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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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er bekämpfte, sondern es waren warm empfundene poetische Ergüsse, wenn er
am 25, October 1848 die Versammlung beschwor, nicht zur Verstümmlung des
Vaterlands die Hand zu bieten, wenn er den völkerrechtlichen Bund mit Oest¬
reich die Bruderhand des Abschieds, Oestreich die Pulsader im Herzen Deutsch¬
lands nannte und das Verbleiben Oestreichs im Bunde verlangte, das sein
Herzblut mit.dem Mörtel unserer Freiheit vermischt habe; wenn er dann am
22. Januar 184!", als die Entscheidung bevorstand, seine Rede gegen das Erb-
kaiserthum damit begann, noch immer verfolge ihn ein Frühlingstraum aus
dem Jahre 1808, eine Volkserhebung müsse sich selbst die ihr angemessene
Form schaffen, sei die Grundlage eine republikanische, so müsse sie auch in
einer repubikanischcn Spitze gipfeln, denn der Wurzel entsprösse der Gipfel,
die Revolution mit dem Erbkaiser sei ein Jüngling mit grauen Haaren, der
Reichsapfel dürfe nicht abgeschält werden, sonst könne es leicht dahin kommen,
daß das deutsche Reich aufgehe in Lichtenstein, kein Haupt werde über Deutsch¬
land leuchten, das nicht mit einem Tropfen demokratischen Oels gesalbt sei.

Als dann am 28. März die Kaiserwahl stattfand, enthielt er sich der Ab¬
stimmung, er, der in seinem Herzog Ernst den feierlichen Moment einer Kaiser¬
wahl in so beredten Worten geschildert hatte,


.... den großen Tag,
An dem die Freiheit mir erschien
In offnem Wirken, in lebendiger Kraft!

Und als die Wolken sich immer düsterer um die Paulskirche zusammenzogen
verfaßte er jene Ansprache der Linken an das deutsche Volk vom 26. Mai
und stimmte für Herabsetzung der beschlußfähigen Anzahl auf 100 Mitglieder,
an den letzten Halm der Hoffnung sich anklammernd. Selbst dann noch, als
gegen seine ausdrückliche Mahnung -- denn er wollte keinen "süddeutschen
Winkelconvent", -- die Verlegung der Versammlung nach Stuttgart beschlossen
wurde, blieb er seinem Mandat und seiner Ueberzeugung treu, folgte dem Rest
des Parlaments in seine Heimath und trat in den Funfzehnerausschuß zur
Durchführung der Reichsverfassung. in dieser Krisis vor Allem auf die Abwen¬
dung des Bürgerkrieges bedacht, zu welchem Zweck er zuerst den Antrag
stellte, daß die würtenbergische Regierung in dem gegen Baden und die Pfalz
heranziehenden Krieg vermitteln solle, und dann sich gegen das vorgeschlagene
Volksbewaffnungsgesetz wehrte, welches, wie er mit ernster Stimme mahnte,
Württemberg gedankenlos der Reichsregentschast zu Hand und Band überliefern
wolle. Und treu bis zum äußersten Augenblick machte er endlich noch jenen letzten
peinlichen Gang zum Reithause mit, er und Schott mit ihrer Autorität den
Präsidenten deckend und mit persönlicher Gefahr der bewaffneten Gewalt, die
das Märzministerium ausgesandt hatte, mit Protest weichend.

Das Ende des deutschen Parlaments war das Ende von Uhlands offene-


er bekämpfte, sondern es waren warm empfundene poetische Ergüsse, wenn er
am 25, October 1848 die Versammlung beschwor, nicht zur Verstümmlung des
Vaterlands die Hand zu bieten, wenn er den völkerrechtlichen Bund mit Oest¬
reich die Bruderhand des Abschieds, Oestreich die Pulsader im Herzen Deutsch¬
lands nannte und das Verbleiben Oestreichs im Bunde verlangte, das sein
Herzblut mit.dem Mörtel unserer Freiheit vermischt habe; wenn er dann am
22. Januar 184!», als die Entscheidung bevorstand, seine Rede gegen das Erb-
kaiserthum damit begann, noch immer verfolge ihn ein Frühlingstraum aus
dem Jahre 1808, eine Volkserhebung müsse sich selbst die ihr angemessene
Form schaffen, sei die Grundlage eine republikanische, so müsse sie auch in
einer repubikanischcn Spitze gipfeln, denn der Wurzel entsprösse der Gipfel,
die Revolution mit dem Erbkaiser sei ein Jüngling mit grauen Haaren, der
Reichsapfel dürfe nicht abgeschält werden, sonst könne es leicht dahin kommen,
daß das deutsche Reich aufgehe in Lichtenstein, kein Haupt werde über Deutsch¬
land leuchten, das nicht mit einem Tropfen demokratischen Oels gesalbt sei.

Als dann am 28. März die Kaiserwahl stattfand, enthielt er sich der Ab¬
stimmung, er, der in seinem Herzog Ernst den feierlichen Moment einer Kaiser¬
wahl in so beredten Worten geschildert hatte,


.... den großen Tag,
An dem die Freiheit mir erschien
In offnem Wirken, in lebendiger Kraft!

