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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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der Mormonen, von diesen Zion oder New-Jerusalem getauft, von der ameri¬
kanischen Regierung prosaischer Great-Saltlake-City genannt.

Ein Theil der Stadt steigt in Gestalt eines Amphitheaters ein AbHange
einer Höhe empor, der Rest zieht sich in der Ebne hin. Der Plan gleicht dem
aller neueren Städte Amerikas, d. h. er hat die Form eines Schachbrets mit
rechtwinklig sich schneidenden sehr breiten Straßen, welche die Häusermassen
in ziemlich gleich große Vierecke (Blocks) zerschneiden. Doch stehen die Häuser
hier nirgends dicht neben einander, sondern liegen in kleinen Gärten, die sie,
wie von den benachbarten Gebäuden, so auch von der Straße trennen. Jede
Straße ist 130 Fuß breit und zu beiden Seiten mit einer Reihe von Cottvn-
wood-Bäumen, einer Pappelart bepflanzt; auch ist durch dieselben überall Wasser
geleitet, welches sie im Sommer kühlt und zur Abführung von Unrath dient.
Die Häuser, größtentheils aus Adobes oder an der Sonne getrockneten Lehm-
ziegeln erbaut, sind meist klein und nur einstöckig. Die Borsteher der Sekte
bewohnen größere Gebäude, das, in welchem BrigKam Uoung, der Prophet,
residirt, macht sogar einen sehr stattlichen Eindruck. Es ist circa 100 Fuß
lang, 40 Fuß breit, mit ziemlich viel Geschmack aus verschiedenen Steinarten
erbaut und soll über 30,000 Dollars gekostet haben.

Die Stadt zerfällt in 21 Districte (Warth) deren Nummern von Südosten
nach Nordwesten laufen. Sie ist mit einer Lehmmauer umgeben, die zum
Schutz gegen die Angrisse der benachbarten Jndianerstämme nöthig erschien.
Die Zahl der Einwohner, die schon vor mehren Jahren von den Schriftstellern
der Sekte auf 15,000, ja auf das Doppelte angegeben wurde, beträgt nach
Burton nicht mehr als höchstens 12,000. Wenn jene Schriftsteller die Wohl¬
feilheit und das bequeme Leben im neuen Zion priesen, so scheint nach Burton
das Gegentheil davon das Richtigere zu sein. Allerdings hat man durch künst¬
liche Berieselung das benachbarte Land in Felder umgeschaffen, die gute Ernten
geben, und zwar kann der Ansiedler hier mit seiner Familie von selbst erbauten
Getreide und Gemüse und von der Milch und der Butter, welche ihm ^seine
Kühe liefern, sehr wohl existiren, die Befriedigung andrer Ansprüche aber
kommt ihm theuer zu stehen, und wer nicht selbst Feld und Vieh besitzt, be¬
darf zur Befriedigung selbst der allereinfachsten Lebensbedürfnisse fast viermal
so viel als in London. Das Bushel Weizen kostete 1860 anderthalb Dollars,
ein Preis, der doppelt so hoch als der des Weizens in Missouri und
Ohio ist. Fleisch ist nur bisweilen zu haben. Thee und Kaffee kosten vier¬
mal so viel als in Neuorleans. Die Fracht für alle vom Osten importirte
Gegenstände beläuft sich bei der ungeheuren, monatelangen Reise, die sie
zu machen haben, auf 14 Cents (circa K Sgr.) per Pfund, bei denen, die
von Westen (Kalifornien) kommen, sogar auf das Doppelte. Der Tagelohn be¬
trägt 2 Dollars, Dienstboten erhalten 30 bis 40 Dollars monatlich. So


der Mormonen, von diesen Zion oder New-Jerusalem getauft, von der ameri¬
kanischen Regierung prosaischer Great-Saltlake-City genannt.

Ein Theil der Stadt steigt in Gestalt eines Amphitheaters ein AbHange
einer Höhe empor, der Rest zieht sich in der Ebne hin. Der Plan gleicht dem
aller neueren Städte Amerikas, d. h. er hat die Form eines Schachbrets mit
rechtwinklig sich schneidenden sehr breiten Straßen, welche die Häusermassen
in ziemlich gleich große Vierecke (Blocks) zerschneiden. Doch stehen die Häuser
hier nirgends dicht neben einander, sondern liegen in kleinen Gärten, die sie,
wie von den benachbarten Gebäuden, so auch von der Straße trennen. Jede
Straße ist 130 Fuß breit und zu beiden Seiten mit einer Reihe von Cottvn-
wood-Bäumen, einer Pappelart bepflanzt; auch ist durch dieselben überall Wasser
geleitet, welches sie im Sommer kühlt und zur Abführung von Unrath dient.
Die Häuser, größtentheils aus Adobes oder an der Sonne getrockneten Lehm-
ziegeln erbaut, sind meist klein und nur einstöckig. Die Borsteher der Sekte
bewohnen größere Gebäude, das, in welchem BrigKam Uoung, der Prophet,
residirt, macht sogar einen sehr stattlichen Eindruck. Es ist circa 100 Fuß
lang, 40 Fuß breit, mit ziemlich viel Geschmack aus verschiedenen Steinarten
erbaut und soll über 30,000 Dollars gekostet haben.

