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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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leichtsinnigen Verschwenders*) ebenso wenig wie die aus den breslauer Rechnungs¬
büchern entnommene Notiz, daß er die Burgen der Raubritter im Lande seiner
Mündel zerstörte, vielmehr hat der Herausgeber sehr Recht (Mg. VI-), die Un¬
zufriedenheit über seine Strenge als den Hauptgrund jener gehässigen Beur¬
theilungen anzusehn. '

Ferner aber verdanken wir unserm Werke auch ein deutliches und vollstän¬
diges Bild von dem Geschäftskreise einer bischöflichen Kanzlei. Dieser ist ein
sehr umfassender, und es gibt in der That viel zu thun. Neben den mannig¬
fachen Fällen, die das Gebiet der kirchlichen Disciplin betreffen, verursacht der
Schutz des Diöcesauklerus überhaupt viel Arbeit und große Schwierigkeiten
gegenüber dem gewaltthätigen und raublustigen Adel (die Fürsten obenan) wie
den trotzigen Städtern, vor Allen auch wieder den Bürgern der nahen, vom Bi¬
schof unabhängigen und mächtigen Hauptstadt. Und dann die eigentlich episkopale
Thätigkeit, die Aufsicht über das kirchliche Leben überhaupt. Da machen z. B.
allerlei Ketzereien, die immer wieder auftreten, viel zu schaffen. Besonders in,
den Städten Breslau, Schweidnitz und Reiße grassiren sie; Bann und
Interdict, selbst der Scheiterhaufen vermögen nicht davon zurückzuschrecken.
Auch gilt es allerlei Nothständen durch öffentliche Gebete und Processionen zu
begegnen, wobei nicht vergessen wird, den Diöcesanen bemerklich zu machen,
daß derartige Calamitäten gemeiniglich eine Folge der Saumseligkeit in der
Entrichtung des Zehnten seien (I, 103). Ein andres Mal handelt es sich um
einen Brunnen, dem das Volk Wunderkräfte zuschreibt; das erscheint dem
Bischof götzendienerisch und ketzerisch, selbst wenn neue Reliquien dort gefunden
würden, dürften sie doch nicht ohne Billigung des Papstes verehrt werden
(I, 100). Auch gegen die Juden zu kämpfen erschien als Pflicht des Bischofs;
einer derselben, Salomo, hat es bis zum Hos- und Küchenmeister Herzogs
Boleslaus gebracht, und es kostet große Mühe, ihn aus dieser Stellung zu
verdrängen.

Andrerseits erzeugt das Verhältniß zum päpstlichen Stuhle und zu dessen
Gesandten, den nirgends gern gesehenen Einsammlern des Peterspfennigs, sowie
die Appellationen nach Avignon und an den Erzbischof von Gnesen, mit dem
das Einvernehmen nie ein besonders gutes ist, mancherlei Verwickelungen;
Bischof Heinrich selbst wird auf drei Jahre von seinem Amte suspendirt. Endlich
ist noch eines Gebietes zu gedenken, aus dem, wie die zahlreichen Formeln
zeigen, sehr viel zu thun ist, nämlich die Ehesachen. Hier handelt es sich bald
darum, Ehen zu scheiden z. B. wegen zu naher Verwandtschaft (auch das
Verhältniß der Pathenschaft gibt ein Ehehinderniß ab I. 22, 23). bald Ehe-



") Dieselbe gründet sich übrigens auf die einzige Stelle in der LKron. xrino. ?o1on.
sterbe!!, Lerixt, rer, Lilvs. I. 125.

leichtsinnigen Verschwenders*) ebenso wenig wie die aus den breslauer Rechnungs¬
büchern entnommene Notiz, daß er die Burgen der Raubritter im Lande seiner
Mündel zerstörte, vielmehr hat der Herausgeber sehr Recht (Mg. VI-), die Un¬
zufriedenheit über seine Strenge als den Hauptgrund jener gehässigen Beur¬
theilungen anzusehn. '

Ferner aber verdanken wir unserm Werke auch ein deutliches und vollstän¬
diges Bild von dem Geschäftskreise einer bischöflichen Kanzlei. Dieser ist ein
sehr umfassender, und es gibt in der That viel zu thun. Neben den mannig¬
fachen Fällen, die das Gebiet der kirchlichen Disciplin betreffen, verursacht der
Schutz des Diöcesauklerus überhaupt viel Arbeit und große Schwierigkeiten
gegenüber dem gewaltthätigen und raublustigen Adel (die Fürsten obenan) wie
den trotzigen Städtern, vor Allen auch wieder den Bürgern der nahen, vom Bi¬
schof unabhängigen und mächtigen Hauptstadt. Und dann die eigentlich episkopale
Thätigkeit, die Aufsicht über das kirchliche Leben überhaupt. Da machen z. B.
allerlei Ketzereien, die immer wieder auftreten, viel zu schaffen. Besonders in,
den Städten Breslau, Schweidnitz und Reiße grassiren sie; Bann und
Interdict, selbst der Scheiterhaufen vermögen nicht davon zurückzuschrecken.
Auch gilt es allerlei Nothständen durch öffentliche Gebete und Processionen zu
begegnen, wobei nicht vergessen wird, den Diöcesanen bemerklich zu machen,
daß derartige Calamitäten gemeiniglich eine Folge der Saumseligkeit in der
Entrichtung des Zehnten seien (I, 103). Ein andres Mal handelt es sich um
einen Brunnen, dem das Volk Wunderkräfte zuschreibt; das erscheint dem
Bischof götzendienerisch und ketzerisch, selbst wenn neue Reliquien dort gefunden
würden, dürften sie doch nicht ohne Billigung des Papstes verehrt werden
(I, 100). Auch gegen die Juden zu kämpfen erschien als Pflicht des Bischofs;
einer derselben, Salomo, hat es bis zum Hos- und Küchenmeister Herzogs
Boleslaus gebracht, und es kostet große Mühe, ihn aus dieser Stellung zu
verdrängen.

