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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Früchte fleißiger und tiefer Forschungen in gedrängter Uebersichtlichkeit und
Fülle genießbar vorgesetzt werden. Das Buch ist eine Sammlung von Kern¬
sprüchen, welche, wie Lebensregeln von der Wiege bis zum Grabe für den
Menschen, so für jede Erscheinung im Staatsleben zu Rath gezogen werden
können.

Wir leben jetzt wieder in einer politisch bewegten Zeit, darum ist das
Buch zeitgemäß. Jeder von uns ist veranlaßt, zuweilen gegen seinen Willen
genöthigt, seine Aufmerksamkeit dem Staate zuzuwenden; und weil es uns dabei
als Leitfaden dient durch die Jrrgänge der Theorien, der Systeme, der That¬
sachen, darum ist das Buch nützlich.

Unter den Staatsformen wird das Königthum mit Vorliebe behandelt,
nicht als gleichbedeutend mit Monarchie -- denn Despotie, Theokratie und
Imperialismus sind dem Verfasser zwar monarchisch, aber nicht königlich. Das
Königthum ist die Herrschaft eines Einzelnen aus eigenem Recht, seinem wahren
Wesen entspricht die verfassungsmäßige Ordnung. Die Unumschränktheit gehört
weder zu seinem Begriff, noch ist sie historisch das Ursprüngliche; sie hat sich
entwickelt im Gegensatz gegen den Feudalstaat und das Uebermaß des aristo¬
kratischen Elements; aber sie kann nur ein Uebergang sein zü einer neuen,
den lebendigen Verhältnissen des Volkes entsprechenden, auf Mitwirkung des¬
selben am Staatsleben beruhenden Ordnung. Die Unumschränktheit ist die
Ausnahme, das Abnorme; der regelmäßige Zustand ist. daß auch das Volk ein
bestimmtes Recht hat. Der König ist nichts ohne das Volk; er hat seine Ge¬
walt nicht von dem Volke, aber auch nicht für das Volk, er hat sie so, daß sie
wirksam wird in Gemeinschaft mit dem Volke. Zusammenwirken des Königs
und des Volkes, das ist das Wesen verfassungsmäßiger Ordnung. Die Vor¬
spiegelungen des Junkerthums in Preußen, als ob die gegenwärtige Mehrheit
des Hauses der Abgeordneten, weil sie ihr verfassungsmäßiges Recht bei Fest¬
stellung des Staatshaushaltes übt, in die Rechte der Krone übergreife, und als
ob das Junterthum, zur Regierung berufen, diese Rechte in vollstem Umfange
wahren und sichern werde, diese Täuschungen können nicht hurtiger widerlegt
werden, als es an den betreffenden Stellen unseres Buches geschieht. "Das
feudale Königthum oder der L'ehensstaat" -- heißt es unter Anderem -- "zeigt
noch etwas Anderes als eine ausgedehnte oder eigenthümlich ausgebildete Mit¬
wirkung einzelner Classen des Volks am staatlichen Leben. - Sein Wesen ist
Uebertragung der staatlichen Rechte an die einzelnen berechtigten Theile und
Glieder unter Vorbehalt nur einer, oft sehr unbestimmten und wenig wirkungs¬
reichen Oberherrlichkeit. In Wahrheit liegt darin eine viel größere Beschrän-
kung, ja Beeinträchtigung des Königthums, als in jeder Art von verfassungs¬
mäßiger Ordnung. Dort werden die staatlichen Rechte gänzlich hingegeben;
hier ist nur bei ihrer Ausübung eine Mitwirkung Anderer erforderlich. Wer


Früchte fleißiger und tiefer Forschungen in gedrängter Uebersichtlichkeit und
Fülle genießbar vorgesetzt werden. Das Buch ist eine Sammlung von Kern¬
sprüchen, welche, wie Lebensregeln von der Wiege bis zum Grabe für den
Menschen, so für jede Erscheinung im Staatsleben zu Rath gezogen werden
können.

Wir leben jetzt wieder in einer politisch bewegten Zeit, darum ist das
Buch zeitgemäß. Jeder von uns ist veranlaßt, zuweilen gegen seinen Willen
genöthigt, seine Aufmerksamkeit dem Staate zuzuwenden; und weil es uns dabei
als Leitfaden dient durch die Jrrgänge der Theorien, der Systeme, der That¬
sachen, darum ist das Buch nützlich.

Unter den Staatsformen wird das Königthum mit Vorliebe behandelt,
nicht als gleichbedeutend mit Monarchie — denn Despotie, Theokratie und
Imperialismus sind dem Verfasser zwar monarchisch, aber nicht königlich. Das
Königthum ist die Herrschaft eines Einzelnen aus eigenem Recht, seinem wahren
Wesen entspricht die verfassungsmäßige Ordnung. Die Unumschränktheit gehört
weder zu seinem Begriff, noch ist sie historisch das Ursprüngliche; sie hat sich
entwickelt im Gegensatz gegen den Feudalstaat und das Uebermaß des aristo¬
kratischen Elements; aber sie kann nur ein Uebergang sein zü einer neuen,
den lebendigen Verhältnissen des Volkes entsprechenden, auf Mitwirkung des¬
selben am Staatsleben beruhenden Ordnung. Die Unumschränktheit ist die
Ausnahme, das Abnorme; der regelmäßige Zustand ist. daß auch das Volk ein
bestimmtes Recht hat. Der König ist nichts ohne das Volk; er hat seine Ge¬
walt nicht von dem Volke, aber auch nicht für das Volk, er hat sie so, daß sie
wirksam wird in Gemeinschaft mit dem Volke. Zusammenwirken des Königs
und des Volkes, das ist das Wesen verfassungsmäßiger Ordnung. Die Vor¬
spiegelungen des Junkerthums in Preußen, als ob die gegenwärtige Mehrheit
des Hauses der Abgeordneten, weil sie ihr verfassungsmäßiges Recht bei Fest¬
stellung des Staatshaushaltes übt, in die Rechte der Krone übergreife, und als
ob das Junterthum, zur Regierung berufen, diese Rechte in vollstem Umfange
wahren und sichern werde, diese Täuschungen können nicht hurtiger widerlegt
werden, als es an den betreffenden Stellen unseres Buches geschieht. „Das
feudale Königthum oder der L'ehensstaat" — heißt es unter Anderem — „zeigt
noch etwas Anderes als eine ausgedehnte oder eigenthümlich ausgebildete Mit¬
wirkung einzelner Classen des Volks am staatlichen Leben. - Sein Wesen ist
Uebertragung der staatlichen Rechte an die einzelnen berechtigten Theile und
Glieder unter Vorbehalt nur einer, oft sehr unbestimmten und wenig wirkungs¬
reichen Oberherrlichkeit. In Wahrheit liegt darin eine viel größere Beschrän-
kung, ja Beeinträchtigung des Königthums, als in jeder Art von verfassungs¬
mäßiger Ordnung. Dort werden die staatlichen Rechte gänzlich hingegeben;
hier ist nur bei ihrer Ausübung eine Mitwirkung Anderer erforderlich. Wer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/510>, abgerufen am 29.05.2024.