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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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die Staatsgewalt von rechtswegen ansprechen könne, sie im alleinigen freien
Bekenntniß selbst mit bürgerlichen Folgen zu schützen." Ein schlagenderes Ar¬
gument gegen den eifrigen und ruhmreichen Vorkämpfer der tirolischen Glaubens¬
einheit mochte wohl kaum beigebracht worden. Der schlaue Fürstbischof redete
sich damit aus, daß er nur "überwältigt vom Hohne der Paulskirche" (die er
doch damals lange schon verlassen) über die für die eigenthümlichen Verhälnisse
Tirols verlangte Rücksicht zu jener Anschauung gelangt sei. In kirchlichen
Dingen habe seine Ueberzeugung nie geschwankt, in allen anderen aber so oft
sich geändert, als er erkannt sich geirrt zu haben. Wenn aber Dr. Grebmer
meine, seine Umkehr schreibe sich daher, daß er aus einem einfachen Professor
der Theologie Bischof geworden, so könne er nur sagen: "Herr verzeihe ihm,
er weiß nicht was er spricht!" Dieser verbissene Groll machte sich bald in
den "Tiroler Stimmen" Lust, worin der Fürstbischof den Liberalen, die sich
im Landtag gegen ihn erhoben, "das auflehnende und wahrhaft gemeine Be¬
nehmen" vorwarf. Obschon nun der Redacteur dieses Blattes bei der diesfalls
gegen ihn eingeleiteten Verhandlung erklärte, jenen Artikel, worin diese Worte
vorkamen, habe der hochwürdige Fürstbischof selbst geschrieben*), fand es dieser
doch nicht unter seiner Würde, den Dr. Grebmer zur Anbahnung einer Aus¬
gleichung über den Vorfall im Landhause alles Ernstes zu versichern, er hätte,
wiewohl vergeblich, seinen ganzen Einfluß ausgeboten, um die Veröffentlichung
jenes Aufsatzes zu verhindern. Wie klang dies doch so milde und versöhnlich!

Auch mit dem Volkswillen. der sich durch die Abstimmungen der Land¬
tagsabgeordneten geäußert haben soll, hatte es seine eigene Bewandtniß. Es
gab unter ihnen der Unselbständigen und Aengstlichen manche, so daß ihnen
eben nur Dr. Haßlwanter als die rechte Leuchte erscheinen wollte. Er war
daran so gewöhnt, daß er ihnen einmal wegen eines Mißverständnisses zu-
herrschte: "Jetzt stehen die Esel gar auf!" Bei einem andern Anlaß, als sie
ebenfalls aus Mißverständniß bei der Frage über die Gemeindeangehörigkeit
der Beamten und Offiziere sitzen geblieben waren, erhoben sie sich auf seine dies-
fällige Belehrung sogleich für die gegentheilige Meinung. Auch von der Ab¬
stimmung in der Glaubenssache wird erzählt, daß einige dieser nachdenklichen
ihren späteren Aeußerungen zufolge zur liberalen Partei übergetreten wären,
wenn der Feuereifer der Kirchlichen eine Vertagung zugelassen. Der Fürst¬
bischof von Brixen soll sich die Wiederholung einer solchen "Glaubensschlacht"
nicht gewünscht haben.

Das Ergebniß der Stimmgebung war am Ende doch ein für den Fort¬
schritt erfreuliches. Während sich im Jahre 1861 für die Freiheit des öffent-
lichen Cultus der Protestanten und ihre Vereinigung zu Gemeinden nur zwei



-) S. d. "Jnnzeitung" Ur. 74. S. 303.

die Staatsgewalt von rechtswegen ansprechen könne, sie im alleinigen freien
Bekenntniß selbst mit bürgerlichen Folgen zu schützen." Ein schlagenderes Ar¬
gument gegen den eifrigen und ruhmreichen Vorkämpfer der tirolischen Glaubens¬
einheit mochte wohl kaum beigebracht worden. Der schlaue Fürstbischof redete
sich damit aus, daß er nur „überwältigt vom Hohne der Paulskirche" (die er
doch damals lange schon verlassen) über die für die eigenthümlichen Verhälnisse
Tirols verlangte Rücksicht zu jener Anschauung gelangt sei. In kirchlichen
Dingen habe seine Ueberzeugung nie geschwankt, in allen anderen aber so oft
sich geändert, als er erkannt sich geirrt zu haben. Wenn aber Dr. Grebmer
meine, seine Umkehr schreibe sich daher, daß er aus einem einfachen Professor
der Theologie Bischof geworden, so könne er nur sagen: „Herr verzeihe ihm,
er weiß nicht was er spricht!" Dieser verbissene Groll machte sich bald in
den „Tiroler Stimmen" Lust, worin der Fürstbischof den Liberalen, die sich
im Landtag gegen ihn erhoben, „das auflehnende und wahrhaft gemeine Be¬
nehmen" vorwarf. Obschon nun der Redacteur dieses Blattes bei der diesfalls
gegen ihn eingeleiteten Verhandlung erklärte, jenen Artikel, worin diese Worte
vorkamen, habe der hochwürdige Fürstbischof selbst geschrieben*), fand es dieser
doch nicht unter seiner Würde, den Dr. Grebmer zur Anbahnung einer Aus¬
gleichung über den Vorfall im Landhause alles Ernstes zu versichern, er hätte,
wiewohl vergeblich, seinen ganzen Einfluß ausgeboten, um die Veröffentlichung
jenes Aufsatzes zu verhindern. Wie klang dies doch so milde und versöhnlich!

Auch mit dem Volkswillen. der sich durch die Abstimmungen der Land¬
tagsabgeordneten geäußert haben soll, hatte es seine eigene Bewandtniß. Es
gab unter ihnen der Unselbständigen und Aengstlichen manche, so daß ihnen
eben nur Dr. Haßlwanter als die rechte Leuchte erscheinen wollte. Er war
daran so gewöhnt, daß er ihnen einmal wegen eines Mißverständnisses zu-
herrschte: „Jetzt stehen die Esel gar auf!" Bei einem andern Anlaß, als sie
ebenfalls aus Mißverständniß bei der Frage über die Gemeindeangehörigkeit
der Beamten und Offiziere sitzen geblieben waren, erhoben sie sich auf seine dies-
fällige Belehrung sogleich für die gegentheilige Meinung. Auch von der Ab¬
stimmung in der Glaubenssache wird erzählt, daß einige dieser nachdenklichen
ihren späteren Aeußerungen zufolge zur liberalen Partei übergetreten wären,
wenn der Feuereifer der Kirchlichen eine Vertagung zugelassen. Der Fürst¬
bischof von Brixen soll sich die Wiederholung einer solchen „Glaubensschlacht"
nicht gewünscht haben.

Das Ergebniß der Stimmgebung war am Ende doch ein für den Fort¬
schritt erfreuliches. Während sich im Jahre 1861 für die Freiheit des öffent-
lichen Cultus der Protestanten und ihre Vereinigung zu Gemeinden nur zwei



-) S. d. „Jnnzeitung" Ur. 74. S. 303.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/300>, abgerufen am 04.06.2024.