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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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in Utah unter allerlei Stürmen ermöglichte, und so wollen wir die neueste
Geschichte der Mormonen an eine kurze Lebensbeschreibung desselben anknüpfen.

Brighcnn Aoung ist 18V1 zu Whiteham im Staat Vermont geboren, also
ein Aankcc im engern Sinn des Wortes. Sein Vater war ein kleiner Farmer,
der sich zu den Presbyterianern hielt. Der Sohn erlernte das Zimmermanns¬
handwerk. 1832, also zwei Jahre nach Stiftung der Mormoncnsekte durch
Smith, trat er zu letzterer über, und schon im Jahr 1834 galt er. durch seinen
Eifer als Missionär rasch beliebt geworden, und in den Rath der "Zwölfe"
aufgenommen, als einer der Ersten im Volte Gottes. Später ging er als Werber
für das mormonische Himmelreich nach England, wo seine Predigten nicht geringern
Erfolg als in Amerika hatten, namentlich als er sie durch eine Zeitung "The
Millennial Star" unterstützte. Bei Smiths Ermordung im Jahr 1844 wieder
in Amerika, brachte er es durch sein kühnes und schlaues Auftreten dahin, daß
Sidney Nigdon, der Mitstifter der Sekte, mit seinem Versuch, die. Stelle des
Propheten einzunehmen, durchficl, und von jetzt an war Uoung, zuerst factisch,
bald aber auch formell das Oberhaupt der Mormonen. Er führte die Pioniere
des "Exodus" durch die große Judiancrwüste nach Utah, er vorzüglich bewirkte,
daß der Rest der aus Nauvvo Vertriebenen glücklich nachfolgte, er wußte die
Gemeinde zusammenzuhalten, als erst die Hungersnoth. die auf einen Heu-
schreckenfraß folgte, und dann die Entdeckung der kalifornischen Goldschätze Zer¬
streuung derselben drohte. 1850 wurde Utah zum Territorium der Vereinigten
Staaten erklärt und Aoung auf das Verlangen der Mormonen zum Gouver¬
neur ernannt. 1854 sollte er in dem Obersten Steptve, einem Nichtmormonen,
einen Nachfolger erhalten, doch lehnte Sreptoe, mit dem Widerwillen der Sekte
gegen einen nicht zu ihr gehörigen obersten Beamten bekannt, die Ernennung
ab und bat in Washington um Wicdcrbestätigung Uoungs. Präsident Pierce
ging darauf ein, aber die republikanische Presse benutzte diese Nachgiebigkeit zu
heftigen Angriffen auf das demokratische Regiment und wußte so viele Anklagen
gegen N^'ung und die Mormonen vorzubringen, daß die öffentliche Meinung in
äußerstem Grade gegen die Sekte erbittert wurde. Von diesen Anklagen waren
die meisten übertrieben, nur die, daß in Utah Vielweiberei herrschte und daß
die Mormonen die unter ihnen wohnenden "Heiden" (Andersgläubigen) gering¬
schätzig behandelten und in ihrem Erwerb hinderten, wahr, die dagegen, daß
Aoung die Ermordung von Bundesb'cantem und die Verbrennung der Bundes-
archive veranlaßt habe, durchweg Erfindungen. Indeß forderte die öffentliche
Meinung Ejnschreiten gegen die verhaßte Sekte, und Buchanan sah sich bald
nach seinem Amtsantritt genöthigt, diesem Verlangen nachzugeben und den Ver¬
such zu machen, durch Soldaten die Einsetzung eines andern Gouverneurs von
Utah zu erzwingen. 10,000 Mann zogen gegen Utah heran, die Mormonen
machten Miene, sich zu vertheidigen. Doch gelang es, hauptsächlich durch die


in Utah unter allerlei Stürmen ermöglichte, und so wollen wir die neueste
Geschichte der Mormonen an eine kurze Lebensbeschreibung desselben anknüpfen.