Die Stadt zerfällt in 21 Districte (Warth) deren Nummern von Südosten
nach Nordwesten laufen. Sie ist mit einer Lehmmauer umgeben, die zum
Schutz gegen die Angrisse der benachbarten Jndianerstämme nöthig erschien.
Die Zahl der Einwohner, die schon vor mehren Jahren von den Schriftstellern
der Sekte auf 15,000, ja auf das Doppelte angegeben wurde, beträgt nach
Burton nicht mehr als höchstens 12,000. Wenn jene Schriftsteller die Wohl¬
feilheit und das bequeme Leben im neuen Zion priesen, so scheint nach Burton
das Gegentheil davon das Richtigere zu sein. Allerdings hat man durch künst¬
liche Berieselung das benachbarte Land in Felder umgeschaffen, die gute Ernten
geben, und zwar kann der Ansiedler hier mit seiner Familie von selbst erbauten
Getreide und Gemüse und von der Milch und der Butter, welche ihm ^seine
Kühe liefern, sehr wohl existiren, die Befriedigung andrer Ansprüche aber
kommt ihm theuer zu stehen, und wer nicht selbst Feld und Vieh besitzt, be¬
darf zur Befriedigung selbst der allereinfachsten Lebensbedürfnisse fast viermal
so viel als in London. Das Bushel Weizen kostete 1860 anderthalb Dollars,
ein Preis, der doppelt so hoch als der des Weizens in Missouri und
Ohio ist. Fleisch ist nur bisweilen zu haben. Thee und Kaffee kosten vier¬
mal so viel als in Neuorleans. Die Fracht für alle vom Osten importirte
Gegenstände beläuft sich bei der ungeheuren, monatelangen Reise, die sie
zu machen haben, auf 14 Cents (circa K Sgr.) per Pfund, bei denen, die
von Westen (Kalifornien) kommen, sogar auf das Doppelte. Der Tagelohn be¬
trägt 2 Dollars, Dienstboten erhalten 30 bis 40 Dollars monatlich. So


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[0042] der Mormonen, von diesen Zion oder New-Jerusalem getauft, von der ameri¬ kanischen Regierung prosaischer Great-Saltlake-City genannt. Ein Theil der Stadt steigt in Gestalt eines Amphitheaters ein AbHange einer Höhe empor, der Rest zieht sich in der Ebne hin. Der Plan gleicht dem aller neueren Städte Amerikas, d. h. er hat die Form eines Schachbrets mit rechtwinklig sich schneidenden sehr breiten Straßen, welche die Häusermassen in ziemlich gleich große Vierecke (Blocks) zerschneiden. Doch stehen die Häuser hier nirgends dicht neben einander, sondern liegen in kleinen Gärten, die sie, wie von den benachbarten Gebäuden, so auch von der Straße trennen. Jede Straße ist 130 Fuß breit und zu beiden Seiten mit einer Reihe von Cottvn- wood-Bäumen, einer Pappelart bepflanzt; auch ist durch dieselben überall Wasser geleitet, welches sie im Sommer kühlt und zur Abführung von Unrath dient. Die Häuser, größtentheils aus Adobes oder an der Sonne getrockneten Lehm- ziegeln erbaut, sind meist klein und nur einstöckig. Die Borsteher der Sekte bewohnen größere Gebäude, das, in welchem BrigKam Uoung, der Prophet, residirt, macht sogar einen sehr stattlichen Eindruck. Es ist circa 100 Fuß lang, 40 Fuß breit, mit ziemlich viel Geschmack aus verschiedenen Steinarten erbaut und soll über 30,000 Dollars gekostet haben. Die Stadt zerfällt in 21 Districte (Warth) deren Nummern von Südosten nach Nordwesten laufen. Sie ist mit einer Lehmmauer umgeben, die zum Schutz gegen die Angrisse der benachbarten Jndianerstämme nöthig erschien. Die Zahl der Einwohner, die schon vor mehren Jahren von den Schriftstellern der Sekte auf 15,000, ja auf das Doppelte angegeben wurde, beträgt nach Burton nicht mehr als höchstens 12,000. Wenn jene Schriftsteller die Wohl¬ feilheit und das bequeme Leben im neuen Zion priesen, so scheint nach Burton das Gegentheil davon das Richtigere zu sein. Allerdings hat man durch künst¬ liche Berieselung das benachbarte Land in Felder umgeschaffen, die gute Ernten geben, und zwar kann der Ansiedler hier mit seiner Familie von selbst erbauten Getreide und Gemüse und von der Milch und der Butter, welche ihm ^seine Kühe liefern, sehr wohl existiren, die Befriedigung andrer Ansprüche aber kommt ihm theuer zu stehen, und wer nicht selbst Feld und Vieh besitzt, be¬ darf zur Befriedigung selbst der allereinfachsten Lebensbedürfnisse fast viermal so viel als in London. Das Bushel Weizen kostete 1860 anderthalb Dollars, ein Preis, der doppelt so hoch als der des Weizens in Missouri und Ohio ist. Fleisch ist nur bisweilen zu haben. Thee und Kaffee kosten vier¬ mal so viel als in Neuorleans. Die Fracht für alle vom Osten importirte Gegenstände beläuft sich bei der ungeheuren, monatelangen Reise, die sie zu machen haben, auf 14 Cents (circa K Sgr.) per Pfund, bei denen, die von Westen (Kalifornien) kommen, sogar auf das Doppelte. Der Tagelohn be¬ trägt 2 Dollars, Dienstboten erhalten 30 bis 40 Dollars monatlich. So

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/42>, abgerufen am 14.05.2024.