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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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dem darin alles Ueberflüssige weggelassen sei und keine anderen Bewegungen
vorkämen, als solche, welche wirklich im Kriege zur praktischen Anwendung
kommen können. Diese gewiß schmeichelhafte Aeußerung erregte gleichwohl die
Erbitterung einer großen Mehrzahl der östreichischen Militärs, ja ein Militär¬
organ erklärte sogar mit trockenen Worten, daß dieses Alles Unsinn sei und
daß das Exerciren nicht des Krieges wegen, sondern dazu da sei, um dem
Soldaten die nöthige Gewandtheit zu verschaffen. Die guten Leute ärgerten
sich also darüber, daß man sie einmal eines gescheidten Gedankens fähig ge¬
halten hatte!

Wenn man bei der Ausstellung der Regimenter und bei der Zusammen¬
setzung der Brigaden, sowie bei vielen Kleinigkeiten die französischen und ita¬
lienischen Institutionen nachgeahmt oder besser gesagt nachgeäfft hatte, so unter¬
ließ man es in wirklich wichtigen Dingen, in denen sich der Feind offenbar
überlegen gezeigt hatte, von dem letzteren etwas zu lernen. So war es z. B.
mit dem Tirailliren. Das neue östreichische Tirailleursystem, weder mit der
alten Kette, noch mit dem Gruppensystem analog, besitzt die Nachtheile beider
Systeme, ohne auch nur einen erheblichen Vortheil zu bieten.

Im Verpflegungswesen reformirte man wieder Alles nach französischem Zu¬
schnitt. So führte man den bei dem größten Theil der östreichischen Armee
ganz unbeliebten und Vielen sogar ganz unbekannten Kaffee ein und errichtete
mit großen Kosten eine Fabrik zur Bereitung der comprimirten Kaffeetafeln,
obgleich die meisten Magyaren, Polen, Nuthcnen, Wallachen und Slowaken
gewiß ein Glas Branntwein oder Wein dem besten Kaffee vorziehen und sich
auch besser dabei befinden würden.

Aber alle diese Neuerungen nahmen das Kopfzerbrechen und die Thätigkeit
der Spitzen der Armee bei weitem minder in Anspruch, als dieses bei dem
Entwurf der neuen Adjüstirung der Fall war.

Man könnte viele dicke Bände damit anfüllen, wollte man alles dasjenige
zusammentragen, was über diesen Gegenstand projectirt, berathen, angeordnet,
erläutert und wieder -- abgeändert wurde. Hier bot sich der Geistlosigkeit und
Launenhaftigkeit ein weites Feld, um unter dem Vorwande, die Kriegstüchtig¬
keit der ganzen Armee und das Wohl des einzelnen Mannes zu befördern,
sich mit den lächerlichsten Spielereien und den nichtswürdigstcn Kleinigkeiten
abzumühen und die tollsten Ausgeburten einer verschrobenen Bureautratenphan-
tasic zu verwirklichen. Wer die sogenannten freiwilligen, jetzt regulären neuen
Kavallerieregimenter oder die "Marschadjustirung" eines Jnfanteristen gesehen
hat, wird diesen Ausspruch gewiß nicht bezweifeln.

Während auf das Drängen des Reichsraths und des Finanzministers ganze
Regimenter aufgelöst und die andern bis unter das zulässige Minimum reducirt
wurden, hatte man für derlei, oft sehr kostspielige Versuche und ähnliche Tau-


dem darin alles Ueberflüssige weggelassen sei und keine anderen Bewegungen
vorkämen, als solche, welche wirklich im Kriege zur praktischen Anwendung
kommen können. Diese gewiß schmeichelhafte Aeußerung erregte gleichwohl die
Erbitterung einer großen Mehrzahl der östreichischen Militärs, ja ein Militär¬
organ erklärte sogar mit trockenen Worten, daß dieses Alles Unsinn sei und
daß das Exerciren nicht des Krieges wegen, sondern dazu da sei, um dem
Soldaten die nöthige Gewandtheit zu verschaffen. Die guten Leute ärgerten
sich also darüber, daß man sie einmal eines gescheidten Gedankens fähig ge¬
halten hatte!

Wenn man bei der Ausstellung der Regimenter und bei der Zusammen¬
setzung der Brigaden, sowie bei vielen Kleinigkeiten die französischen und ita¬
lienischen Institutionen nachgeahmt oder besser gesagt nachgeäfft hatte, so unter¬
ließ man es in wirklich wichtigen Dingen, in denen sich der Feind offenbar
überlegen gezeigt hatte, von dem letzteren etwas zu lernen. So war es z. B.
mit dem Tirailliren. Das neue östreichische Tirailleursystem, weder mit der
alten Kette, noch mit dem Gruppensystem analog, besitzt die Nachtheile beider
Systeme, ohne auch nur einen erheblichen Vortheil zu bieten.

