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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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so ist eine wohlberechtigte Empfindung, der Hoheit des Kronprinzen durch seine
Stellung als Divisionsgeneral ernste Unannehmlichkeiten. Er ist keinen Augen¬
blick sicher, daß nicht der politische Eifer vorgesetzter Generale sich gegen
ihn geltend mache und als militärische Insubordination auffasse, was in
der That mit militärischem Gehorsam durchaus nichts zu thun hat. Selbst
wenn solche Uebergriffe militärischen Selbstgefühls von höchster Stelle zurück¬
gewiesen werden sollten, ist es nicht bedenklich für die erhabene Stellung des
Thronfolgers, auch nur solcher Möglichkeit fortwährend ausgesetzt zu sein?
Ferner aber ist von den Blattern des herrschenden Systems mehr als ein¬
mal mit Behagen gepriesen And gemahnt worden, daß das beste Mittel
gegen die unwillkommene Bewegung im Volke militärische Gewalt sei. Käme
nun der verhängnißvolle und beklagenswerthe Tag, an welchem diese Wünsche
det exaltirten Feudalen in Erfüllung gehen und ein Zusammenstoß zwischen der
bewaffneten Macht und aufgeregten Menge stattfände, in welche schwierige
Stellung könnte dann der Thronfolger als Divisivnär der Garde kommen?
Seine innern Ueberzeugungen, sein höchstes Interesse möchten dann leicht in
einen scharfen Conflict gerathen mit den Geboten militärischen Gehorsams und
mit den Verpflichtungen, welche in solchen Stunden hoher Spannung der
General gegen den Kriegsherrn, der Sohn gegen den geliebten Vater hat.

"Das preußische Volk fühlt tief, daß ein entschiedener Protest des Kron¬
prinzen gegen die Preßvcrordnung in trüber Zeit allerdings die Bedeutung hat,
ein neues Band zwischen dem Volk und dem Geschlecht seiner Fürsten zu knüpfen.
Aber wenn die Freude sich jetzt darüber nicht lebhaft äußert, so hat das noch
einen besondern Grund. Zu herb waren die Lehren der letzten Jahrzehnte, zu
oft ist dem Volk nach hingebenden Vertrauen bittere Verstimmung, inneres
Zerwürfniß, Verminderung der Staatsmacht nach Außen zu Theil geworden.
Damit in Zukunft die Wiederkehr solcher Zustände unmöglich werde, meint das
Volk sich jetzt selbst helfen zu müssen. Um den preußischen Staat zu Kraft
und Gesundheit zu erheben, reicht nicht guter Wille und warmes Herz seiner
thronbesteigcnden Fürsten aus, nicht das hingebende gläubige Vertrauen und
die Loyalität eines freien Volkes. Der feindliche Zauber, welcher das Haupt
auch des wohlwollenden Fürsten so leicht umstrickt, sobald die Krone darauf
herabsinkt, kann nur durch einen Gegenzauber gebrochen werden, dadurch, daß
das Volk aus sich selbst eine Widerstandskraft und Thatkraft entwickelt, welche
gescheut und geehrt werden muß. Nur solcher Nerv und Stahl im Volks¬
charakter gibt dem Staate die Garantie der Dauer und Macht und dem Für¬
sten die Garantie, daß Willkür. Selbstüberhebung, die alte Königskrankheit, von
seinem geheiligten Haupt fern bleiben. Deshalb ist es sowohl zum Heil für den
Staat als zum Segen für jeden künftigen Regenten Preußens, wenn das Volk jetzt
den schweren Kampf, irr den es geschleudert wurde, mit eigener Kraft und ohne


so ist eine wohlberechtigte Empfindung, der Hoheit des Kronprinzen durch seine
Stellung als Divisionsgeneral ernste Unannehmlichkeiten. Er ist keinen Augen¬
blick sicher, daß nicht der politische Eifer vorgesetzter Generale sich gegen
ihn geltend mache und als militärische Insubordination auffasse, was in
der That mit militärischem Gehorsam durchaus nichts zu thun hat. Selbst
wenn solche Uebergriffe militärischen Selbstgefühls von höchster Stelle zurück¬
gewiesen werden sollten, ist es nicht bedenklich für die erhabene Stellung des
Thronfolgers, auch nur solcher Möglichkeit fortwährend ausgesetzt zu sein?
Ferner aber ist von den Blattern des herrschenden Systems mehr als ein¬
mal mit Behagen gepriesen And gemahnt worden, daß das beste Mittel
gegen die unwillkommene Bewegung im Volke militärische Gewalt sei. Käme
nun der verhängnißvolle und beklagenswerthe Tag, an welchem diese Wünsche
det exaltirten Feudalen in Erfüllung gehen und ein Zusammenstoß zwischen der
bewaffneten Macht und aufgeregten Menge stattfände, in welche schwierige
Stellung könnte dann der Thronfolger als Divisivnär der Garde kommen?
Seine innern Ueberzeugungen, sein höchstes Interesse möchten dann leicht in
einen scharfen Conflict gerathen mit den Geboten militärischen Gehorsams und
mit den Verpflichtungen, welche in solchen Stunden hoher Spannung der
General gegen den Kriegsherrn, der Sohn gegen den geliebten Vater hat.

„Das preußische Volk fühlt tief, daß ein entschiedener Protest des Kron¬
prinzen gegen die Preßvcrordnung in trüber Zeit allerdings die Bedeutung hat,
ein neues Band zwischen dem Volk und dem Geschlecht seiner Fürsten zu knüpfen.
Aber wenn die Freude sich jetzt darüber nicht lebhaft äußert, so hat das noch
einen besondern Grund. Zu herb waren die Lehren der letzten Jahrzehnte, zu
oft ist dem Volk nach hingebenden Vertrauen bittere Verstimmung, inneres
Zerwürfniß, Verminderung der Staatsmacht nach Außen zu Theil geworden.
Damit in Zukunft die Wiederkehr solcher Zustände unmöglich werde, meint das
Volk sich jetzt selbst helfen zu müssen. Um den preußischen Staat zu Kraft
und Gesundheit zu erheben, reicht nicht guter Wille und warmes Herz seiner
thronbesteigcnden Fürsten aus, nicht das hingebende gläubige Vertrauen und
die Loyalität eines freien Volkes. Der feindliche Zauber, welcher das Haupt
auch des wohlwollenden Fürsten so leicht umstrickt, sobald die Krone darauf
herabsinkt, kann nur durch einen Gegenzauber gebrochen werden, dadurch, daß
das Volk aus sich selbst eine Widerstandskraft und Thatkraft entwickelt, welche
gescheut und geehrt werden muß. Nur solcher Nerv und Stahl im Volks¬
charakter gibt dem Staate die Garantie der Dauer und Macht und dem Für¬
sten die Garantie, daß Willkür. Selbstüberhebung, die alte Königskrankheit, von
seinem geheiligten Haupt fern bleiben. Deshalb ist es sowohl zum Heil für den
Staat als zum Segen für jeden künftigen Regenten Preußens, wenn das Volk jetzt
den schweren Kampf, irr den es geschleudert wurde, mit eigener Kraft und ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/46>, abgerufen am 15.05.2024.