Andrerseits erzeugt das Verhältniß zum päpstlichen Stuhle und zu dessen
Gesandten, den nirgends gern gesehenen Einsammlern des Peterspfennigs, sowie
die Appellationen nach Avignon und an den Erzbischof von Gnesen, mit dem
das Einvernehmen nie ein besonders gutes ist, mancherlei Verwickelungen;
Bischof Heinrich selbst wird auf drei Jahre von seinem Amte suspendirt. Endlich
ist noch eines Gebietes zu gedenken, aus dem, wie die zahlreichen Formeln
zeigen, sehr viel zu thun ist, nämlich die Ehesachen. Hier handelt es sich bald
darum, Ehen zu scheiden z. B. wegen zu naher Verwandtschaft (auch das
Verhältniß der Pathenschaft gibt ein Ehehinderniß ab I. 22, 23). bald Ehe-



") Dieselbe gründet sich übrigens auf die einzige Stelle in der LKron. xrino. ?o1on.
sterbe!!, Lerixt, rer, Lilvs. I. 125.
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[0074] leichtsinnigen Verschwenders*) ebenso wenig wie die aus den breslauer Rechnungs¬ büchern entnommene Notiz, daß er die Burgen der Raubritter im Lande seiner Mündel zerstörte, vielmehr hat der Herausgeber sehr Recht (Mg. VI-), die Un¬ zufriedenheit über seine Strenge als den Hauptgrund jener gehässigen Beur¬ theilungen anzusehn. ' Ferner aber verdanken wir unserm Werke auch ein deutliches und vollstän¬ diges Bild von dem Geschäftskreise einer bischöflichen Kanzlei. Dieser ist ein sehr umfassender, und es gibt in der That viel zu thun. Neben den mannig¬ fachen Fällen, die das Gebiet der kirchlichen Disciplin betreffen, verursacht der Schutz des Diöcesauklerus überhaupt viel Arbeit und große Schwierigkeiten gegenüber dem gewaltthätigen und raublustigen Adel (die Fürsten obenan) wie den trotzigen Städtern, vor Allen auch wieder den Bürgern der nahen, vom Bi¬ schof unabhängigen und mächtigen Hauptstadt. Und dann die eigentlich episkopale Thätigkeit, die Aufsicht über das kirchliche Leben überhaupt. Da machen z. B. allerlei Ketzereien, die immer wieder auftreten, viel zu schaffen. Besonders in, den Städten Breslau, Schweidnitz und Reiße grassiren sie; Bann und Interdict, selbst der Scheiterhaufen vermögen nicht davon zurückzuschrecken. Auch gilt es allerlei Nothständen durch öffentliche Gebete und Processionen zu begegnen, wobei nicht vergessen wird, den Diöcesanen bemerklich zu machen, daß derartige Calamitäten gemeiniglich eine Folge der Saumseligkeit in der Entrichtung des Zehnten seien (I, 103). Ein andres Mal handelt es sich um einen Brunnen, dem das Volk Wunderkräfte zuschreibt; das erscheint dem Bischof götzendienerisch und ketzerisch, selbst wenn neue Reliquien dort gefunden würden, dürften sie doch nicht ohne Billigung des Papstes verehrt werden (I, 100). Auch gegen die Juden zu kämpfen erschien als Pflicht des Bischofs; einer derselben, Salomo, hat es bis zum Hos- und Küchenmeister Herzogs Boleslaus gebracht, und es kostet große Mühe, ihn aus dieser Stellung zu verdrängen. Andrerseits erzeugt das Verhältniß zum päpstlichen Stuhle und zu dessen Gesandten, den nirgends gern gesehenen Einsammlern des Peterspfennigs, sowie die Appellationen nach Avignon und an den Erzbischof von Gnesen, mit dem das Einvernehmen nie ein besonders gutes ist, mancherlei Verwickelungen; Bischof Heinrich selbst wird auf drei Jahre von seinem Amte suspendirt. Endlich ist noch eines Gebietes zu gedenken, aus dem, wie die zahlreichen Formeln zeigen, sehr viel zu thun ist, nämlich die Ehesachen. Hier handelt es sich bald darum, Ehen zu scheiden z. B. wegen zu naher Verwandtschaft (auch das Verhältniß der Pathenschaft gibt ein Ehehinderniß ab I. 22, 23). bald Ehe- ") Dieselbe gründet sich übrigens auf die einzige Stelle in der LKron. xrino. ?o1on. sterbe!!, Lerixt, rer, Lilvs. I. 125.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/74>, abgerufen am 05.06.2024.