Und als die Wolken sich immer düsterer um die Paulskirche zusammenzogen
verfaßte er jene Ansprache der Linken an das deutsche Volk vom 26. Mai
und stimmte für Herabsetzung der beschlußfähigen Anzahl auf 100 Mitglieder,
an den letzten Halm der Hoffnung sich anklammernd. Selbst dann noch, als
gegen seine ausdrückliche Mahnung — denn er wollte keinen „süddeutschen
Winkelconvent", — die Verlegung der Versammlung nach Stuttgart beschlossen
wurde, blieb er seinem Mandat und seiner Ueberzeugung treu, folgte dem Rest
des Parlaments in seine Heimath und trat in den Funfzehnerausschuß zur
Durchführung der Reichsverfassung. in dieser Krisis vor Allem auf die Abwen¬
dung des Bürgerkrieges bedacht, zu welchem Zweck er zuerst den Antrag
stellte, daß die würtenbergische Regierung in dem gegen Baden und die Pfalz
heranziehenden Krieg vermitteln solle, und dann sich gegen das vorgeschlagene
Volksbewaffnungsgesetz wehrte, welches, wie er mit ernster Stimme mahnte,
Württemberg gedankenlos der Reichsregentschast zu Hand und Band überliefern
wolle. Und treu bis zum äußersten Augenblick machte er endlich noch jenen letzten
peinlichen Gang zum Reithause mit, er und Schott mit ihrer Autorität den
Präsidenten deckend und mit persönlicher Gefahr der bewaffneten Gewalt, die
das Märzministerium ausgesandt hatte, mit Protest weichend.

Das Ende des deutschen Parlaments war das Ende von Uhlands offene-


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[0429] er bekämpfte, sondern es waren warm empfundene poetische Ergüsse, wenn er am 25, October 1848 die Versammlung beschwor, nicht zur Verstümmlung des Vaterlands die Hand zu bieten, wenn er den völkerrechtlichen Bund mit Oest¬ reich die Bruderhand des Abschieds, Oestreich die Pulsader im Herzen Deutsch¬ lands nannte und das Verbleiben Oestreichs im Bunde verlangte, das sein Herzblut mit.dem Mörtel unserer Freiheit vermischt habe; wenn er dann am 22. Januar 184!», als die Entscheidung bevorstand, seine Rede gegen das Erb- kaiserthum damit begann, noch immer verfolge ihn ein Frühlingstraum aus dem Jahre 1808, eine Volkserhebung müsse sich selbst die ihr angemessene Form schaffen, sei die Grundlage eine republikanische, so müsse sie auch in einer repubikanischcn Spitze gipfeln, denn der Wurzel entsprösse der Gipfel, die Revolution mit dem Erbkaiser sei ein Jüngling mit grauen Haaren, der Reichsapfel dürfe nicht abgeschält werden, sonst könne es leicht dahin kommen, daß das deutsche Reich aufgehe in Lichtenstein, kein Haupt werde über Deutsch¬ land leuchten, das nicht mit einem Tropfen demokratischen Oels gesalbt sei. Als dann am 28. März die Kaiserwahl stattfand, enthielt er sich der Ab¬ stimmung, er, der in seinem Herzog Ernst den feierlichen Moment einer Kaiser¬ wahl in so beredten Worten geschildert hatte, .... den großen Tag, An dem die Freiheit mir erschien In offnem Wirken, in lebendiger Kraft! Und als die Wolken sich immer düsterer um die Paulskirche zusammenzogen verfaßte er jene Ansprache der Linken an das deutsche Volk vom 26. Mai und stimmte für Herabsetzung der beschlußfähigen Anzahl auf 100 Mitglieder, an den letzten Halm der Hoffnung sich anklammernd. Selbst dann noch, als gegen seine ausdrückliche Mahnung — denn er wollte keinen „süddeutschen Winkelconvent", — die Verlegung der Versammlung nach Stuttgart beschlossen wurde, blieb er seinem Mandat und seiner Ueberzeugung treu, folgte dem Rest des Parlaments in seine Heimath und trat in den Funfzehnerausschuß zur Durchführung der Reichsverfassung. in dieser Krisis vor Allem auf die Abwen¬ dung des Bürgerkrieges bedacht, zu welchem Zweck er zuerst den Antrag stellte, daß die würtenbergische Regierung in dem gegen Baden und die Pfalz heranziehenden Krieg vermitteln solle, und dann sich gegen das vorgeschlagene Volksbewaffnungsgesetz wehrte, welches, wie er mit ernster Stimme mahnte, Württemberg gedankenlos der Reichsregentschast zu Hand und Band überliefern wolle. Und treu bis zum äußersten Augenblick machte er endlich noch jenen letzten peinlichen Gang zum Reithause mit, er und Schott mit ihrer Autorität den Präsidenten deckend und mit persönlicher Gefahr der bewaffneten Gewalt, die das Märzministerium ausgesandt hatte, mit Protest weichend. Das Ende des deutschen Parlaments war das Ende von Uhlands offene-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/429>, abgerufen am 29.05.2024.