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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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ihn nur darauf an, die Wirkung unserer Artillerie zu ertragen, und das hat
er auf die lobenswertheste Weise gethan; von einem Sturme hatte er nichts
zu besorgen, er war drinnen so stark wie wir draußen; und das Wasser be¬
schränkte die Zugänge auf einen ganz schmalen Raum, Ich hatte deshalb auch
nicht die Absicht, es mit einem Sturm zu versuchen. In den Tagen, welche
das Unternehmen dauerte, begab ich mich fast täglich von Rendsburg hin und
zurück. Ich erwartete jeden Morgen den Angriff der Hauptmacht des Feindes
und verließ erst meine Stellung Nachmittags, nachdem ich die Zeit eines Angriffs
vorüber glaubte. Als nun zuletzt die Arbeiten so weit vorgeschritten waren,
daß man an dem Punkte zwischen dem Damme und dem Flusse bis etwa
hundert Schritte an die Einfassung, welche der Feind überall zu Stande ge¬
bracht, mit einem Batteriebau vorgedrungen war, und es nun leicht schien, von
hier aus mit Hülfe der Kanonenboote das feindliche Artillcriefeuer zum
Schweigen zu bringen, wurde das Bombardement von drei Punkten her er¬
öffnet. Den ganzen Tag hindurch sah man Abtheilungen der Besatzung den
Ort nach der Seite hin, welche hatte offen bleiben müssen, verlassen, so daß
man auf eine eben nicht zu sichere Haltung glaubte schließen zu dürfen, und
so geschah es, daß der heldenmüthige v. d. Tann, welcher das ganze Unter¬
nehmen speciell leitete, es doch für angemessen hielt, gegen Abend, nachdem der
Ort in vollen Flammen stand und das Artilleriefeucr der Dänen zum Schwei¬
gen gebracht war, einen Sturm, den er selbst anführte, zu versuchen. Die
Colonne zwischen dem Damme und dem Flusse stürzte sich mit großer Un-
erschrockenheit vorwärts, konnte aber, da der Feind mit Festigkeit in
seinen Blockhäusern und crenellirten Häusern Stand hielt, nirgends eindringen.
Die bald eintretende Dunkelheit hinderte jede Uebersicht und weitere Leitung,
das Unternehmen artete bald in ein ungeordnetes Flintenseuer aus und mußte
aufgegeben werden, da es einer anderen Colonne, welche gegen den nördlichen
Theil vorgehen sollte, nicht einmal gelungen war, über die nassen Gräben zu
kommen, welche überschritten werden mußten, ehe man nur an den Platz ge¬
langen sonnte, der von dieser Seite durch ein starkes vorgeschobenes Erdwerk
geschützt war. Der Verlust an Menschenleben war glücklicher Weise geringer, als
man befürchten mußte. In der Dunkelheit war wohl viel aufs Gerathewohl
geschossen worden.

Man hatte sich überzeugt, daß ohne eine Art förmlicher Belagerung das
Unternehmen nicht durchzusetzen sei, und zu einer solchen waren weder Mittel
noch Zeit vorhanden. Die Jahreszeit war schon weit vorgerückt, jedes Regen¬
wetter, jede Fluth drohte Gefahren. Krankheiten zeigten sich schon. Ich zog
also meine Truppen allmählig bis Nörder- und Süderstapel zurück, ihnen
Ruhe zu gönnen. Der Feind machte keine Miene, zu folgen.

Nach beiden Seiten war so ein Versuch, die Dänen aus ihrer starken


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ihn nur darauf an, die Wirkung unserer Artillerie zu ertragen, und das hat
er auf die lobenswertheste Weise gethan; von einem Sturme hatte er nichts
zu besorgen, er war drinnen so stark wie wir draußen; und das Wasser be¬
schränkte die Zugänge auf einen ganz schmalen Raum, Ich hatte deshalb auch
nicht die Absicht, es mit einem Sturm zu versuchen. In den Tagen, welche
das Unternehmen dauerte, begab ich mich fast täglich von Rendsburg hin und
zurück. Ich erwartete jeden Morgen den Angriff der Hauptmacht des Feindes
und verließ erst meine Stellung Nachmittags, nachdem ich die Zeit eines Angriffs
vorüber glaubte. Als nun zuletzt die Arbeiten so weit vorgeschritten waren,
daß man an dem Punkte zwischen dem Damme und dem Flusse bis etwa
hundert Schritte an die Einfassung, welche der Feind überall zu Stande ge¬
bracht, mit einem Batteriebau vorgedrungen war, und es nun leicht schien, von
hier aus mit Hülfe der Kanonenboote das feindliche Artillcriefeuer zum
Schweigen zu bringen, wurde das Bombardement von drei Punkten her er¬
öffnet. Den ganzen Tag hindurch sah man Abtheilungen der Besatzung den
Ort nach der Seite hin, welche hatte offen bleiben müssen, verlassen, so daß
man auf eine eben nicht zu sichere Haltung glaubte schließen zu dürfen, und
so geschah es, daß der heldenmüthige v. d. Tann, welcher das ganze Unter¬
nehmen speciell leitete, es doch für angemessen hielt, gegen Abend, nachdem der
Ort in vollen Flammen stand und das Artilleriefeucr der Dänen zum Schwei¬
gen gebracht war, einen Sturm, den er selbst anführte, zu versuchen. Die
Colonne zwischen dem Damme und dem Flusse stürzte sich mit großer Un-
erschrockenheit vorwärts, konnte aber, da der Feind mit Festigkeit in
seinen Blockhäusern und crenellirten Häusern Stand hielt, nirgends eindringen.
Die bald eintretende Dunkelheit hinderte jede Uebersicht und weitere Leitung,
das Unternehmen artete bald in ein ungeordnetes Flintenseuer aus und mußte
aufgegeben werden, da es einer anderen Colonne, welche gegen den nördlichen
Theil vorgehen sollte, nicht einmal gelungen war, über die nassen Gräben zu
kommen, welche überschritten werden mußten, ehe man nur an den Platz ge¬
langen sonnte, der von dieser Seite durch ein starkes vorgeschobenes Erdwerk
geschützt war. Der Verlust an Menschenleben war glücklicher Weise geringer, als
man befürchten mußte. In der Dunkelheit war wohl viel aufs Gerathewohl
geschossen worden.

