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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Vermittlung Thomas Kaltes von Philadelphia, der schon früher sich der Sekte
als Freund in der Noth erwiesen, den Kampf zu verhüten. Im März 185,8
traf Letzterer in der Salzseestadt ein. Der Prophet zeigte sich zu Unterhand¬
lungen bereit, und im Juni kam ein Vergleich zu Stande, nach welchem die
Mormonen sich verpflichteten, den von Buchanan ernannten neuen Gouverneur
Cumming nebst den übrigen Bundesbeamten für das Territorium bei sich auf¬
zunehmen und anzuerkennen und der Armee den Durchzug durch ihre Haupt¬
stadt zu erlauben. Letztere bezog vierzig Meilen von Neujerusalem ein Lager.
Uoung verließ die Stadt und begab sich mit einem Theil seiner Leute nach Provo,
einer neun deutsche Meilen südlich vom großen Salzsee entfernten Stadt.
Als die Truppen der Vereinigten Staaten 1860 den Rückmarsch nach Osten
antraten, kehrte er zurück und übernahm die Regierung seines theokratischen
Gemeinwesens wieder, in der er seitdem unbeirrt geblieben ist. obwohl die
Reibungen zwischen den ..Heiligen" und den "Heiden" in Utah fortdauerten.

Seit dem ersten Eindringen in das Becken von Utah haben sich die Mor¬
monen, vorzüglich durch Zuwanderung von England, Wales und Dänemark,
beträchtlich vermehrt und neben der Salzseestadt noch verschiedene andere Nieder¬
lassungen (Stockes) gegründet. Diese Colonien dehnen sich vorzüglich nach drei
Richtungen aus, nach Süden bis über das Städtchen Fillmore hinaus, dann am
Humboldt-River hin und durch das sogenannte Carsons-Valley, endlich zwischen
diesen beiden Verzweigungen an der "Egans Route", einer der Poststraßen ent¬
lang, die vom Osten nach Kalifornien führen. Die Städtchen, die sich hier
finden. haben große Ähnlichkeit mit den alten Ansiedelungen in den von Fran¬
zosen bewohnten Theilen von Canada, sie sind (der Indianer wegen) nicht so
weitläufig angelegt, wie die Hauptstadt, sondern bilden immer eine Gruppe
von Häusern um die Kirche. Die Zahl der Bezirke, in die das Land zerfällt,
wär im Jahr 1860 auf neunzehn gestiegen. Ueber die Zahl der Bevölkerung
Utahs herrscht viel Streit, Die Mormonen, die ein Interesse daran haben,
daß sie 60,00" Seelen übersteigt, wo das Territorium das Recht erlangt, sich
als Staat zu constituiren und seinen Gouverneur selbst zu ernennen, wollen
natürlich zahlreicher sein, als Andere zugeben, die jenes Interesse nicht haben.
Sicher ist zunächst, daß daS Territorium 1849 von etwa 12,000 Menschen be¬
wohnt war, von denen circa 5000 auf die Hauptstadt und 7000 auf die ver¬
schiedenen Colonien kamen. Der 1856 (wohlzubcmert'en von mormonischen
Autoritäten) aufgenommene Census ergab 70.335 Seelen, was, wenn man
nicht eine ungeheure Vermehrung durch Ueberwiegen der Geburten über die
Sterbefälle annehmen will, nach einem Blick auf die Zahlen der Einwanderung
als starke Uebertreibung erscheint. Die stärkste Einwanderung fand 1851 bis
1852 statt, in welcher Zeit gegen 10.000 neue Ansiedler in Utah eintrafen.
Die gesammte Einwanderung von 1350 bis 1854 belief sich auf 17.195. die


Vermittlung Thomas Kaltes von Philadelphia, der schon früher sich der Sekte
als Freund in der Noth erwiesen, den Kampf zu verhüten. Im März 185,8
traf Letzterer in der Salzseestadt ein. Der Prophet zeigte sich zu Unterhand¬
lungen bereit, und im Juni kam ein Vergleich zu Stande, nach welchem die
Mormonen sich verpflichteten, den von Buchanan ernannten neuen Gouverneur
Cumming nebst den übrigen Bundesbeamten für das Territorium bei sich auf¬
zunehmen und anzuerkennen und der Armee den Durchzug durch ihre Haupt¬
stadt zu erlauben. Letztere bezog vierzig Meilen von Neujerusalem ein Lager.
Uoung verließ die Stadt und begab sich mit einem Theil seiner Leute nach Provo,
einer neun deutsche Meilen südlich vom großen Salzsee entfernten Stadt.
Als die Truppen der Vereinigten Staaten 1860 den Rückmarsch nach Osten
antraten, kehrte er zurück und übernahm die Regierung seines theokratischen
Gemeinwesens wieder, in der er seitdem unbeirrt geblieben ist. obwohl die
Reibungen zwischen den ..Heiligen" und den „Heiden" in Utah fortdauerten.

Seit dem ersten Eindringen in das Becken von Utah haben sich die Mor¬
monen, vorzüglich durch Zuwanderung von England, Wales und Dänemark,
beträchtlich vermehrt und neben der Salzseestadt noch verschiedene andere Nieder¬
lassungen (Stockes) gegründet. Diese Colonien dehnen sich vorzüglich nach drei
Richtungen aus, nach Süden bis über das Städtchen Fillmore hinaus, dann am
Humboldt-River hin und durch das sogenannte Carsons-Valley, endlich zwischen
diesen beiden Verzweigungen an der „Egans Route", einer der Poststraßen ent¬
lang, die vom Osten nach Kalifornien führen. Die Städtchen, die sich hier
finden. haben große Ähnlichkeit mit den alten Ansiedelungen in den von Fran¬
zosen bewohnten Theilen von Canada, sie sind (der Indianer wegen) nicht so
weitläufig angelegt, wie die Hauptstadt, sondern bilden immer eine Gruppe
von Häusern um die Kirche. Die Zahl der Bezirke, in die das Land zerfällt,
wär im Jahr 1860 auf neunzehn gestiegen. Ueber die Zahl der Bevölkerung
Utahs herrscht viel Streit, Die Mormonen, die ein Interesse daran haben,
daß sie 60,00« Seelen übersteigt, wo das Territorium das Recht erlangt, sich
als Staat zu constituiren und seinen Gouverneur selbst zu ernennen, wollen
natürlich zahlreicher sein, als Andere zugeben, die jenes Interesse nicht haben.
Sicher ist zunächst, daß daS Territorium 1849 von etwa 12,000 Menschen be¬
wohnt war, von denen circa 5000 auf die Hauptstadt und 7000 auf die ver¬
schiedenen Colonien kamen. Der 1856 (wohlzubcmert'en von mormonischen
Autoritäten) aufgenommene Census ergab 70.335 Seelen, was, wenn man
nicht eine ungeheure Vermehrung durch Ueberwiegen der Geburten über die
Sterbefälle annehmen will, nach einem Blick auf die Zahlen der Einwanderung
als starke Uebertreibung erscheint. Die stärkste Einwanderung fand 1851 bis
1852 statt, in welcher Zeit gegen 10.000 neue Ansiedler in Utah eintrafen.
Die gesammte Einwanderung von 1350 bis 1854 belief sich auf 17.195. die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/45>, abgerufen am 14.05.2024.