Im Verpflegungswesen reformirte man wieder Alles nach französischem Zu¬
schnitt. So führte man den bei dem größten Theil der östreichischen Armee
ganz unbeliebten und Vielen sogar ganz unbekannten Kaffee ein und errichtete
mit großen Kosten eine Fabrik zur Bereitung der comprimirten Kaffeetafeln,
obgleich die meisten Magyaren, Polen, Nuthcnen, Wallachen und Slowaken
gewiß ein Glas Branntwein oder Wein dem besten Kaffee vorziehen und sich
auch besser dabei befinden würden.

Aber alle diese Neuerungen nahmen das Kopfzerbrechen und die Thätigkeit
der Spitzen der Armee bei weitem minder in Anspruch, als dieses bei dem
Entwurf der neuen Adjüstirung der Fall war.

Man könnte viele dicke Bände damit anfüllen, wollte man alles dasjenige
zusammentragen, was über diesen Gegenstand projectirt, berathen, angeordnet,
erläutert und wieder — abgeändert wurde. Hier bot sich der Geistlosigkeit und
Launenhaftigkeit ein weites Feld, um unter dem Vorwande, die Kriegstüchtig¬
keit der ganzen Armee und das Wohl des einzelnen Mannes zu befördern,
sich mit den lächerlichsten Spielereien und den nichtswürdigstcn Kleinigkeiten
abzumühen und die tollsten Ausgeburten einer verschrobenen Bureautratenphan-
tasic zu verwirklichen. Wer die sogenannten freiwilligen, jetzt regulären neuen
Kavallerieregimenter oder die „Marschadjustirung" eines Jnfanteristen gesehen
hat, wird diesen Ausspruch gewiß nicht bezweifeln.

Während auf das Drängen des Reichsraths und des Finanzministers ganze
Regimenter aufgelöst und die andern bis unter das zulässige Minimum reducirt
wurden, hatte man für derlei, oft sehr kostspielige Versuche und ähnliche Tau-


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[0423] dem darin alles Ueberflüssige weggelassen sei und keine anderen Bewegungen vorkämen, als solche, welche wirklich im Kriege zur praktischen Anwendung kommen können. Diese gewiß schmeichelhafte Aeußerung erregte gleichwohl die Erbitterung einer großen Mehrzahl der östreichischen Militärs, ja ein Militär¬ organ erklärte sogar mit trockenen Worten, daß dieses Alles Unsinn sei und daß das Exerciren nicht des Krieges wegen, sondern dazu da sei, um dem Soldaten die nöthige Gewandtheit zu verschaffen. Die guten Leute ärgerten sich also darüber, daß man sie einmal eines gescheidten Gedankens fähig ge¬ halten hatte! Wenn man bei der Ausstellung der Regimenter und bei der Zusammen¬ setzung der Brigaden, sowie bei vielen Kleinigkeiten die französischen und ita¬ lienischen Institutionen nachgeahmt oder besser gesagt nachgeäfft hatte, so unter¬ ließ man es in wirklich wichtigen Dingen, in denen sich der Feind offenbar überlegen gezeigt hatte, von dem letzteren etwas zu lernen. So war es z. B. mit dem Tirailliren. Das neue östreichische Tirailleursystem, weder mit der alten Kette, noch mit dem Gruppensystem analog, besitzt die Nachtheile beider Systeme, ohne auch nur einen erheblichen Vortheil zu bieten. Im Verpflegungswesen reformirte man wieder Alles nach französischem Zu¬ schnitt. So führte man den bei dem größten Theil der östreichischen Armee ganz unbeliebten und Vielen sogar ganz unbekannten Kaffee ein und errichtete mit großen Kosten eine Fabrik zur Bereitung der comprimirten Kaffeetafeln, obgleich die meisten Magyaren, Polen, Nuthcnen, Wallachen und Slowaken gewiß ein Glas Branntwein oder Wein dem besten Kaffee vorziehen und sich auch besser dabei befinden würden. Aber alle diese Neuerungen nahmen das Kopfzerbrechen und die Thätigkeit der Spitzen der Armee bei weitem minder in Anspruch, als dieses bei dem Entwurf der neuen Adjüstirung der Fall war. Man könnte viele dicke Bände damit anfüllen, wollte man alles dasjenige zusammentragen, was über diesen Gegenstand projectirt, berathen, angeordnet, erläutert und wieder — abgeändert wurde. Hier bot sich der Geistlosigkeit und Launenhaftigkeit ein weites Feld, um unter dem Vorwande, die Kriegstüchtig¬ keit der ganzen Armee und das Wohl des einzelnen Mannes zu befördern, sich mit den lächerlichsten Spielereien und den nichtswürdigstcn Kleinigkeiten abzumühen und die tollsten Ausgeburten einer verschrobenen Bureautratenphan- tasic zu verwirklichen. Wer die sogenannten freiwilligen, jetzt regulären neuen Kavallerieregimenter oder die „Marschadjustirung" eines Jnfanteristen gesehen hat, wird diesen Ausspruch gewiß nicht bezweifeln. Während auf das Drängen des Reichsraths und des Finanzministers ganze Regimenter aufgelöst und die andern bis unter das zulässige Minimum reducirt wurden, hatte man für derlei, oft sehr kostspielige Versuche und ähnliche Tau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/423>, abgerufen am 13.06.2024.