Man hatte sich überzeugt, daß ohne eine Art förmlicher Belagerung das
Unternehmen nicht durchzusetzen sei, und zu einer solchen waren weder Mittel
noch Zeit vorhanden. Die Jahreszeit war schon weit vorgerückt, jedes Regen¬
wetter, jede Fluth drohte Gefahren. Krankheiten zeigten sich schon. Ich zog
also meine Truppen allmählig bis Nörder- und Süderstapel zurück, ihnen
Ruhe zu gönnen. Der Feind machte keine Miene, zu folgen.

Nach beiden Seiten war so ein Versuch, die Dänen aus ihrer starken


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[0409] ihn nur darauf an, die Wirkung unserer Artillerie zu ertragen, und das hat er auf die lobenswertheste Weise gethan; von einem Sturme hatte er nichts zu besorgen, er war drinnen so stark wie wir draußen; und das Wasser be¬ schränkte die Zugänge auf einen ganz schmalen Raum, Ich hatte deshalb auch nicht die Absicht, es mit einem Sturm zu versuchen. In den Tagen, welche das Unternehmen dauerte, begab ich mich fast täglich von Rendsburg hin und zurück. Ich erwartete jeden Morgen den Angriff der Hauptmacht des Feindes und verließ erst meine Stellung Nachmittags, nachdem ich die Zeit eines Angriffs vorüber glaubte. Als nun zuletzt die Arbeiten so weit vorgeschritten waren, daß man an dem Punkte zwischen dem Damme und dem Flusse bis etwa hundert Schritte an die Einfassung, welche der Feind überall zu Stande ge¬ bracht, mit einem Batteriebau vorgedrungen war, und es nun leicht schien, von hier aus mit Hülfe der Kanonenboote das feindliche Artillcriefeuer zum Schweigen zu bringen, wurde das Bombardement von drei Punkten her er¬ öffnet. Den ganzen Tag hindurch sah man Abtheilungen der Besatzung den Ort nach der Seite hin, welche hatte offen bleiben müssen, verlassen, so daß man auf eine eben nicht zu sichere Haltung glaubte schließen zu dürfen, und so geschah es, daß der heldenmüthige v. d. Tann, welcher das ganze Unter¬ nehmen speciell leitete, es doch für angemessen hielt, gegen Abend, nachdem der Ort in vollen Flammen stand und das Artilleriefeucr der Dänen zum Schwei¬ gen gebracht war, einen Sturm, den er selbst anführte, zu versuchen. Die Colonne zwischen dem Damme und dem Flusse stürzte sich mit großer Un- erschrockenheit vorwärts, konnte aber, da der Feind mit Festigkeit in seinen Blockhäusern und crenellirten Häusern Stand hielt, nirgends eindringen. Die bald eintretende Dunkelheit hinderte jede Uebersicht und weitere Leitung, das Unternehmen artete bald in ein ungeordnetes Flintenseuer aus und mußte aufgegeben werden, da es einer anderen Colonne, welche gegen den nördlichen Theil vorgehen sollte, nicht einmal gelungen war, über die nassen Gräben zu kommen, welche überschritten werden mußten, ehe man nur an den Platz ge¬ langen sonnte, der von dieser Seite durch ein starkes vorgeschobenes Erdwerk geschützt war. Der Verlust an Menschenleben war glücklicher Weise geringer, als man befürchten mußte. In der Dunkelheit war wohl viel aufs Gerathewohl geschossen worden. Man hatte sich überzeugt, daß ohne eine Art förmlicher Belagerung das Unternehmen nicht durchzusetzen sei, und zu einer solchen waren weder Mittel noch Zeit vorhanden. Die Jahreszeit war schon weit vorgerückt, jedes Regen¬ wetter, jede Fluth drohte Gefahren. Krankheiten zeigten sich schon. Ich zog also meine Truppen allmählig bis Nörder- und Süderstapel zurück, ihnen Ruhe zu gönnen. Der Feind machte keine Miene, zu folgen. Nach beiden Seiten war so ein Versuch, die Dänen aus ihrer starken 50»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/409>, abgerufen am 29.05.2024.