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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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so wichtige politische Thatsache auch nur zu erwähnen! Wo den Preußen
verboten werden darf, zu erfahren, was in der fremden Presse und an allen
Höfen des Auslandes Aufsehen erregt hat.

Allerdings ist der Protest des Kronprinzen und was ihn umgibt dem
preußischen Volke nicht ganz fremd und nicht ganz ohne Wirkung auf die
Stimmung geblieben. Die gewaltsame Unterdrückung des freien Wortes in
den Zeitungen hat tu Preußen die gewöhnliche Folge gehabt, daß das Publi-
cum die Neuigkeiten durch mündlichen und schriftlichen Privatverkehr mit auf¬
fallend gesteigerter Energie verbreitet. Nicht zum Heil für die gegenwärtige
Regierung, zum größten Nachtheil für das Ansehn der Krone, auch nicht zur
Verbesserung der Stimmung. Denn jetzt wuchern Anekdoten, wahre und falsche
Scandalgeschichten und finstere Scherze gegen die Machthaber, sie werden begie¬
rig angehört, gläubig weiter getragen und steigern das Mißvergnügen zu einem
Grade von Haß und Widerwillen, welchen die lautesten Angriffe einer freien
Presse niemals hervorgebracht hätten. Es ist genau die Stimmung, wie sie
einer unberechenbaren Bewegung vorhergeht, Schadenfreude, kalter Hohn, ein
tiefes Einfressen der Empfindung, daß dieser Zustand auf die Länge nicht er¬
träglich sei.

Diese tiefe Verstimmung im Volke und das Schweigen der geknebelten
Presse verringert allerdings die wohlthätige Wirkung, welche der männliche
Widerstand des Kronprinzen unter andern Umständen gehabt hätte. Wenn
aber auch kein lautes Wort der Zufriedenheit und des Dankes zu dem Ohr
des Prinzen dringt, der Antheil, welchen der Thronfolger an den Leiden des
Volkes genommen hat. wird trotzdem lebhaft anerkannt. Und es sei ein Ver¬
such erlaubt, der Stimmung, mit welcher die große Mehrzahl des preußischen
Volkes dies Ereigniß betrachtet, in d. Bl. Ausdruck zu geben. So etwa, meinen
wir, empfindet gegenwärtig das Volk dem Thronfolger gegenüber.

"Wir lesen in fremden Blättern, daß unser Kronprinz die Ueberzeugungen
theilt, welche in der Mehrheit des preußischen Volks sehr lebendig sind. Es
wird uns in fremden Zeitungen versichert, daß der Kronprinz mannhaft für Ge¬
setz und unser Recht gesprochen habe. Die Preußen haben nicht nöthig, ihre
Treue und Loyalität zu rühmen, diese Eigenschaften bestehen jetzt eine schwere
Probe, und wir danken dem Prinzen auch deshalb für seine Betheiligung an
unserm Kampfe, weil diese Betheiligung uns leichter macht, warme und loyale
Empfindungen aus der Gegenwart in die Zukunft unseres Staates zu retten.

"Wir Preußen würdigen vollkommen die Rücksichten, welche der Sohn
gegen seinen erlauchten Vater, der Thronfolger gegen 5en König zu nehmen
hat. Wir werden dem Herzen des Sohnes keinen bittern Kampf gegen die
Pietät zumuthen, welche derselbe gegen das theure Haupt seines Vaters empfin¬
det. Wir wünschen, daß er aus dem Conflict großer Pflichten mit reinem Herzen,


so wichtige politische Thatsache auch nur zu erwähnen! Wo den Preußen
verboten werden darf, zu erfahren, was in der fremden Presse und an allen
Höfen des Auslandes Aufsehen erregt hat.

Allerdings ist der Protest des Kronprinzen und was ihn umgibt dem
preußischen Volke nicht ganz fremd und nicht ganz ohne Wirkung auf die
Stimmung geblieben. Die gewaltsame Unterdrückung des freien Wortes in
den Zeitungen hat tu Preußen die gewöhnliche Folge gehabt, daß das Publi-
cum die Neuigkeiten durch mündlichen und schriftlichen Privatverkehr mit auf¬
fallend gesteigerter Energie verbreitet. Nicht zum Heil für die gegenwärtige
Regierung, zum größten Nachtheil für das Ansehn der Krone, auch nicht zur
Verbesserung der Stimmung. Denn jetzt wuchern Anekdoten, wahre und falsche
Scandalgeschichten und finstere Scherze gegen die Machthaber, sie werden begie¬
rig angehört, gläubig weiter getragen und steigern das Mißvergnügen zu einem
Grade von Haß und Widerwillen, welchen die lautesten Angriffe einer freien
Presse niemals hervorgebracht hätten. Es ist genau die Stimmung, wie sie
einer unberechenbaren Bewegung vorhergeht, Schadenfreude, kalter Hohn, ein
tiefes Einfressen der Empfindung, daß dieser Zustand auf die Länge nicht er¬
träglich sei.

