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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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"Nach der Wendung, welche die Schlacht von Jdstedt dem Kriege gegeben,
schien nur das Höchste, was etwa noch zu erreichen, ihn, verstärkt durch die
defensiven Kräfte, welche Terrain und Fornsicativn bieten konnten, um Rends¬
burg herum stehend zu erhalten. Auch dazu schon schien nichts so dringend ge¬
boten, als die nächste Zeit der Ruhe, welche der Feind etwa ließe, besonders
der Stärkung und Haltung der Truppen zu widmen.

Der Mangel an Offizieren, mit welchem der.Feldzug schon hatte begonnen
werden müssen, war durch die starken Verluste der Schlacht noch drückender
geworden. Viele der Tapfersten waren geblieben oder verwundet, und doch war
nur durch den Verlauf der Dinge bis hierher meine schon lange feststehende
Ueberzeugung nur zu sehr bestätigt worden, daß.Truppen im Gefecht ganz so
sind wie ihre Führer. Der anfänglich glänzende Erfolg bei der dritten und
ersten Brigade gehörte allein der tapfern Führung. Das Material nach unten
war bei allen Brigaden dasselbe. Die nothwendig mangelhafte Ausbildung der
Mannschaft ist nicht Schuld gewesen an dem Mißlingen hier und da. Die
Haupteigenschaft des Soldaten, die Tapferkeit, ist kein Product einer mehr oder
minder vollendeten Dressur, sondern vorzugsweise des Beispiels, welches ihm
seine nächsten Vorgesetzten geben, und hier liegt die unermeßliche Wichtigkeit,
welche das Offizier- und Unterosfizicrcorps für die Truppe hat. Es muß zahl¬
reich und gut ausgebildet sein. Beides fehlte der kleinen Armee und mußte
ihr nach den obwaltenden Umständen fehlen; dieser nicht wegzubringende
Mangel aber hat ihr am meisten geschadet. Fügt man dem noch die große
numerische Schwäche hinzu, erwägt man, daß sie, mit jenem Mangel behaftet,
noch einer fast doppelten Ueberlegenheit entgegentreten mußte, so wird kaum
ein billig Denkender und gewiß kein Wissender anders urtheilen, als daß im
Ganzen und Großen so viel geleistet worden, als irgend erwartet werden
konnte. Wenn unter solchen Umständen dem Schwachen das Glück nicht zur
Seite steht, so muß er natürlich unterliegen, und nicht leicht ist einer vom
Glücke schlimmer behandelt worden, als hier der zuletzt Unterliegende.

So erging denn nach allen Seiten hin in das große Deutschland der
Aufruf, dem Mangel aus seinem Reichthume abzuhelfen, Mannschaften zu
schicken und besonders Offiziere. Aber da alle Regierungen die Sache verlassen
hatten, blieb auch hier der Erfolg weit hinter unsern Wünschen zurück.

Indeß war das Heer doch bald nothdürftig wieder hergestellt, ja bald
stärker als beim Beginn des Feldzugs, so daß man der weiteren Entwickelung
um so mehr mit Ruhe entgegensehen konnte, als auch die fortisicatvrischcn
Verstärtungsmittel in der Position an der Sorge und um Rendsburg durch
die angestrengteste Arbeit der Armee selbst eine Ausbildung erhalten hatten,
welche dem Feinde seine Aufgabe täglich schwieriger machte, und als die fort¬
gesetzte Unthätigkeit desselben den Beweis zu liefern schien, daß auch bei ihm


„Nach der Wendung, welche die Schlacht von Jdstedt dem Kriege gegeben,
schien nur das Höchste, was etwa noch zu erreichen, ihn, verstärkt durch die
defensiven Kräfte, welche Terrain und Fornsicativn bieten konnten, um Rends¬
burg herum stehend zu erhalten. Auch dazu schon schien nichts so dringend ge¬
boten, als die nächste Zeit der Ruhe, welche der Feind etwa ließe, besonders
der Stärkung und Haltung der Truppen zu widmen.

Der Mangel an Offizieren, mit welchem der.Feldzug schon hatte begonnen
werden müssen, war durch die starken Verluste der Schlacht noch drückender
geworden. Viele der Tapfersten waren geblieben oder verwundet, und doch war
nur durch den Verlauf der Dinge bis hierher meine schon lange feststehende
Ueberzeugung nur zu sehr bestätigt worden, daß.Truppen im Gefecht ganz so
sind wie ihre Führer. Der anfänglich glänzende Erfolg bei der dritten und
ersten Brigade gehörte allein der tapfern Führung. Das Material nach unten
war bei allen Brigaden dasselbe. Die nothwendig mangelhafte Ausbildung der
Mannschaft ist nicht Schuld gewesen an dem Mißlingen hier und da. Die
Haupteigenschaft des Soldaten, die Tapferkeit, ist kein Product einer mehr oder
minder vollendeten Dressur, sondern vorzugsweise des Beispiels, welches ihm
seine nächsten Vorgesetzten geben, und hier liegt die unermeßliche Wichtigkeit,
welche das Offizier- und Unterosfizicrcorps für die Truppe hat. Es muß zahl¬
reich und gut ausgebildet sein. Beides fehlte der kleinen Armee und mußte
ihr nach den obwaltenden Umständen fehlen; dieser nicht wegzubringende
Mangel aber hat ihr am meisten geschadet. Fügt man dem noch die große
numerische Schwäche hinzu, erwägt man, daß sie, mit jenem Mangel behaftet,
noch einer fast doppelten Ueberlegenheit entgegentreten mußte, so wird kaum
ein billig Denkender und gewiß kein Wissender anders urtheilen, als daß im
Ganzen und Großen so viel geleistet worden, als irgend erwartet werden
konnte. Wenn unter solchen Umständen dem Schwachen das Glück nicht zur
Seite steht, so muß er natürlich unterliegen, und nicht leicht ist einer vom
Glücke schlimmer behandelt worden, als hier der zuletzt Unterliegende.