Brighcnn Aoung ist 18V1 zu Whiteham im Staat Vermont geboren, also
ein Aankcc im engern Sinn des Wortes. Sein Vater war ein kleiner Farmer,
der sich zu den Presbyterianern hielt. Der Sohn erlernte das Zimmermanns¬
handwerk. 1832, also zwei Jahre nach Stiftung der Mormoncnsekte durch
Smith, trat er zu letzterer über, und schon im Jahr 1834 galt er. durch seinen
Eifer als Missionär rasch beliebt geworden, und in den Rath der „Zwölfe"
aufgenommen, als einer der Ersten im Volte Gottes. Später ging er als Werber
für das mormonische Himmelreich nach England, wo seine Predigten nicht geringern
Erfolg als in Amerika hatten, namentlich als er sie durch eine Zeitung „The
Millennial Star" unterstützte. Bei Smiths Ermordung im Jahr 1844 wieder
in Amerika, brachte er es durch sein kühnes und schlaues Auftreten dahin, daß
Sidney Nigdon, der Mitstifter der Sekte, mit seinem Versuch, die. Stelle des
Propheten einzunehmen, durchficl, und von jetzt an war Uoung, zuerst factisch,
bald aber auch formell das Oberhaupt der Mormonen. Er führte die Pioniere
des „Exodus" durch die große Judiancrwüste nach Utah, er vorzüglich bewirkte,
daß der Rest der aus Nauvvo Vertriebenen glücklich nachfolgte, er wußte die
Gemeinde zusammenzuhalten, als erst die Hungersnoth. die auf einen Heu-
schreckenfraß folgte, und dann die Entdeckung der kalifornischen Goldschätze Zer¬
streuung derselben drohte. 1850 wurde Utah zum Territorium der Vereinigten
Staaten erklärt und Aoung auf das Verlangen der Mormonen zum Gouver¬
neur ernannt. 1854 sollte er in dem Obersten Steptve, einem Nichtmormonen,
einen Nachfolger erhalten, doch lehnte Sreptoe, mit dem Widerwillen der Sekte
gegen einen nicht zu ihr gehörigen obersten Beamten bekannt, die Ernennung
ab und bat in Washington um Wicdcrbestätigung Uoungs. Präsident Pierce
ging darauf ein, aber die republikanische Presse benutzte diese Nachgiebigkeit zu
heftigen Angriffen auf das demokratische Regiment und wußte so viele Anklagen
gegen N^'ung und die Mormonen vorzubringen, daß die öffentliche Meinung in
äußerstem Grade gegen die Sekte erbittert wurde. Von diesen Anklagen waren
die meisten übertrieben, nur die, daß in Utah Vielweiberei herrschte und daß
die Mormonen die unter ihnen wohnenden „Heiden" (Andersgläubigen) gering¬
schätzig behandelten und in ihrem Erwerb hinderten, wahr, die dagegen, daß
Aoung die Ermordung von Bundesb'cantem und die Verbrennung der Bundes-
archive veranlaßt habe, durchweg Erfindungen. Indeß forderte die öffentliche
Meinung Ejnschreiten gegen die verhaßte Sekte, und Buchanan sah sich bald
nach seinem Amtsantritt genöthigt, diesem Verlangen nachzugeben und den Ver¬
such zu machen, durch Soldaten die Einsetzung eines andern Gouverneurs von
Utah zu erzwingen. 10,000 Mann zogen gegen Utah heran, die Mormonen
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[0044] in Utah unter allerlei Stürmen ermöglichte, und so wollen wir die neueste Geschichte der Mormonen an eine kurze Lebensbeschreibung desselben anknüpfen. Brighcnn Aoung ist 18V1 zu Whiteham im Staat Vermont geboren, also ein Aankcc im engern Sinn des Wortes. Sein Vater war ein kleiner Farmer, der sich zu den Presbyterianern hielt. Der Sohn erlernte das Zimmermanns¬ handwerk. 1832, also zwei Jahre nach Stiftung der Mormoncnsekte durch Smith, trat er zu letzterer über, und schon im Jahr 1834 galt er. durch seinen Eifer als Missionär rasch beliebt geworden, und in den Rath der „Zwölfe" aufgenommen, als einer der Ersten im Volte Gottes. Später ging er als Werber für das mormonische Himmelreich nach England, wo seine Predigten nicht geringern Erfolg als in Amerika hatten, namentlich als er sie durch eine Zeitung „The Millennial Star" unterstützte. Bei Smiths Ermordung im Jahr 1844 wieder in Amerika, brachte er es durch sein kühnes und schlaues Auftreten dahin, daß Sidney Nigdon, der Mitstifter der Sekte, mit seinem Versuch, die. Stelle des Propheten einzunehmen, durchficl, und von jetzt an war Uoung, zuerst factisch, bald aber auch formell das Oberhaupt der Mormonen. Er führte die Pioniere des „Exodus" durch die große Judiancrwüste nach Utah, er vorzüglich bewirkte, daß der Rest der aus Nauvvo Vertriebenen glücklich nachfolgte, er wußte die Gemeinde zusammenzuhalten, als erst die Hungersnoth. die auf einen Heu- schreckenfraß folgte, und dann die Entdeckung der kalifornischen Goldschätze Zer¬ streuung derselben drohte. 1850 wurde Utah zum Territorium der Vereinigten Staaten erklärt und Aoung auf das Verlangen der Mormonen zum Gouver¬ neur ernannt. 1854 sollte er in dem Obersten Steptve, einem Nichtmormonen, einen Nachfolger erhalten, doch lehnte Sreptoe, mit dem Widerwillen der Sekte gegen einen nicht zu ihr gehörigen obersten Beamten bekannt, die Ernennung ab und bat in Washington um Wicdcrbestätigung Uoungs. Präsident Pierce ging darauf ein, aber die republikanische Presse benutzte diese Nachgiebigkeit zu heftigen Angriffen auf das demokratische Regiment und wußte so viele Anklagen gegen N^'ung und die Mormonen vorzubringen, daß die öffentliche Meinung in äußerstem Grade gegen die Sekte erbittert wurde. Von diesen Anklagen waren die meisten übertrieben, nur die, daß in Utah Vielweiberei herrschte und daß die Mormonen die unter ihnen wohnenden „Heiden" (Andersgläubigen) gering¬ schätzig behandelten und in ihrem Erwerb hinderten, wahr, die dagegen, daß Aoung die Ermordung von Bundesb'cantem und die Verbrennung der Bundes- archive veranlaßt habe, durchweg Erfindungen. Indeß forderte die öffentliche Meinung Ejnschreiten gegen die verhaßte Sekte, und Buchanan sah sich bald nach seinem Amtsantritt genöthigt, diesem Verlangen nachzugeben und den Ver¬ such zu machen, durch Soldaten die Einsetzung eines andern Gouverneurs von Utah zu erzwingen. 10,000 Mann zogen gegen Utah heran, die Mormonen machten Miene, sich zu vertheidigen. Doch gelang es, hauptsächlich durch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/44>, abgerufen am 14.05.2024.