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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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sämmtliche Hohenstaufen-Tragödien. Doch auch aufgeklärtere Naturen möchten
leicht geneigt sein, die Besprechung eines solchen Buches auf die streng fach¬
wissenschaftlichen Zeitschriften beschränkt wissen zu wollen. Solchen zur Be¬
ruhigung möge es vorausgeschickt sein, daß es sich hier nicht um eine eigent¬
liche Urkundensammlung handelt, die auch der Historiker von Fach nur durch¬
blättert, um hier und da ein Körnchen herauszulesen, sondern um eine jener
seltenen, der Geschichtsforschung in ihrem Streben nach Vertiefung so willkom¬
menen Publicationen, welche mit einem Male auf eine bisher dunkle Epoche
ein Helles Licht fallen lassen, und in deren reichem Nebeneinander sich leicht
Züge von allgemeinerem Interesse finden lassen.

Das vorliegende Buch ist die Abschiedsgabe, welche der ebenso gelehrte
als liebenswürdige Herausgeber vor seinem Abgange nach Heidelberg dem
schlesischen Geschichtsvereine dargebracht hat, den er unter seiner Leitung so er¬
freulich emporblühen gesehen hat. Es behandelt vornehmlich die Zeit des Bischofs
Heinrich 1301--is, reicht über die Sedisvacanz nach dessen Tode bis in die
Zeit des durch seinen Streit mit König Johann von Böhmen bekannten Bischof
Ramler hinein, welchem Letzteren es auch am 23. Mai 1332 überreicht wurde.
Der Verfasser ist ein im bischöflichen Dienste namentlich als Hofrichter (wäh¬
rend der Sedisvacanz sogar als Administrator) vielfach beschäftigter Geistlicher
Namens Arnold v. Protzau. Das Werk ist ein Formelbuch, d. h. eine Samm¬
lung von Documenten der verschiedensten Art, wie sie eben der Geschäftsgang
in der bischöflichen Kanzlei hervorbrachte, zusammengetragen, um sie dann
als Typen oder Formulare für ähnliche Fälle zu benutzen, weshalb auch
größtentheils Namen und Datum weggelassen sind. Solche Formelbücher hat
das Mittelalter in großer Anzahl hervorgebracht, und namentlich hat sich der
Klerus ihrer bis in die neuere Zeit bedient, wie denn hier auch die grund¬
sätzliche Stabilität in den Formen die Benutzung sehr alter Typen möglich
machte. So kennen wir ein handschriftliches Formelbuch, welches der Bi¬
schof von Krakau am Ende des siebzehnten Jahrhunderts zusammenstellen ließ,
und welches seine Typen zum Theile noch dem fünfzehnten Jahrhundert ent¬
nimmt.

Das vorliegende Buch hat seine hervorragende Bedeutung besonders nach
drei Seiten hin. Zunächst insofern als es den Bischof Heinrich in einem we¬
sentlich andern Lichte erblicken läßt als bisher, ein Resultat, um so wichtiger,
als dieser Mann als Vormund der minderjährigen Söhne Heinrichs des Fünften
eine Zeit lang der Regent des größten Theiles von Schlesien war. In
der That stimmt der unermüdliche, rühmliche Eifer, mit dem ihn das vor¬
liegende Buch an der Verbesserung der sehr gesunkenen Kirchenzucht arbeitend
zeigt, sowie die Ordnung, welche die Organisation seiner Kanzlei noch für
spätere Zeiten als Muster aufstellen ließ, zu der üblichen Vorstellung als eines


Grenzboten IV. 1862. 9

sämmtliche Hohenstaufen-Tragödien. Doch auch aufgeklärtere Naturen möchten
leicht geneigt sein, die Besprechung eines solchen Buches auf die streng fach¬
wissenschaftlichen Zeitschriften beschränkt wissen zu wollen. Solchen zur Be¬
ruhigung möge es vorausgeschickt sein, daß es sich hier nicht um eine eigent¬
liche Urkundensammlung handelt, die auch der Historiker von Fach nur durch¬
blättert, um hier und da ein Körnchen herauszulesen, sondern um eine jener
seltenen, der Geschichtsforschung in ihrem Streben nach Vertiefung so willkom¬
menen Publicationen, welche mit einem Male auf eine bisher dunkle Epoche
ein Helles Licht fallen lassen, und in deren reichem Nebeneinander sich leicht
Züge von allgemeinerem Interesse finden lassen.