So erging denn nach allen Seiten hin in das große Deutschland der
Aufruf, dem Mangel aus seinem Reichthume abzuhelfen, Mannschaften zu
schicken und besonders Offiziere. Aber da alle Regierungen die Sache verlassen
hatten, blieb auch hier der Erfolg weit hinter unsern Wünschen zurück.

Indeß war das Heer doch bald nothdürftig wieder hergestellt, ja bald
stärker als beim Beginn des Feldzugs, so daß man der weiteren Entwickelung
um so mehr mit Ruhe entgegensehen konnte, als auch die fortisicatvrischcn
Verstärtungsmittel in der Position an der Sorge und um Rendsburg durch
die angestrengteste Arbeit der Armee selbst eine Ausbildung erhalten hatten,
welche dem Feinde seine Aufgabe täglich schwieriger machte, und als die fort¬
gesetzte Unthätigkeit desselben den Beweis zu liefern schien, daß auch bei ihm


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[0404] „Nach der Wendung, welche die Schlacht von Jdstedt dem Kriege gegeben, schien nur das Höchste, was etwa noch zu erreichen, ihn, verstärkt durch die defensiven Kräfte, welche Terrain und Fornsicativn bieten konnten, um Rends¬ burg herum stehend zu erhalten. Auch dazu schon schien nichts so dringend ge¬ boten, als die nächste Zeit der Ruhe, welche der Feind etwa ließe, besonders der Stärkung und Haltung der Truppen zu widmen. Der Mangel an Offizieren, mit welchem der.Feldzug schon hatte begonnen werden müssen, war durch die starken Verluste der Schlacht noch drückender geworden. Viele der Tapfersten waren geblieben oder verwundet, und doch war nur durch den Verlauf der Dinge bis hierher meine schon lange feststehende Ueberzeugung nur zu sehr bestätigt worden, daß.Truppen im Gefecht ganz so sind wie ihre Führer. Der anfänglich glänzende Erfolg bei der dritten und ersten Brigade gehörte allein der tapfern Führung. Das Material nach unten war bei allen Brigaden dasselbe. Die nothwendig mangelhafte Ausbildung der Mannschaft ist nicht Schuld gewesen an dem Mißlingen hier und da. Die Haupteigenschaft des Soldaten, die Tapferkeit, ist kein Product einer mehr oder minder vollendeten Dressur, sondern vorzugsweise des Beispiels, welches ihm seine nächsten Vorgesetzten geben, und hier liegt die unermeßliche Wichtigkeit, welche das Offizier- und Unterosfizicrcorps für die Truppe hat. Es muß zahl¬ reich und gut ausgebildet sein. Beides fehlte der kleinen Armee und mußte ihr nach den obwaltenden Umständen fehlen; dieser nicht wegzubringende Mangel aber hat ihr am meisten geschadet. Fügt man dem noch die große numerische Schwäche hinzu, erwägt man, daß sie, mit jenem Mangel behaftet, noch einer fast doppelten Ueberlegenheit entgegentreten mußte, so wird kaum ein billig Denkender und gewiß kein Wissender anders urtheilen, als daß im Ganzen und Großen so viel geleistet worden, als irgend erwartet werden konnte. Wenn unter solchen Umständen dem Schwachen das Glück nicht zur Seite steht, so muß er natürlich unterliegen, und nicht leicht ist einer vom Glücke schlimmer behandelt worden, als hier der zuletzt Unterliegende. So erging denn nach allen Seiten hin in das große Deutschland der Aufruf, dem Mangel aus seinem Reichthume abzuhelfen, Mannschaften zu schicken und besonders Offiziere. Aber da alle Regierungen die Sache verlassen hatten, blieb auch hier der Erfolg weit hinter unsern Wünschen zurück. Indeß war das Heer doch bald nothdürftig wieder hergestellt, ja bald stärker als beim Beginn des Feldzugs, so daß man der weiteren Entwickelung um so mehr mit Ruhe entgegensehen konnte, als auch die fortisicatvrischcn Verstärtungsmittel in der Position an der Sorge und um Rendsburg durch die angestrengteste Arbeit der Armee selbst eine Ausbildung erhalten hatten, welche dem Feinde seine Aufgabe täglich schwieriger machte, und als die fort¬ gesetzte Unthätigkeit desselben den Beweis zu liefern schien, daß auch bei ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/404>, abgerufen am 15.05.2024.