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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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nachsteht, namentlich durch ihre Willkürlichkeit in Behandlung der Gedanken
und des Versmaßes, jedenfalls besser gelungen:


Du äome, triste, vibrants
I-g. oloeko Z. I'donne eommanÄs
1,6 erant 6e mores.

Allein auch hier vermissen wir die schweren Doppeltrochäen, die gleichsam
den Doppelschwung der Glocke malen. Im "Erlkönig" flüstert die gespenstische
Erscheinung dem bangen Knaben:


Du liebes Kind, komm', geh' mit mir,
Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir.

Die Consonanten sind durchgehends weich, die Allitteration in "schöne
Spiele spiel' ich" ist äußerst bezeichnend, vor Allem aber malt das überall vor¬
herrschende i die Innigkeit und glühende Sehnsucht des Erlkönigs. Brochiers
Uebersetzung lautete:


LbirrmÄnt petit Z^iyon, viens, oui viens g.pee moi;
^'al cle jnlis ^on^oux; ^ ^ousrai g,pee toi.

Hinsichtlich der consonantischen Laute läßt sie gewiß nichts zu wünschen
übrig! zumal das oft wiederholte dumpfe j gibt sehr gut das Flüstern wieder;
aber die vocalischen Vorzüge sind völlig verloren. Selbst eine italienische
Uebersetzung, die mir eben vorliegt, erreicht bei weitem nicht den wundersamen
Wohlklang des deutschen Liedes:


^mahlt lÄneiuIlo- acti! vieni con ins!
6ran com's, al äoni Im in serbo per te.

Noch ein Beispiel wollen wir anführen, wo namentlich die harten con¬
sonantischen Laute von großer Wirkung sind; in "Winternacht" singt Lenau:


Vor Kälte ist die Lust erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten.

Die französische Uebersetzung lautet:


1'out se radeln on 1'air troia xg-sse, -
Ivg. ucig" crÄtzu." et crie on He porte mes x-is,
De mon naleine lune et ma barbe est ac Alaes:
(Zu' Importe voMgeur, ne nous arretous pas.

Die eonsonantische Kraft ist offenbar nicht erreicht. Statt weiterer Ver¬
gleiche verweisen wir aus das "Studienbuch zum Vergleich der französischen
und deutschen Sprache in Uebersetzungen gewählter Dichtungen der besten
Classiker Deutschlands" von Al. Brochier. Hier bietet fast jede Seite Stoff
zu sehr interessanten Vergleichen.

Doch wäre es falsch, wenn Jemand aus den angeführten Beispielen den


nachsteht, namentlich durch ihre Willkürlichkeit in Behandlung der Gedanken
und des Versmaßes, jedenfalls besser gelungen:


Du äome, triste, vibrants
I-g. oloeko Z. I'donne eommanÄs
1,6 erant 6e mores.

Allein auch hier vermissen wir die schweren Doppeltrochäen, die gleichsam
den Doppelschwung der Glocke malen. Im „Erlkönig" flüstert die gespenstische
Erscheinung dem bangen Knaben:


Du liebes Kind, komm', geh' mit mir,
Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir.

Die Consonanten sind durchgehends weich, die Allitteration in „schöne
Spiele spiel' ich" ist äußerst bezeichnend, vor Allem aber malt das überall vor¬
herrschende i die Innigkeit und glühende Sehnsucht des Erlkönigs. Brochiers
Uebersetzung lautete:


LbirrmÄnt petit Z^iyon, viens, oui viens g.pee moi;
^'al cle jnlis ^on^oux; ^ ^ousrai g,pee toi.

Hinsichtlich der consonantischen Laute läßt sie gewiß nichts zu wünschen
übrig! zumal das oft wiederholte dumpfe j gibt sehr gut das Flüstern wieder;
aber die vocalischen Vorzüge sind völlig verloren. Selbst eine italienische
Uebersetzung, die mir eben vorliegt, erreicht bei weitem nicht den wundersamen
Wohlklang des deutschen Liedes:


^mahlt lÄneiuIlo- acti! vieni con ins!
6ran com's, al äoni Im in serbo per te.

Noch ein Beispiel wollen wir anführen, wo namentlich die harten con¬
sonantischen Laute von großer Wirkung sind; in „Winternacht" singt Lenau:


Vor Kälte ist die Lust erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten.

Die französische Uebersetzung lautet:


1'out se radeln on 1'air troia xg-sse, -
Ivg. ucig« crÄtzu.« et crie on He porte mes x-is,
De mon naleine lune et ma barbe est ac Alaes:
(Zu' Importe voMgeur, ne nous arretous pas.

Die eonsonantische Kraft ist offenbar nicht erreicht. Statt weiterer Ver¬
gleiche verweisen wir aus das „Studienbuch zum Vergleich der französischen
und deutschen Sprache in Uebersetzungen gewählter Dichtungen der besten
Classiker Deutschlands" von Al. Brochier. Hier bietet fast jede Seite Stoff
zu sehr interessanten Vergleichen.

Doch wäre es falsch, wenn Jemand aus den angeführten Beispielen den


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[0070] nachsteht, namentlich durch ihre Willkürlichkeit in Behandlung der Gedanken und des Versmaßes, jedenfalls besser gelungen: Du äome, triste, vibrants I-g. oloeko Z. I'donne eommanÄs 1,6 erant 6e mores. Allein auch hier vermissen wir die schweren Doppeltrochäen, die gleichsam den Doppelschwung der Glocke malen. Im „Erlkönig" flüstert die gespenstische Erscheinung dem bangen Knaben: Du liebes Kind, komm', geh' mit mir, Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir. Die Consonanten sind durchgehends weich, die Allitteration in „schöne Spiele spiel' ich" ist äußerst bezeichnend, vor Allem aber malt das überall vor¬ herrschende i die Innigkeit und glühende Sehnsucht des Erlkönigs. Brochiers Uebersetzung lautete: LbirrmÄnt petit Z^iyon, viens, oui viens g.pee moi; ^'al cle jnlis ^on^oux; ^ ^ousrai g,pee toi. Hinsichtlich der consonantischen Laute läßt sie gewiß nichts zu wünschen übrig! zumal das oft wiederholte dumpfe j gibt sehr gut das Flüstern wieder; aber die vocalischen Vorzüge sind völlig verloren. Selbst eine italienische Uebersetzung, die mir eben vorliegt, erreicht bei weitem nicht den wundersamen Wohlklang des deutschen Liedes: ^mahlt lÄneiuIlo- acti! vieni con ins! 6ran com's, al äoni Im in serbo per te. Noch ein Beispiel wollen wir anführen, wo namentlich die harten con¬ sonantischen Laute von großer Wirkung sind; in „Winternacht" singt Lenau: Vor Kälte ist die Lust erstarrt, Es kracht der Schnee von meinen Tritten, Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart; Nur fort, nur immer fortgeschritten. Die französische Uebersetzung lautet: 1'out se radeln on 1'air troia xg-sse, - Ivg. ucig« crÄtzu.« et crie on He porte mes x-is, De mon naleine lune et ma barbe est ac Alaes: (Zu' Importe voMgeur, ne nous arretous pas. Die eonsonantische Kraft ist offenbar nicht erreicht. Statt weiterer Ver¬ gleiche verweisen wir aus das „Studienbuch zum Vergleich der französischen und deutschen Sprache in Uebersetzungen gewählter Dichtungen der besten Classiker Deutschlands" von Al. Brochier. Hier bietet fast jede Seite Stoff zu sehr interessanten Vergleichen. Doch wäre es falsch, wenn Jemand aus den angeführten Beispielen den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/70>, abgerufen am 04.06.2024.