein Hinderniß'politischer Tüchtigkeit und Selbständig¬
keit ist, sondern auch weil ihr naturgemäß das Streben eingeimpft ist, die
öffentliche Meinung nach den jedesmaligen Bedürfnissen der Regierung zu for¬
men. Der centralisirte Verfassungsstaat, mag die Staatsmaschine noch so voll-
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