Diese tiefe Verstimmung im Volke und das Schweigen der geknebelten
Presse verringert allerdings die wohlthätige Wirkung, welche der männliche
Widerstand des Kronprinzen unter andern Umständen gehabt hätte. Wenn
aber auch kein lautes Wort der Zufriedenheit und des Dankes zu dem Ohr
des Prinzen dringt, der Antheil, welchen der Thronfolger an den Leiden des
Volkes genommen hat. wird trotzdem lebhaft anerkannt. Und es sei ein Ver¬
such erlaubt, der Stimmung, mit welcher die große Mehrzahl des preußischen
Volkes dies Ereigniß betrachtet, in d. Bl. Ausdruck zu geben. So etwa, meinen
wir, empfindet gegenwärtig das Volk dem Thronfolger gegenüber.

„Wir lesen in fremden Blättern, daß unser Kronprinz die Ueberzeugungen
theilt, welche in der Mehrheit des preußischen Volks sehr lebendig sind. Es
wird uns in fremden Zeitungen versichert, daß der Kronprinz mannhaft für Ge¬
setz und unser Recht gesprochen habe. Die Preußen haben nicht nöthig, ihre
Treue und Loyalität zu rühmen, diese Eigenschaften bestehen jetzt eine schwere
Probe, und wir danken dem Prinzen auch deshalb für seine Betheiligung an
unserm Kampfe, weil diese Betheiligung uns leichter macht, warme und loyale
Empfindungen aus der Gegenwart in die Zukunft unseres Staates zu retten.

„Wir Preußen würdigen vollkommen die Rücksichten, welche der Sohn
gegen seinen erlauchten Vater, der Thronfolger gegen 5en König zu nehmen
hat. Wir werden dem Herzen des Sohnes keinen bittern Kampf gegen die
Pietät zumuthen, welche derselbe gegen das theure Haupt seines Vaters empfin¬
det. Wir wünschen, daß er aus dem Conflict großer Pflichten mit reinem Herzen,


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[0044] so wichtige politische Thatsache auch nur zu erwähnen! Wo den Preußen verboten werden darf, zu erfahren, was in der fremden Presse und an allen Höfen des Auslandes Aufsehen erregt hat. Allerdings ist der Protest des Kronprinzen und was ihn umgibt dem preußischen Volke nicht ganz fremd und nicht ganz ohne Wirkung auf die Stimmung geblieben. Die gewaltsame Unterdrückung des freien Wortes in den Zeitungen hat tu Preußen die gewöhnliche Folge gehabt, daß das Publi- cum die Neuigkeiten durch mündlichen und schriftlichen Privatverkehr mit auf¬ fallend gesteigerter Energie verbreitet. Nicht zum Heil für die gegenwärtige Regierung, zum größten Nachtheil für das Ansehn der Krone, auch nicht zur Verbesserung der Stimmung. Denn jetzt wuchern Anekdoten, wahre und falsche Scandalgeschichten und finstere Scherze gegen die Machthaber, sie werden begie¬ rig angehört, gläubig weiter getragen und steigern das Mißvergnügen zu einem Grade von Haß und Widerwillen, welchen die lautesten Angriffe einer freien Presse niemals hervorgebracht hätten. Es ist genau die Stimmung, wie sie einer unberechenbaren Bewegung vorhergeht, Schadenfreude, kalter Hohn, ein tiefes Einfressen der Empfindung, daß dieser Zustand auf die Länge nicht er¬ träglich sei. Diese tiefe Verstimmung im Volke und das Schweigen der geknebelten Presse verringert allerdings die wohlthätige Wirkung, welche der männliche Widerstand des Kronprinzen unter andern Umständen gehabt hätte. Wenn aber auch kein lautes Wort der Zufriedenheit und des Dankes zu dem Ohr des Prinzen dringt, der Antheil, welchen der Thronfolger an den Leiden des Volkes genommen hat. wird trotzdem lebhaft anerkannt. Und es sei ein Ver¬ such erlaubt, der Stimmung, mit welcher die große Mehrzahl des preußischen Volkes dies Ereigniß betrachtet, in d. Bl. Ausdruck zu geben. So etwa, meinen wir, empfindet gegenwärtig das Volk dem Thronfolger gegenüber. „Wir lesen in fremden Blättern, daß unser Kronprinz die Ueberzeugungen theilt, welche in der Mehrheit des preußischen Volks sehr lebendig sind. Es wird uns in fremden Zeitungen versichert, daß der Kronprinz mannhaft für Ge¬ setz und unser Recht gesprochen habe. Die Preußen haben nicht nöthig, ihre Treue und Loyalität zu rühmen, diese Eigenschaften bestehen jetzt eine schwere Probe, und wir danken dem Prinzen auch deshalb für seine Betheiligung an unserm Kampfe, weil diese Betheiligung uns leichter macht, warme und loyale Empfindungen aus der Gegenwart in die Zukunft unseres Staates zu retten. „Wir Preußen würdigen vollkommen die Rücksichten, welche der Sohn gegen seinen erlauchten Vater, der Thronfolger gegen 5en König zu nehmen hat. Wir werden dem Herzen des Sohnes keinen bittern Kampf gegen die Pietät zumuthen, welche derselbe gegen das theure Haupt seines Vaters empfin¬ det. Wir wünschen, daß er aus dem Conflict großer Pflichten mit reinem Herzen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/44>, abgerufen am 15.05.2024.