Das vorliegende Buch ist die Abschiedsgabe, welche der ebenso gelehrte
als liebenswürdige Herausgeber vor seinem Abgange nach Heidelberg dem
schlesischen Geschichtsvereine dargebracht hat, den er unter seiner Leitung so er¬
freulich emporblühen gesehen hat. Es behandelt vornehmlich die Zeit des Bischofs
Heinrich 1301—is, reicht über die Sedisvacanz nach dessen Tode bis in die
Zeit des durch seinen Streit mit König Johann von Böhmen bekannten Bischof
Ramler hinein, welchem Letzteren es auch am 23. Mai 1332 überreicht wurde.
Der Verfasser ist ein im bischöflichen Dienste namentlich als Hofrichter (wäh¬
rend der Sedisvacanz sogar als Administrator) vielfach beschäftigter Geistlicher
Namens Arnold v. Protzau. Das Werk ist ein Formelbuch, d. h. eine Samm¬
lung von Documenten der verschiedensten Art, wie sie eben der Geschäftsgang
in der bischöflichen Kanzlei hervorbrachte, zusammengetragen, um sie dann
als Typen oder Formulare für ähnliche Fälle zu benutzen, weshalb auch
größtentheils Namen und Datum weggelassen sind. Solche Formelbücher hat
das Mittelalter in großer Anzahl hervorgebracht, und namentlich hat sich der
Klerus ihrer bis in die neuere Zeit bedient, wie denn hier auch die grund¬
sätzliche Stabilität in den Formen die Benutzung sehr alter Typen möglich
machte. So kennen wir ein handschriftliches Formelbuch, welches der Bi¬
schof von Krakau am Ende des siebzehnten Jahrhunderts zusammenstellen ließ,
und welches seine Typen zum Theile noch dem fünfzehnten Jahrhundert ent¬
nimmt.

Das vorliegende Buch hat seine hervorragende Bedeutung besonders nach
drei Seiten hin. Zunächst insofern als es den Bischof Heinrich in einem we¬
sentlich andern Lichte erblicken läßt als bisher, ein Resultat, um so wichtiger,
als dieser Mann als Vormund der minderjährigen Söhne Heinrichs des Fünften
eine Zeit lang der Regent des größten Theiles von Schlesien war. In
der That stimmt der unermüdliche, rühmliche Eifer, mit dem ihn das vor¬
liegende Buch an der Verbesserung der sehr gesunkenen Kirchenzucht arbeitend
zeigt, sowie die Ordnung, welche die Organisation seiner Kanzlei noch für
spätere Zeiten als Muster aufstellen ließ, zu der üblichen Vorstellung als eines


Grenzboten IV. 1862. 9
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[0073] sämmtliche Hohenstaufen-Tragödien. Doch auch aufgeklärtere Naturen möchten leicht geneigt sein, die Besprechung eines solchen Buches auf die streng fach¬ wissenschaftlichen Zeitschriften beschränkt wissen zu wollen. Solchen zur Be¬ ruhigung möge es vorausgeschickt sein, daß es sich hier nicht um eine eigent¬ liche Urkundensammlung handelt, die auch der Historiker von Fach nur durch¬ blättert, um hier und da ein Körnchen herauszulesen, sondern um eine jener seltenen, der Geschichtsforschung in ihrem Streben nach Vertiefung so willkom¬ menen Publicationen, welche mit einem Male auf eine bisher dunkle Epoche ein Helles Licht fallen lassen, und in deren reichem Nebeneinander sich leicht Züge von allgemeinerem Interesse finden lassen. Das vorliegende Buch ist die Abschiedsgabe, welche der ebenso gelehrte als liebenswürdige Herausgeber vor seinem Abgange nach Heidelberg dem schlesischen Geschichtsvereine dargebracht hat, den er unter seiner Leitung so er¬ freulich emporblühen gesehen hat. Es behandelt vornehmlich die Zeit des Bischofs Heinrich 1301—is, reicht über die Sedisvacanz nach dessen Tode bis in die Zeit des durch seinen Streit mit König Johann von Böhmen bekannten Bischof Ramler hinein, welchem Letzteren es auch am 23. Mai 1332 überreicht wurde. Der Verfasser ist ein im bischöflichen Dienste namentlich als Hofrichter (wäh¬ rend der Sedisvacanz sogar als Administrator) vielfach beschäftigter Geistlicher Namens Arnold v. Protzau. Das Werk ist ein Formelbuch, d. h. eine Samm¬ lung von Documenten der verschiedensten Art, wie sie eben der Geschäftsgang in der bischöflichen Kanzlei hervorbrachte, zusammengetragen, um sie dann als Typen oder Formulare für ähnliche Fälle zu benutzen, weshalb auch größtentheils Namen und Datum weggelassen sind. Solche Formelbücher hat das Mittelalter in großer Anzahl hervorgebracht, und namentlich hat sich der Klerus ihrer bis in die neuere Zeit bedient, wie denn hier auch die grund¬ sätzliche Stabilität in den Formen die Benutzung sehr alter Typen möglich machte. So kennen wir ein handschriftliches Formelbuch, welches der Bi¬ schof von Krakau am Ende des siebzehnten Jahrhunderts zusammenstellen ließ, und welches seine Typen zum Theile noch dem fünfzehnten Jahrhundert ent¬ nimmt. Das vorliegende Buch hat seine hervorragende Bedeutung besonders nach drei Seiten hin. Zunächst insofern als es den Bischof Heinrich in einem we¬ sentlich andern Lichte erblicken läßt als bisher, ein Resultat, um so wichtiger, als dieser Mann als Vormund der minderjährigen Söhne Heinrichs des Fünften eine Zeit lang der Regent des größten Theiles von Schlesien war. In der That stimmt der unermüdliche, rühmliche Eifer, mit dem ihn das vor¬ liegende Buch an der Verbesserung der sehr gesunkenen Kirchenzucht arbeitend zeigt, sowie die Ordnung, welche die Organisation seiner Kanzlei noch für spätere Zeiten als Muster aufstellen ließ, zu der üblichen Vorstellung als eines Grenzboten IV. 1862. 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/73>, abgerufen am 16.05.2024.